Wenn der Konsens trügt

Stellen Sie sich vor, Sie sind Innovationsmanager in einem produzierenden Unternehmen. In Ihrer Ideenpipeline befindet sich der Vorschlag, dass Sie Ihr Produkt um eine Dienstleistung ergänzen sollten. Sie haben zwei Kollegen um ihre Meinung zu diesem Vorschlag gebeten. Beide Kollegen antworten, dass die Idee schlecht ist und verworfen werden soll. Was wissen Sie jetzt?

Wahrscheinlich weniger, als Sie denken.

Um diese Behauptung zu begründen, schauen wir uns ein Beispiel an:

Falscher_Konsens_1

Kollege A hat sich unter einer Dienstleistung Produktschulungen vorgestellt. Er sieht den Wert einer Dienstleistung in einer erhöhten Kundenbindung. Da er aber nicht glaubt, dass Schulungen diesen Effekt haben können, lehnt er die Idee ab. Kollege B hat sich unter einer Dienstleistung die Produktwartung vorgestellt. Er legt Wert darauf, dass die Dienstleistung ohne großen Mehraufwand durchgeführt werden kann. Da er glaubt, dass die Entwicklung einer Wartungsdienstleistung kompliziert sein wird, lehnt er die Idee ebenfalls ab.

Nun könnte es sein, dass beide Kollegen ihre eigene Interpretation der Idee im Hinblick auf das jeweils andere Kriterium gut gefunden hätten. Wären die Ideen (oder die Bewertungskriterien) vertauscht gewesen, hätten beide Kollegen die Idee befürwortet:

Falscher_Konsens_2

Wir nennen solche Situationen falschen Konsens.

Die Folge eines falschen Konsenses im ersten Fall ist, dass Sie als Innovationsmanager die Idee „das Produkt um eine Dienstleistung ergänzen“ aus Ihrem System löschen und schnell wieder vergessen. Die Konsequenz im zweiten Fall ist, dass Sie jetzt dafür sorgen müssen, dass diese Idee weiter bearbeitet wird. Dabei ist es wahrscheinlich dem Zufall überlassen, welche Variante (Wartung oder Schulung) aufgegriffen wird. In beiden Fällen ist es Ihnen verborgen geblieben, dass es (mindestens) zwei verschiedene Kriterien gibt, die für eine Dienstleistung sprechen können (Einfachheit oder Kundenbindung).

Jetzt mögen Sie vielleicht sagen, Das würde niemals passieren: Jeder Innovationsmanager würde sich vergewissern, dass seine Kollegen die selbe Idee mit dem selben Kriterium bewerten! Das ist aber oft nicht der Fall, denn in der Praxis stellen wir fest, dass kaum ein Bewusstsein für den falschen Konsens und dessen Gefahren existiert. Auch können die Unterschiede in den Interpretationen der Idee und des Bewertungskriteriums viel subtiler sein als in diesem sehr schlichten Beispiel.

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Kompaktwissen Ideenbewertung

Was einen erfolgreichen Wagniskapital-Investor ausmacht

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Peter Thiel gehört zu bekanntesten und erfolgreichsten Venture Capital-Investoren der Welt. Er war Gründer von PayPal und von Palantir und gehört zu den ersten Investoren in Facebook.

Diese Grafik nutzt er, um zu erklären, vor was für Herausforderungen eine VC-Gesellschaft steht: Die allerbesten Ideen sehen wie schlechte Ideen aus. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass ein Web-Dienst, bei dem man Textnachrichten mit höchstens 140 Zeichen veröffentlichen kann, mehrere Milliarden schwer werden könnte? Die Aussage gilt aber auch analog für kleinere Innovationen: Die wertvollsten Ideen hören sich zunächst nach schlechten Ideen an, weil sie ungewöhnlich sind oder unseren Erwartungen nicht entsprechen.

