Eine alte Provokation wird wahr

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In meiner Vorlesung Idea Engineering an der Universität Magdeburg erkläre ich den Perspektivwechsel durch Provokation.

Eines der Beispiele, die ich seit Jahren benutze, lautet

PO Das Zifferblatt bewegt sich, und die Zeiger stehen still.

Diese Provokation kann durch Umkehrung sehr leicht aus der Beobachtung

Die Zeiger bewegen sich, und das Zifferblatt bewegt sich nicht.

abgeleitet werden.

Unter dieser Provokation konnte ich mir nie etwas vorstellen, (und ich habe mir keine weiteren Gedanken dazu gemacht.)

Nun habe ich im Internet tatsächlich eine Uhr gefunden, die dieser Provokation entspricht. Die Uhr wird von Tokyoflash aus Japan in einer Reihe von Armbanduhren mit sehr originellen Anzeigeformen angeboten. Bei dieser Uhr ist der Zeiger ein (stehender) roter Strich, und das Zifferblatt – das in zwei Scheiben für die Stunden und Minuten getrennt ist – dreht sich entsprechend darunter.

Wie so oft bei Provokationen ist die Vorstellung zunächst schwierig, aber die Lösung ganz einfach, wenn man sie einmal hat!

(Bildquelle: Tokyoflash)

Sieben Gründe, warum Ihre Idee niemandem gefällt

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In seinem Blog Casual Fridays schreibt Dustin Staiger über verschiedene Themen zu Ideen und Kreativität. Einer seiner populärsten Artikel heißt 7 Reasons No One Likes Your Ideas. Dort beschreibt er Fehler, die man bei der Präsentation seiner Ideen machen kann, die im schlimmsten Fall sogar zur Ablehnung führen können.

Die sieben Gründe heißen (in einer freien Übersetzung von mir):

  1. Sie sind gesprungen, haben aber keine Brücke gebaut. Die Kette von Gedanken, die zu Ihrer Idee geführt hat, ist zwar für Sie nachvollziehbar, für andere kann der erforderliche Gedankensprung zu weit sein.
  2. Ihre Idee war nicht festgebunden. Ohne mit konkreten Zielen und Rahmenbedingungen fest verankert zu sein, scheint Ihre Idee wie ein Heliumballon abzuheben.
  3. Sie haben ein Lied gesprochen. Manche Ideen müssen erlebt werden, zum Beispiel mit einer Graphik oder einem Modell.
  4. Sie haben kein Beziehungskapital. Wenn Ihre (Vertrauens- oder Glaubwürdigkeits-)Beziehung zu Ihrem Publikum nicht gut genug ist, brauchen Sie jemand anderes, um Ihre Idee vorzutragen.
  5. Sie haben ein Ei statt einen Vogel in die Luft geworfen. Sie haben Ihre Idee zu früh vorgestellt. Statt zu fliegen, ist sie abgestürzt. Manche Ideen brauchen eben Zeit.
  6. Zu viele Dornen an der Rose. Jede Idee hat Nachteile. Seien Sie flexibel gegenüber Kritik und Änderungsvorschlägen, sonst könnten die Probleme die Idee killen.
  7. Sie glaubten, Sie wüssten alles. Vielleicht hat jemand Ihre Idee schonmal ausprobiert. Vielleicht fehlt Ihnen wichtige Information. Vielleicht regt Ihre Idee eine noch bessere bei einem Zuhörer an.

Wie Sie sehen, setzt Staiger beim Schreiben gerne Metaphern und Analogien ein, was seinen Stil für mich attraktiv und frisch macht.

Nach meiner Erfahrung sind Fehler 1. und 3. die wichtigsten.

Neue Ideen wirken zunächst immer fremd und stoßen dadurch auf Unverständnis. Killerphrasen sind ein typisches Symptom dieses Problems. Um Ideen für andere verständlich zu machen, ist es wichtig, zu erklären, wie man darauf gekommen ist. Damit geht oft auch einher, dass die Vorzüge der Idee für den Zuhörer klarer werden. Dieses Phänomen ist eine Schwierigkeit in der Ideenfabrik, da Rohideen zwangsläufig nur sehr knapp beschrieben sind, und es hat noch keine Gelegenheit gegeben, die besagte Brücke zu bauen. Das Drehbuch muss dieses Problem berücksichtigen.

