Warum der Zufall keine Provokation ist

zufallstechnik

Von Edward de Bono stammt das Konzept der Provokation, eine Methode zur Generierung von Ideen. Sie wurde in seinem Buch „Serious Creativity“ vorgestellt. Eine Provokation hat die Aufgabe, die Gedanken in neue Bahnen zu lenken, um so neue Ideen zu ermöglichen. De Bono beschreibt sechs Methoden, um Provokationen zu erzeugen, ausgehend von der vorliegenden Situation:

  1. Idealfall (Wishful Thinking): Man beschreibt, was im Idealfall gelten würde.
  2. Umkehrung (Reversal): Man vertauscht Ursache und Wirkung oder Subjekt und Objekt.
  3. Verfälschung (Distortion): Man verändert eine qualitative Eigenschaft der Situation.
  4. Übertreiben (Exaggeration): Man verändert eine quantitative Eigenschaft der Situation.
  5. Annahme aufheben (Escape): Man macht eine Annahme über die Situation rückgängig.
  6. Zufall (Random Stimulus): Man führt ein zufälliges Element in die Situation ein.

Provokationen sollte nach de Bono mit dem Wort „PO“ angezeigt werden. Für eine Universität erhält man die folgenden Beispielprovokationen:

  1. Idealfall: PO Jeder Student erhält einen Abschluss.
  2. Umkehrung: PO Die Studenten geben der Universität eine Abschlussurkunde.
  3. Verfälschung: PO Universitäten haben einen geringes Ansehen.
  4. Übertreiben: PO Jeder Student erhält 17 Abschlüsse.
  5. Annahme aufheben: PO Es gibt keine Professoren.
  6. Zufall: Universität PO Banane.

Man erkennt schon an der Syntax, dass #6 aus dem Rahmen fällt: während die ersten fünf Provokationen ausformulierte Sätze sind, ist der Zufall nur eine Wortgruppe. Darin liegt auch unserer Meinung nach der entscheidende Unterschied. Die Aufgabe einer Provokation ist (für uns) mehr als nur, die Gedanken in eine neue Richtung zu lenken (schließlich soll das jeder Perspektivwechsel tun). Vielmehr muss eine Provokation eine Aussage sein, die das bisherige Weltbild in Frage stellt. Dies gilt für die ersten fünf Listeneinträge, für die sechste jedoch nicht. Mit anderen Worten, eine Provokation könnte auch als „Was wäre, wenn …?“-Frage formuliert werden („Was wäre, wenn die Universität keine Professoren hätte?“), die zur gedanklichen Auseinandersetzung mit einer alternativen Realität einlädt.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Zufall keine Rolle in der Ideenproduktion spielen soll. Im Gegenteil: Wir haben vor Kurzem behauptet, dass für einen geübten kreativen Denker jeder beliebige Begriff zu Ideen führen kann!

 

Links

Kompaktwissen Ideenfindung

Mit PAPI grüne Produktideen finden

Umweltfreundliche Produkte und grüne Produktion nehmen an Bedeutung zu. Dies macht sich auch an den Innovationsthemen bemerkbar, mit denen wir beauftragt werden. Für zwei Auftraggeber – beide DAX-Unternehmen – haben wir für unsere Drehbücher in der Ideenproduktion die oben stehende kleine Tabelle entwickelt.

Die Tabelle trägt den leicht zu merkenden Namen „PAPI“ – ein Akronym, der aus den Zeilenüberschriften gebildet wird. Die Tabelle liefert Anregungen, die zu neuen Ideen führen sollen. Die Zeilen der Tabelle sind wie folgt definiert:

  • Phase bezeichnet die Phase im Lebenszyklus des Produktes. Sie kann entweder das Produkt selbst oder dessen Anwendung bzw. Betrieb meinen.
  • Action bezeichnet die Aktion, die zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit beitragen soll.
  • Physics unterscheidet zwischen Energie- und Materialverbrauch.
  • Interface bezeichnet die Schnittstelle zur Umwelt und kann entweder Zufluss oder Abfluss sein.