Aus diesem Grund braucht jede Organisation, die einen Innovationsprozess betreibt, ein Bewertungssystem, das angeblich schlechte Ideen nicht voreilig verwirft. Unseren Vorschlag für ein solches System nennen wir Discovery-Driven Innovation. In einem früheren Beitrag haben wir den Kernansatz der Ideenbewertung nach DDI präsentiert: Mit welcher Frage können wir am billigsten die meiste Ungewissheit (über die Erfolgschancen einer Idee) abbauen? So könnte man bei der Evaluierung der Twitter-Idee prüfen können, ob es Zielgruppen gibt, die ein Interesse an den Dienst haben. Ein kleine Umfrage unter Journalisten, Marketing-Abteilungen und Schülern würde schnell wertvolle Hinweise liefern.

Die gefährlichste Bedingung zuerst prüfen

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Erfolg versprechende Idee entwickelt, aber es sind noch zwei Bedingungen offen, an denen die Idee noch scheitern könnte. Welche Bedingung sollten Sie zuerst prüfen?

Die Antwort ist eigentlich einfach, dennoch stellen wir gelegentlich fest, dass die Intuition unserer Klienten und Studenten falsch liegt und sie die falsche Wahl treffen lässt. Mit ein bisschen Mathematik kann man leicht begründen, wie man vorgehen soll. Wir brauchen dazu die folgenden Größen:

  • Die Bedingungen nennen wir x und y.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Idee an Bedingung x scheitert, heißt Px.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Idee an Bedingung y scheitert, heißt Py.
  • Der Arbeitsaufwand, Bedingung x zu prüfen, ist Ax.
  • Der Arbeitsaufwand, Bedingung y zu prüfen, ist Ay.

Jetzt können wir die Erwartungswerte für den Arbeitsaufwand für beide Vorgehensweisen aufschreiben. Wenn wir zuerst x und danach y prüfen, ist unser Arbeitsaufwand

Ax + (1 – Px) * Ay.

(Wir müssen auf jeden Fall x prüfen, was den Aufwand Ax verursacht, aber y müssen wir nur prüfen, wenn unsere Idee x überlebt, was die Wahrscheinlichkeit (1 – Px) hat.

Analog ist der Arbeitsaufwand für den umgekehrten Fall

Ay + (1 – Py) * Ax.

Nach ein paar einfacher algebraischer Manipulationen bekommen wir die einfacheren Ausdrücke zum Vergleichen:

Px /Ax   bzw.  – Py / Ay

Nun ist klar, in welcher Reihenfolge wir die Prüfungen vornehmen müssen: Wenn das Verhältnis der Scheiterwahrscheinlichkeit zum Prüfwand für Bedingung x größer ist, als für Bedingung y, dann sollten wir x zuerst prüfen, denn dann ist unser Gesamtaufwand geringer. Im anderen Fall wählen wir entsprechend die umgekehrte Prüfreihenfolge. (Eigentlich handelt es sich um die Erwartungswerte für den Gesamtaufwand.)

Sind die Wahrscheinlichkeiten gleich hoch, prüfen wir die billigere Bedingung zuerst. Diese Erkenntnis scheint den meisten Menschen intuitiv einzuleuchten.

Sind die Aufwände gleich, prüfen wir zuerst die Bedingung mit der höheren Scheiterwahrscheinlichkeit – mit anderen Worten, die Bedingung, die unsere Idee mehr gefährdet. Nach unserer Beobachtung scheint dieses Ergebnis nicht so offensichtlich zu sein.

Das Vorgehen, das sich durch diese einfache Überlegung empfiehlt ist in der Lean Startup-Bewegung bekannt – wenn auch in vereinfachter Form und mit einer schlichteren Begründung. Eric Ries formuliert es so: „[…] it makes sense to test the riskiest assumptions first“.

Die Erkenntnis bildet auch die Grundlage für ein wichtiges Prinzip der Discovery-Driven Innovation. Wir formulieren es dort wie folgt: „Mit welcher Frage können wir am billigsten die meiste Ungewissheit (über die Erfolgschancen einer Idee) abbauen?“ Wenn man sich strikt an dieses Gebot hält, minimiert man den Arbeitsaufwand, die Erfolgschancen einer Idee zu validieren.

 

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Kompaktwissen Innovationsmanagement

Geschäftsmodell bewerten mit der KERNWEG-Checkliste

checkliste geschäftsmodell bewerten

Das Geschäftsmodell ist die Blaupause für ein Startup oder einen neuen Geschäftsbereich in einem existierenden Unternehmen. Die Qualität des Modells ist daher entscheidend für den unternehmerischen Erfolg. Aus diesem Grund werden Geschäftsmodelle vorzugsweise in einem strukturierten Entdeckungsprozess wie der Discovery-Driven Innovation entwickelt und validiert.