Der Mensch neigt dazu, in einer neuen Idee zunächst die Schwierigkeiten und weniger die Vorteile zu erkennen. Andererseits gilt, erst wenn die Vorteile in den Köpfen der Entscheider überwiegen, werden diese die Idee unterstützen. Eine der besten Möglichkeiten, die Vorteile einer Idee begreifbar zu machen, liegt darin, die Idee lebhafter oder greifbarer zu präsentieren. Das Design-Unternehmen IDEO ist berühmt für ihr Prinzip des baldigen Prototypen-Baus, damit alle Beteiligten schnell ein Gefühl für eine Idee entwickeln können. Aus eben diesem Grund bietet Zephram Dienstleistungen wie Website-Erstellung oder die Visualisierung von Ideen an.

Die Präsentation ist ein oft unterschätzter Schritt im Innovationsprozess und kann selbst bei hervorragenden Ideen zu einem Ablehnungsfehler führen. Vielleicht wäre Western Union heute ein führendes Telekommunikationsunternehmen, wenn Alexander Graham Bell bei der Präsentation seines neuen Telefons Staigers Liste von Fehlern berücksichtigt hätte…

Links

Kompaktwissen Innovationsmanagement

Unmöglich für Disney?!

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Als ich gestern einen Blick in die Financial Times Deutschland (FTD) warf, musste ich bei einem Artikel ein wenig schmunzeln – welch ein Zufall! Erschien doch am Dienstag in der FTD ein Beispiel des ungünstigen Verlaufs einer abgelehnten innovativen Idee. Diese wurde vom Trickfilmproduzenten Disney 1983 abgelehnt. Erst am Montag veröffentlichte Graham einen Gastkommentar zur Serie „Kreative Zerstörer“ in der FTD. Darin beschrieb er ebendiesen ungünstigen Verlauf einer abgelehnten Idee für Marktführer.

Aber von Anfang an …

Graham veröffentlichte am Montag einen Gastkommentar „Von U-Booten und Stinktieren“ (12.01.2009) in der FTD, in dem er unter anderem über U-Boot-Projekte berichtet. Diesen Projekten begegnet man dann, wenn sich ein Mitarbeiter in eine Projektidee so sehr „verliebt“ hat, dass ihn keine Ablehnung und nicht mal eine Kündigung von der Verwirklichung des Projekts abhalten können. Später erhält das Projekt wieder einen offiziellen Status und das Unternehmen profitiert in vollem Umfang von der Idee. Ein U-Boot-Projekt beschreibt demnach den glücklichen Zufall für ein Unternehmen, das zunächst einen Ablehnungsfehler begegangen hat, diesen aber später erkannt und vor allem korrigiert hat.

Graham beschreibt in seinem Artikel aber auch den ungünstigen Fall:

Im ungünstigsten Fall kündigen die Erfinder und gründen mit ihrer Idee ein Konkurrenzunternehmen.

Diesen ungünstigen Fall erlebte auch Disney. John Lasseter, damals Disney Mitarbeiter, verliebte sich 1983 in die Idee computeranimierte Filme zu produzieren; und zwar so sehr, dass der Studiochef ihm kündigte. Die Begründung war laut FTD im Artikel „Auf den Hund gekommen“ (13.01.2009):

Im Jahr 1983 nimmt in den Disney-Studios in Burbank ein junger Mann die Kündigung entgegen. Allzu vernarrt ist er in eine neue Technik. Der Studiochef lässt ihn wissen:„Computeranimation interessiert uns nur, wenn wir damit Zeit oder Geld sparen können.“

Aus heutiger Sicht natürlich ganz klar ein Ablehnungsfehler. 😉

John Lasseter arbeitete allerdings nicht so brav, wie Ron Avitzur von Apple in Grahams Artikel heimlich an der Implementierung seiner Idee, sondern gründete gleich die kleine (Konkurrenz-)Firma Pixar. Diese Firma revolutionierte den Trickfilm; und landete mit Filmen wie „Toy Story“, „Die Monster AG“ oder „Findet Nemo“ einen Hit nach dem anderen. Schließlich (2006) kaufte Disney Pixar für 7,4 Mrd. $ auf und John Lasseter wurde wieder Teil des Disney Teams, diesmal aber als Chef der Trickfilmabteilung.