Die Tabelle wird verwendet, indem zunächst aus jeder Reihe eine der beiden Alternativen gewählt wird. Aus den vier Begriffen wird dann eine Frage gebildet, die als Anregung für eine Idee dient. Einige Beispiele für solche Fragen sind:

  • Use-Reduce-Energy-Output: Wie können wir den Elektrosmog verringern, den das Produkt während des Betriebs erzeugt?
  • Use-Replace-Material-Input: Wie können wir den Toner im Fotokopierer durch einen umweltfreundlicheren ersetzen?
  • Product-Replace-Material-Output: Wie können wir die Materialien im Produkt durch biologisch abbaubare ersetzen? (Man verringert dadurch den Müll, wenn das Produkt entsorgt wird.)
  • Product-Reduce-Material-Input: Wie können wir den Herstellungsprozess modifizieren, um den Verschnitt zu reduzieren?

Solche Fragen dienen den Experten als Denkanstöße, die zu neuen Ideen führen. Ein erfahrener Moderator kann mit Hilfe dieses kleinen Werkzeugs eine Fülle derartiger Fragen erfinden.

 

Links

Kompaktwissen Ideenfindung

 

Betriebsblindheit durch Prototypen

 

prototypen

Leonardis beschreibt eine interessanten Beobachtung in der aktuellen Ausgabe des Harvard Business Review. Er hat beobachtet, dass das Bauen von Prototypen die Kreativität von Entwicklerteams hemmt.

Häufig werden Prototypen in der Entwicklung eingesetzt, um Ideen für neue Produkte zu erarbeiten. Sie dienen dem Team dazu Ideen auszuprobieren und zu kommunizieren.

Der Nachteil dieser Prototypen ist nun allerdings, dass das Entwicklungsteam sich sehr schnell auf diesen Prototypen konzentriert und Alternativen zur Lösung der Aufgabe verborgen bleiben. Der Prototyp fesselt das Team gedanklich. Leonardis hat beobachtet, dass die Entwickler nach dem Prototypen nur noch an der Optimierung von diesem arbeiten: Funktionen werden ergänzt, Verbesserungen werden vorgenommen, etc. Die Freiheit alternative Lösungsmöglichkeiten zu finden ist beschränkt.

Damit sich das Entwicklungsteam nicht durch einen Prototypen einengen lässt, empfehlen wir:

  1. Geben Sie Ihrem Entwicklungsteam einen klaren Auftrag (Briefing).
  2. Bevor Sie Ideen sammeln, sammeln Sie Probleme, die gelöst werden müssen.
  3. Sammeln Sie viele verschiedene Alternativen für das Lösen der Probleme.
  4. Sobald Sie einen Prototypen entwickelt haben, stellen Sie Ihr eigenes Konzept wieder in Frage: „Was wäre wenn, … ?“

[Quelle: HBR, Dezember 2011, Paul Leonardis „Early Prototypes Can Hurt a Team’s Creativity“]

Aufgabenanalyse mit der 8P-Liste

attribute 8p liste

Attribute in der Ideenfindung

Eine gute Ideenfindung beginnt immer mit einer Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Es gibt dafür zwei Gründe: das Priming und der Perspektivwechsel. Priming hilft den Workshop-Teilnehmern, sich mit der Aufgabe vertraut zu machen. Der Perspektivwechsel ist ein essentieller Bestandteil jeder guten Ideenfindungsmethode wie zum Beispiel die Analogietechnik.

Es ist wichtig, dass diese Auseinandersetzung nicht nur abstrakt, sondern mit vielen konkreten Einzelheiten geschieht. Es empfiehlt sich daher fast immer, im ersten Schritt die Aufgabe aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und in Komponenten zu zerlegen. In manchen Fällen reicht dieser Schritt sogar alleine aus, um Ideen anzuregen. Jede Aufgabenstellung hat ihre eigenen, problemspezifischen Betrachtungsweisen, zum Beispiel die PERFECT-Checkliste für Geschäftsideen. Die 8P-Checkliste ist dagegen ein allgemeiner Ansatz, der in vielen Situation anwendbar ist.