Aber was macht ein gutes Geschäftsmodell aus? Für uns muss ein Geschäftsmodell sieben Kriterien erfüllen, um eine gute Grundlage für ein neues Business zu sein. Diese sieben Kriterien kann man sich leicht mit dem Akronym KERNWEG merken:

  • Konkurrenzfähig. Es ist für unsere Konkurrenten schwierig, Marktanteile zu gewinnen. Beispiele: Starke Markenpräsenz, entscheidende Alleinstellungsmerkmale, einmaliges Werteversprechen.
  • Effizient. Führt das Geschäftsmodell alle notwendigen Funktionen mit dem geringstmöglichen Aufwand aus? Beispiel: Eine Aktivität nicht selbst durchführen, sondern von einem Partner einkaufen (Outsourcing).
  • Robust. Gibt es potentielle Entwicklungen, die das Geschäftsmodell gefährden? Beispiel: Die Regierung beendet ein Subventionsprogramm, von dem das Geschäftsmodell abhängt.
  • Nachhaltig. Kann das Geschäftsmodell im Prinzip für unbestimmte Zeit funktionieren? Gegenbeispiel: Schneeballsystem (Ist außerdem illegal!)
  • Wachstumsfähig. Zeigt das Geschäftsmodell Wege auf, wie das Geschäft ausgebaut werden kann? Beispiele: Upselling, Kunden werben Kunden, Angebotserweiterungen, zukünftige Zielgruppen.
  • Exklusiv. Inwiefern besitzt das Geschäftsmodell eine (schützbare) Einmaligkeit? Beispiele: Exklusiver Zugriff auf Ressourcen, Exklusivverträge mit wichtigen Partnern, Patente.
  • Gewinnfähig. Können wir mit dem Geschäftsmodell den gewünschten Gewinn erzielen? Hier spielen Effizienz und Konkurrenzfähigkeit natürlich eine wichtige Rolle. Ein weiterer Faktor ist die sogenannte Value Appropriation – die Fähigkeit, für den Wert, der erschaffen wurde eine entsprechende Entlohnung zu erhalten. Dies hängt unter anderem mit der Stärke der Verhandlungsposition gegenüber Partnern innerhalb der Wertschöpfungskette zusammen.

Jeder diese Aspekte kann um Teilaspekte und konkrete Beispiele verfeinert werden. Das Ergebnis ist ein ausführlicher Katalog von Kriterien und Anregungen, die für die  Geschäftsmodellentwicklung sehr hilfreich sein können. Diese können sowohl für die Generierung von Hypothesen als auch zur Überprüfung und Bewertung des Modells verwendet werden.

 

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Kompaktwissen Ideenbewertung

Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation

 

PERFECT: Feelings

perfect feelings

In unserem Beitrag über die PERFECT-Checkliste haben wir die sieben Kategorien von Kundennutzen erklärt. Diese Checkliste kann man sowohl für die Entwicklung von Geschäftsideen als auch für deren Bewertung einsetzen.

Der vierte Eintrag in der Liste heißt Feelings (Gefühle). Damit sind sowohl persönliche Emotionen wie Freude und Trauer als auch zwischenmenschliche Faktoren wie Respekt oder Hohn gemeint.

Die Liste der Gefühle ist sehr lang und – anders bei den anderen PERFECT-Elementen, die oft Fachwissen voraussetzen – jedem bekannt. Ein paar Beispiele sind:

  • Ästhetik
  • Stolz
  • Freude
  • Spaß
  • Angst
  • Scham
  • Respekt
  • Sicherheit(-sgefühl)
  • Geborgenheit
  • Zuneigung

Gefühle stecken im Werteversprechen vieler Produkte und Dienstleistungen drin – manchmal als Hauptnutzen (Kino, Restaurant, Friseur) und manchmal als Sekundärnutzen (Versicherung, Heilmassage, iPhone). Dabei kann es sich sowohl um die Erzeugung positiver Gefühle als auch um die Vermeidung oder Verringerung negativer Gefühle handeln.

