Letztens hielt ich ein provokantes Buch in den Händen; „The Corporate Fool“ von David Firth und Alan Leigh. Besonders spannend fand ich eine Seite mit echten Berufsbezeichnungen in Unternehmen. Betitelt werden diese Berufsbezeichnungen als Job Title to Die for:
- Troublemaker, US Department of Labor
- Chief Imagination Officer, Gateway 2000
- Minister of Progress, Aspen Tree Software
- VR Evangelist, Silicon Graphics Inc
- Director of Bringing in the Cool People, Netscape
- Director Mind & Mood, Foote, Cone and Belding
- Senior Creatologist, Polaroid
- Chief Growth Officer, Thomas Group
- Director of Intelligence, TBWA Chiat/Day
- Content Guy, AirMedia Inc
- Journey Manager, Barclays Bank
- Director of Fun, Sprint Paranet
Diese Berufsbezeichnungen müssen geradezu als wahre Provokateure im Unternehmen wahrgenommen werden. Können Sie sich vorstellen, dass es im Ministerium für Finanzen einen ausgeschriebenen Beruf „Director of Bringing in the Cool People“ gibt?
Die Rolle eines Provokateurs in der Geschichte – der Hofnarr
Die Funktion dieser außergewöhnlichen Berufe lässt sich für mich wie folgt erklären: Im Grunde haben die Berufe den Zweck eines Hofnarren. Sicherlich kennt jeder diesen lustigen bunt geschmückten Hofnarren. Diese Narren sind allgemein bekannt als Spaßmacher oder Possenreißer. Allerdings spreche ich von der anderen Bedeutung der Hofnarren, den artifiziellen Narren.
Denn im späten 16. Jahrhundert bis hin zur Neuzeit hatte der Narr die Rolle eines einflussreichen Beraters des Königs inne. Zumeist waren diese Narren hoch angesehene Spezialisten oder gebildete Akademiker. Sie hatten ein Privileg: die Erlaubnis zum Irritieren und Provozieren!
Wie nützlich diese Rolle für den König war, wird deutlich, wenn man sich einen mittelalterlichen Königsrat vorstellt. Niemand hätte damals die Entscheidungen des Königs hinterfragt. Er ist zu wichtig um seine Entscheidungen oder Taten in Frage zu stellen. Jemand der ausdrücklich die Erlaubnis dafür hatte, konnte dann Entscheidungen oder Taten hinterfragen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Ein moderner Hofnarr
1995 wurde bei British Airways Paul Birch offiziell als „Corporate Jester“ eingestellt. Birch hatte British Airways davon überzeugt, dass er genauso nützlich wie sein mittelalterlicher Vorfahre im Unternehmen sein könnte. Denn nach seiner Auffassung sind Vorstände oder Führungskräfte ähnlich einem mittelalterlichen König. Auch hier sind die Akteure zu wichtig geworden, um deren Entscheidungen oder Taten hinterfragen zu dürfen.
Demzufolge könnte ein moderner Hofnarr der stillschweigenden Angst und dem Systemzwang positiv entgegenwirken. Er hat das Privileg das Management zu hinterfragen ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Und jetzt meine Frage an Sie:
Haben auch Sie einen Hofnarr in Ihrem Unternehmen?
Ja, eine solche Rolle kann ich mir gut in Unternehmen vorstellen, wo die Entscheidungen der Firmenführung als Gesetz gilt und ohne Fehl und Tadel zu beurteilen ist.
Firmen, die eine offensive Innovationskultur pflegen, haben ein wichtiges Werkzeug dabei implementiert: Das Bewusstsein, dass Entscheidungen fehlerhaft sein können.
Nur so kann etwas Neues ausprobiert werden. Und da das Bewusstsein da ist, dass ein Fehler drin stecken könnte, kann dieser eher erkannt und wieder gegengesteuert werden.
Aber der Hofnarr hat auch in dieser Kultur seinen Nutzen. Wenn eine Idee diskutiert wird, ob sie das Potential für eine Innovation sein könnte, dann helfen solche Personen schon vorher (nicht wie von Ihnen beschrieben im Nachhinein) im Sinn eines Teufelchens, die negativen Seiten der Idee hervorzukehren. So kann geprüft werden, wie belastbar die Idee ist.
Ich kenne noch eine interessante Rolle: Ideenmädchen, das sich darum kümmert, dass den Ideengeber vor der Diskussion in größerer Runde unterstützt, die Idee zu schärfen. Häufig ist es so, dass die Ideengeber den Aufwand dafür meiden wollen und ihre Idee erst gar nicht in die Runde werfen.
Viele Grüße, Martin Bartonitz
Hallo Herr Bartonitz,
ich habe auch von einer ähnlichen Rolle (Ideenmädchen) gehört. Sie nannte sich Ideencoach. Er hat die Aufgabe, den Ideengeber zu coachen seine Idee zu eindrucksvoll präsentieren zu können.
Nach unserer Erfahrung eine der größten Schwierigkeiten: Wie Ideen präsentiert werden und der eigentliche Nutzen der Idee transportiert werden kann.
Wir haben auch Ideengeber erlebt, die im Team gezielt nach Kritikern gesucht haben, um Ihre Idee zu stärken. 😉
Schade nur, dass wir auch oft erleben, dass diese Werkzeuge keine Anwendung finden oder dass Kritik auch nicht konstruktiv gegeben wird. Dadurch werden natürlich auch gute Ideen sterben.
Viele Grüße
Jana
Mit dem Begriff „Corporate Jester“ habe ich eine Jobbeschreibung gefunden, zu der mein Berufsleben der letzten 20 Jahre wunderbar passt. Jetzt muss ich nur noch Den Vorstand überzeugen eine solche Stelle zu schaffen 😄✌️😄