Hätte das Image und der Erfolg von Disney heute anders ausgesehen, wenn sie 1983 John Lasseter für seine Idee eine geeignete Umgebung (skunkwork) geboten hätten? Oder zeigt uns dieses Beispiel eher, dass sich besonders Marktführer darüber Gedanken machen müssen, wie sie diese wertvollen Ideen erkennen können?

Für den Vater des Trickfilms – Walt Disney – galt jedenfalls Zeit seines Lebens das Motto: „If you can dream it, you can do it.“ An eine weitere Aussage des Trickfilm-Vaters „It’s kind of fun to do the impossible“ muss sich dann wohl John Lasseter erinnert haben, nachdem seine Idee vom Studiochef abgelehnt wurde.

Bildquelle: Disney Logo

NASA – „Failure is not an option“ II

Rocket Launch

In Blogbeitrag Killerphrasen haben wir über Aussagen gesprochen, mit denen vor allem außergewöhnliche Ideen im Keim erstickt werden. Innovationen benötigen jedoch außergewöhnliche Ideen. Allerdings fällt es uns schwer diese Ideen zu generieren und sie zu erkennen! Der Effekt ist, dass gute Ideen entweder erst gar nicht geboren oder bereits in der Keimphase erstickt werden.

Ich möchte in meinem folgenden Beitrag darüber berichten, wie einige Ingenieure und Wissenschaftler vorbildhaft im Überwinden der eigenen Betriebsblindheit waren und so einzigartige sowie erfolgreiche Ideen entwickelt haben.

Das Problem

Vor Jahren schon standen Ingenieure und Wissenschaftler der amerikanischen NASA vor einem riesigen Problem. Sie verbrachten bereits Jahre damit eine Mars-Expedition zu planen. Dazu wurde ein Raumschiff, die Mars Explorer, entwickelt, das Bilder vom Mars aufnehmen sollte. Das Problem bestand darin, dass die Rakete des Raumschiffs zu schwer war. Dadurch hatte sie nicht genug Schubkraft, um die Mars Explorer zum Mars zu befördern.

Das Dilemma

Die Verantwortlichen taten alles dafür, das Projekt zu retten. So kam es, dass sie alle Möglichkeiten, die Rakete leichter zu machen, ausschöpften. Aber als sie am Minimum angelangten, reichte es immer noch nicht. Es schien so, als ob die Mission fehlgeschlagen war.

Die Killerphrase

An dieser Stelle der Geschichte könnte man sich sagen: „So ist das Leben: Mal gewinnt man und mal verliert man.“ Ein Ingenieur bei der NASA tat genau das Gegenteil davon! Er bastelte vehement an einer Lösung. Was hat er anders gedacht?

Der Ausweg

Sein Vorbild muss wohl Einstein gewesen sein, der einmal gesagt hat: „Man kann ein Problem nicht mit den gleichen Denkstrukturen lösen, die zu seiner Entstehung beigetragen haben.“ Denn der Clou ist, dass er gar nicht erst versuchte, die Rakete leichter zu machen. Er suchte nach anderen Möglichkeiten die Rakete zum Mars zu bekommen!

Die Lösung

Letztendlich wurde die Rakete in die andere Richtung, nämlich zur Venus geschossen. Für diese Reise hatte die Rakete jedenfalls genug Energie. Während die Rakete dann um die Venus kreiste, wirkte die Gravitation der Venus als eine Art Katapult. Dadurch beschleunigte es das Schiff und schoss es bis zum Mars. Das Schiff erreichte den Mars und nahm tausende Bilder von ihm auf. Mission accomplished!

Diese Geschichte zeigt sehr schön, wie sehr man doch in der eigenen Falle stecken kann. Verdeckte Annahmen, wie die der Mars Explorer Mission (Die Rakete ist zu schwer um zum Mars zu gelangen!) führen dazu, dass wir blind für alternative Lösungen werden. Kreativitätstechniken (z.B. Provokationstechnik) helfen dabei die eigene Betriebsblindheit zu überwinden und Lösungen auf Basis anderer Denkstrukturen zu generieren. In diesem Sinne „Failure is not an option!“