Diese Tatsache ist den Anbietern solcher Produkte oft nicht bewusst, aber für eine Ideenfindung sehr wichtig. Der Kinobesitzer beispielsweise, der versteht, dass sein eigentliches Produkt die Herbeiführung eines guten Gefühls ist, wird mehr und bessere Verbesserungsideen entwickeln, als einer, der sein Produkt lediglich als das Vorführen von Filmen auffasst. Auch wird die Friseuse erfolgreicher, die es als ihre Aufgabe versteht, ihren Kunden ein gutes Gefühl zu vermitteln, als die, die ihren Job lediglich als Haare schneiden, färben usw. sieht.

Auch für die Gefühle gilt, dass die Kombination mit konkreten Aspekten eines Produktes zu besseren Anregungen führt, zum Beispiel:

  • Wie können wir bei der Ankunft ein Gefühl des Willkommenseins erzeugen?
  • Wie können wir unseren Kunden bei Extremsportaktivitäten die Angst nehmen?
  • Wie können wir unseren Kunden bei der Buchung ein Gefühl der Sicherheit geben?
  • Wie können wir für unsere Kunden Spaß beim Frühstück generieren?

Oft unterschätzen akademisch orientierte Menschen die Bedeutung der Gefühle; ein technisch oder betriebswirtschaftlich noch so attraktives Produkt wird sich schwer verkaufen lassen, wenn die wichtigen Gefühle nicht berücksichtigt werden.

 

PERFECT: Convenience

perfect convenience
In unserem Artikel über die PERFECT-Checkliste haben wir sieben Kategorien von Kundennutzen vorgestellt. Heute wollen wir auf Convenience näher eingehen.

Das Wort Convenience ist schwierig zu übersetzen – es gibt keinen Begriff im Deutschen, der die gleiche Bedeutung hat. Eine Sache ist convenient, wenn sie keine Umstände oder Störungen erzeugt. So ist es beispielsweise convenient, mit Kreditkarte zahlen zu können, statt größere Bargeldbeträge mit sich führen zu müssen oder mit einem Click in einer App einen Taxi bestellen zu können statt in der Zentrale anrufen zu müssen.

Im Zusammenhang mit Kundennutzen wird convenient sehr weit interpretiert, um viele Arten von Kundenfreundlichkeit zu umfassen. Einige Beispiele hierfür sind:

  • einfach
  • bequem
  • intuitiv
  • komfortabel
  • naheliegend
  • problemlos
  • verständlich
  • leicht erreichbar
  • leicht zugänglich
  • ergonomisch

Man kann also Kundennutzen erhöhen, indem man beispielsweise …

  • eine Fernbedienung vereinfacht oder intuitiver gestaltet,
  • den Sitz in einem Flugzeug bequemer macht,
  • den Beipackzettel eines Medikamentes verständlicher schreibt,
  • einen Taxi mit einem Click am Smartphone bestellbar macht,
  • den Griff eines Werkzeugs an die menschliche Hand anpasst.

Daraus ergeben sich Anregungen für Produktverbesserungen wie diese:

  • Wie können wir unser Produkt intuitiver machen?
  • Wie können wir es leichter machen, an unsere Dienstleistung zu kommen?
  • Wie können wir das Leben unserer Kunden vereinfachen?
  • Was ist für unsere Kunden unbequem und wie können wir das ändern?

Allerdings funktionieren die Anregungen (wie immer!) am besten, wenn sie mit Aspekten des Produktes bzw. der Dienstleistung verknüpft werden. Im Falle einer Pauschalreise würden wir zum Beispiel in einem Innovationsworkshop Fragen wie diese stellen:

  • Wie können wir Probleme bei der Anreise vermeiden?
  • Wie können wir die Buchungsoptionen verständlicher machen?
  • Wie können wir das Einchecken im Hotel komfortabler machen?
  • Wie können wir die Hotelzimmer bequemer gestalten?

In Zeiten zunehmender Commoditisierung wird Convenience als Alleinstellungsmerkmal immer wichtiger. Wir wissen von der Windermere Hierarchy, dass Kunden das Produkt mit der höchsten Convenience kaufen, sobald ihre Erwartungen an Funktionaliät und Zuverlässigkeit befriedigt worden sind.