Die 8P-Checkliste

Eine einfache Möglichkeit, um eine Ideenfindungsaufgabe zu analysieren, ist die sogenannte „8P-Technik“. Acht (englische) Wörter, die alle mit dem Buchstaben „P“ beginnen, liefern unterschiedliche Sichtweisen auf eine Situation. Sie lauten wie folgt:

  • People: Wer ist beteiligt?
  • Places: Welche Orte sind involviert?
  • Parts: Welche physischen oder abstrakten Bestandteile gibt es?
  • Processes: Welche Abläufe gibt es?
  • Parameters: Was sind die Eigenschaften der gegebenen Situation?
  • Policies: Welche Regeln und Traditionen gibt es?
  • Purposes: Welche Ziele werden verfolgt?
  • Problems: Welche Probleme gibt es?

Beispiel

Würden wir beispielsweise Ideen für einen Supermarkt suchen, könnten Beispiele für die 8Ps sein:

  • People: Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten
  • Places: Kasse, Regal, Käsetheke
  • Parts: Produkte, Kassen, Werbung
  • Processes: bezahlen, Auto beladen, Einkaufswagen schieben
  • Parameters: unübersichtlich, voll, schmucklos
  • Policies: Ladenschlusszeiten, Selbstbedienung, es muss an der Kasse bezahlt werden
  • Purposes: Die Kunden zufriedenstellen, Gewinn machen, den Einkauf schnell erledigen
  • Problems: gesuchte Ware fehlt, lange Wartezeiten, Kinder werden ungeduldig

Attribute präzisieren

Abstrakte Anregungen können keine Ideen inspirieren. Anregungen müssen vielmehr konkret und bildhaft sein, um zu wirken. Die Konkretisierung von Aspekten der gegebenen Situation dient dazu, Bilder in den Köpfen der Ideenworkshop-Teilnehmer zu wecken. Man kann also die Analyse vertiefen, um immer feiner in die Aufgabenstellung einzutauchen, zum Beispiel:

  1. (Aufgabenstellung): Wir suchen Ideen für die Universität.
  2. Part: Wir suchen Ideen für das Modul „Idea Engineering“.
  3. Part: Wir suchen Ideen für die erste Idea Engineering-Vorlesung des Semesters.
  4. Part: Wir suchen Ideen für die erste Minute der ersten Idea Engineering-Vorlesung des Semesters.

Die Formulierungen 1 und 2 sind für die meisten Workshop-Teilnehmer zu allgemein, um Ideen anzuregen. Spätestens bei Schritt 4 wird aber nahezu jedem eine Idee einfallen.

Analog führt die folgende Vertiefung zu ergiebigeren Sichtweisen:

  1. (Aufgabenstellung): Wir suchen Ideen für unseren Supermarkt.
  2. People: Kunden (des Supermarktes)
  3. Parameter: Berufstätige Kunden
  4. Parameter: Alleinstehende, berufstätige Kunden
  5. Problem: Alleinstehende, berufstätige Kunden haben zu wenig Zeit zum Einkaufen

Auch in diesem Beispiel sind die Listeneinträge 3 und 4 besser geeignet, um Ideen anzuregen.

 

Links

Kompaktwissen Ideenfindung

 

Werbeideen durch Zeitsprünge II

In einem früheren Artikel haben wir auf die Arbeit von Jacob Goldenberg, David Mazursky und Sorin Solomon beschrieben. Sie haben sechs Eigenschaften identifiziert, die erfolgreiche Werbeplakate und -spots charakterisieren.

Eine dieser Eigenschaften heißt Dimensionsveränderung. Hier entsteht die Werbeidee durch Manipulation einer physikalischen Dimension wie z.B. die Zeit. Dabei wird die Uhr vor- oder zurückgedreht, um eine neue Perspektive auf das Produkt zu gewährleisten.