Quelle: Innovation Management von Maital und Seshadri

Zehn Wege, um Innovation zu ersticken

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Keith Sawyer hat neulich in seinem Blog Creativity & Innovation das Innovationsbuch The Change Masters von Rosabeth Moss Kanter besprochen. In seinem Artikel Ten Rules for Stifling Innovation zitiert er zehn Management-Fehler, die Innovation in einem Unternehmen behindern:

  1. Regard any new idea from below with suspicion-because it’s new, and because it’s from below.
  2. Insist that people who need your approval to act first go through several other levels of management to get their signatures.
  3. Ask departments or individuals to challenge and criticize each other’s proposals. (That saves you the job of deciding; you just pick the survivor.)
  4. Express your criticisms freely, and withhold your praise.(That keeps people on their toes.) Let them know they can be fired at any time.
  5. Treat identification of problems as signs of failure, to discourage people from letting you know when something in their area isn’t working.
  6. Control everything carefully. Make sure people count anything that can be counted, frequently.
  7. Make decisions to reorganize or change policies in secret, and spring them on people unexpectedly. (That also keeps people on their toes.)
  8. Make sure that requests for information are fully justified, and make sure that it is not given out to managers freely. (You don’t want data to fall into the wrong hands.)
  9. Assign to lower-level managers, in the name of delegation and participation, responsibility for figuring out how to cut back, layoff, move people around, or otherwise implement threatening decisions you have made. And get them to do it quickly.
  10. And above all, never forget that you, the higher-ups, already know everything important about this business.

Hier sind fünf Vorschläge aus meiner eigenen Beobachtung zur Fortsetzung der Liste:

  1. Uphold the age-old principle of punishing people who are associated with failed projects. (That will demotivate everyone from supporting innovative ideas.)
  2. Insist on seeing financial data on every idea proposed. (You can kill any idea with financial forecasts.)
  3. Do not make innovation part of anyone’s annual goals. (To make sure that nobody has an incentive to pursue it.)
  4. Insist that everybody take on innovation tasks in addition to their current projects. (No matter that they are all working at 130% already.)
  5. Never venture beyond your established mindset. (Change is uncomfortable!)

Die zehn „Regeln“ sind sarkastisch oder ironisch formuliert. Dennoch enthalten sie ein Körnchen Wahrheit, denn sie sind das Ergebnis der Forschung von Kanter in vielen amerikanischen Unternehmen. Obwohl Kanters Buch aus dem 1983 stammt, trifft man selbst heute noch in Deutschland viele dieser Praktiken an.

Ablehnungsfehler in der Musikkritik

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Ludwig van Beethoven komponierte seine zweite Symphonie in D-Dur in den Jahren 1801 und 1802. Ihre Uraufführung fand im darauf folgenden Jahr 1803 statt. Ein Jahr später erschien in der Zeitung für die Elegante Welt eine Kritik der Symphonie, worin zu lesen ist:

Die Zweite Symphonie ist ein krasses Ungeheuer, ein angestochener, sich unbändig windender Lindwurm, der nicht ersterben will und selbst verblutend im Finale noch mit aufgerecktem Schweife wütend um sich schlägt.

Dieses Zitat und viele ähnliche findet man im Buch Lexicon of Musical Invective von Nicolas Slonimsky. Das Buch ist eine Sammlung von Musik-Kritiken von ca. 1800 bis 1950. Allen Kritiken ist gemeinsam, dass ihre Autoren das Innovative an den neuen Werken abgelehnt und die Bedeutung der Werke nicht erkennen konnten. Es ist für mich erstaunlich, mit welcher Vehemenz gegen neue Kunstwerke zu Felde gezogen wird; aus diesem Grund macht das Buch auch viel Spaß. erstaunlich ist für mich auch, dass dieses Phänomen so beständig ist: Scheinbar können manche Kritiker nicht aus Fehlern der Vergangenheit lernen – im Gegensatz zu den Komponisten, über die sie so leidenschaftlich herziehen.

Ähnlich verhält es sich bei der Ideenbewertung im modernen Innovationsprozess. Da innovative Ideen stets einen Bruch mit bisherigen Vorstellungen mit sich bringen, stoßen sie bei vielen zunächst auf Unverständnis. Auch in diesem Falle gilt: je innovativer die Idee, desto heftiger ist der Widerstand, denn gute Ideen können kulturgefährdend sein, und es kommt zunächst zu Killerphrasen und dann zum Ablehnungsfehler.

(Bildquelle: Wikipedia)