In diesem Spot des norwegischen Telekommunikationsunternehmens Telenor sehen wir eine Szene aus den 1940er Jahren. Dort sehen wir ein Mädchen, das in einem Schulaufsatz ihr Bild des Telefons der Zukunft beschreibt. Weil ihre Vorstellungen so „verrückt“ sind, wird sie zum Schuldirektor, zum Arzt und schließlich zum Psychiater geschickt. Natürlich beschreibt sie nichts anderes als das Mobiltelefon, das wir alle kennen. Auch heute beobachten wir oft ähnliche Reaktionen auf ungewöhnliche Ideen.

Wie findet man gute Analogien?

gute analogien

Analogien sind die vielseitigste Methode zur Generierung von Perspektivwechseln. Sie bilden den Kern der Analogietechnik, einer der wichtigsten Ideenfindungsmethoden. Die Analogietechnik lässt sich leicht steuern, um beispielsweise eher naheliegende oder eher exotische Ideen zu produzieren oder um in der Anwendung eher einfach oder eher anspruchsvoll zu sein. Sie kann ein zuverlässiger Ideenlieferant oder ein risikoreiches Experiment sein. Aus diesen Gründen ist sie die von uns am häufigsten verwendete Ideenfindungsmethode.

In ihrer klassischen Form läuft die Analogietechnik in den folgenden vier Schritten ab:

  1. Attribut: Was ist eine Eigenschaft der Ausgangssituation?
  2. Analogie: Wer oder was sonst hat diese Eigenschaft?
  3. Fremdlösung: Wie würde dieser die Aufgabe lösen?
  4. Übertragung: Wie könnten wir diese Lösung auf unsere Situation übertragen?

Die Technik kann an Hand der Aufgabe „Wir suchen Verwendungsmöglichkeiten für einen ehemaligen Kinosaal“ erklärt werden:

  1. Attribut: Es handelt sich um einen größen, hohen Raum
  2. Analogie: Eine Kirche
  3. Fremdlösung: Gottesdienste, Musikproben
  4. Übertragung: Den Kinosaal an religiöse Gruppen und Bands vermieten.

Die Qualität der gewonnenen Ideen hängt unmittelbar von der Wahl der Analogie ab. Diese wiederum hängt von dem gewählten Attribut ab. Es ergibt sich also die Frage, was ein gutes Attribut ausmacht. Unsere Erfahrung zeigt, dass gute Attribute die Ausgangssituation auf spezifische Weise charakterisieren müssen. Dies lässt sich am besten an Hand eines Beispiels verdeutlichen. Wir betrachten dazu einen Friseursalon:

  1. Attribut: Er befindet sich im Stadtzentrum; Analogien: Supermarkt, Hauptbahnhof, Polizeirevier
  2. Attribut: Er bietet eine Dienstleistung; Analogien: Rechtsanwalt, Gebäudereinigung, Autoreparatur
  3. Attribut: Dort unterscheidet man zwischen Männern und Frauen; Analogien: Arzt, Tanzlehrer, Chorleiter
  4. Attribut: Er macht Menschen schöner; Analogien: Schneider, Fitnesstrainer, Schönheitschirurg

Attribute 1 und 2 sind zu allgemein; sie führen zu sehr weit gestreuten Analogien. Das Ergebnis werden sehr beliebige Ideen sein; es handelt sich fast um eine Zufallstechnik. Es können zwar so gute Ideen entstehen, aber der Anteil an Ausschuss wird sehr groß sein.

Attribute 3 und 4 sind dagegen wesentlich spezifischere Charakterisierungen eines Friseursalons, und sie führen zu zweckmäßigeren Analogien. Die Ideen, die daraus entstehen, werden voraussichtlich besser und der Anteil an brauchbaren Ideen höher sein.

Gute Attribute bzw. Analogien zu finden gehört zur Kunst des Drehbuchautors eines Ideenworkshops oder Innovationsworkshops. Sie setzt auch eine Investition in Vorbereitungszeit voraus, die sich aber in der Qualität der Ergebnisse auf jeden Fall auszahlt.

Links

Kompaktwissen Ideenfindung