von Graham Horton

Hintergrund
CEMEX ist ein Zementhersteller aus Mexiko. Die Ursprünge des Unternehmens gehen bis zur Gründung von Cementos Hidalgo im Jahr 1906 zurück. Nach einer Fusion im Jahr 1931 erhielt das Unternehmen den Namen Cementos Mexikanos, aus dem der heutige Name abgeleitet ist.
Eines der wichtigsten Produkte von CEMEX ist der Fertigbeton, der mit Betonmischern gebrauchsfertig an Baustellen geliefert wird. Bedingt durch die Infrastruktur im Mexiko waren die Lieferstrecken für Fertigbeton relativ kurz, und der Markt war daher durch lokale Anbieter geprägt. Gekoppelt mit dem Ausbleiben von Innovationen bedeutete dies, dass viele Jahre lang im Markt kaum Bewegung stattfand und nur eine geringe Wettbewerbsintensität gegeben war.
Fertigbeton ist eine Commodity: Seine Eigenschaften sind genau definiert, und Hersteller haben keine Möglichkeit, ihren Produkten Differenzierungsmerkmale zu verleihen. Die Kunden treffen ihre Lieferantenauswahl allein auf Grund des Preises. In solchen Situationen herrscht großer Preisdruck, und es ist schwierig, Gewinne zu erwirtschaften.
Ausgelöst durch eine Wirtschaftskrise und einer Marktöffnung in den 1990er Jahren hat sich CEMEX unter ihrem CEO Lorenzo Zambrano vorgenommen, mit Hilfe einer radikalen Innovationsstrategie aus der Commodity-Falle zu entkommen.
Die Herausforderung
Fertigbeton wird in flüssiger Form an Baustellen gebrauchsfertig ausgeliefert. Kommt er zu spät, kann nicht weitergebaut werden. Andererseits ist er nicht beliebig lang haltbar. Verweilt er zu lang im Mixer, kann der Kunde die Lieferung verweigern. Im Extremfall verhärtet er im Mixer und kann nur noch mit Presslufthammern mühsam entfernt werden.
In Mexiko herrschte eine Reihe von Umständen vor, die das Geschäft mit Fertigbeton erschwerten. Schwache Infrastruktur und dichter Verkehr machten die zuverlässige Lieferung zur Herausforderung. Terminverletzungen von bis zu drei Stunden waren nicht ungewöhnlich. Andererseits führten schlechtes Wetter, unzuverlässige Arbeiter und der nicht-rechtzeitige Abschluss von Arbeiten durch Subunternehmen dazu, dass Baustellenleiter ihre Bestellungen oft kurzfristig ändern mussten.
Alle Beteiligten in der Branche hatten sich damit abgefunden, dass die Kombination von Umständen zu einem unlösbaren Zielkonflikt zwischen Niedrigpreis, Pünktlichkeit und Flexibilität führten.
Die Lösung
CEMEX hat eine klassische Strategie gewählt, um der Commodity-Falle zu entkommen: Das Unternehmen hat einen neuen Kundennutzen eingeführt, der dem Kunden wichtig war und durch Innovation ermöglicht und von keinem Konkurrenten angeboten wurde. Es hat eine Garantie gegeben, den Fertigbeton in einem Zeitfenster von nur 20 Minuten zu liefern. Diese Garantie gab dem Kunden mehr Planbarkeit, was zu einer erhöhten Produktivität führte und reduzierte zugleich sein Risiko.
Um zu diesem Durchbruch zu gelangen, war ein neues Verständnis für das eigentliche Produkt erforderlich. Statt sich nur als Lieferant von Baumaterial zu sehen, hat CEMEX erkannt, dass es vielmehr eine wertvolle Dienstleistung erbringen könnte, die ein wichtiges Kundenproblem lösen würde.
Die Realisierung
Um diese Garantie erfüllen zu können, waren erhebliche Investitionen in Innovation erforderlich. Vorbild für die Entwicklung waren Notdienste wie Polizei oder Krankenwagen, die innerhalb kurzer Zeit an beliebigen Orten sein müssen. CEMEX hat ihre technische und organisatorische Infrastruktur erneuert, um die gleiche Leistung erbringen zu können.
Jedes Fahrzeug wurde mit einem GPS- und einem Funkgerät ausgestattet. Damit konnte die Zentrale mit Hilfe von Satellitenverbindungen jederzeit wissen, wo sich alle Fahrzeuge befinden, und jedes Fahrzeug konnte Kontakt zu den Kunden halten, damit diese über die Ankunftszeit informiert bleiben können. Eine aufwendige IT-Infrastruktur wurde aufgebaut, um das Ganze zu koordinieren. Damit konnte CEMEX seine Betonmischer wie Taxis oder Polizeifahrzeuge verwalten: Ein zentraler Dispatcher schickte den Wagen, der in dem Moment am nahesten zum Zielort war.
Das Ergebnis
Die Ergebnisse dieser Innovationen sind beeindruckend: Wo zuvor nur etwa 34% aller Lieferungen innerhalb eines zehnminütigen Zeitfensters lagen, betrug die Quote nach Einführung der neuen Maßnahmen 98%. Auch wuchs die Anzahl der Produktivfahrten pro Fahrzeug im Durchschnitt von vier auf zehn, und die Kosten pro Lieferung konnten um 55% reduziert werden. Damit wuchs die Produktivität von CEMEX im Zeitraum 1996-2003 etwa zehnmal schneller als der Branchendurchschnitt. An manchen Standorten betrug das ROI (return on investment) für die Innovation 700%.
Durch sein neues Angebot konnte CEMEX die Kundenzufriedenheit erhöhen und für sich den Ruf aufbauen, der zuverlässigste Betonlieferant des Landes zu sein. Das Unternehmen betreibt ein aggressives Akquisitionsprogramm, bei dem es ineffiziente Unternehmen aufkauft und binnen kurzer Zeit auf seine überlegenen Arbeitprozesse anpasst. Dadurch ist CEMEX inzwischen zum drittgrößten Anbieter weltweit avanciert.
Kommentar
Die Geschichte von CEMEX ist ein oft zitiertes Beispiel für das Entkommen aus der Commodity-Falle durch radikale Innovation. Zwei wichtige Voraussetzungen hierfür sind die Einsicht, neue, underserved Arten von Kundennutzen zu erkennen und der Mut und die Risikobereitschaft, große Summen zu investieren und die Regeln des Marktes zu ändern.
In unserer Arbeit als Innovationsdienstleister haben wir nicht viel Einfluss auf den Mut und die Risikobereitschaft unserer Auftraggeber; wohl aber können wir ihnen mit unseren Innovationsworkshops helfen, neue Kundennutzen aufzudecken und dafür Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu bewerten. Nur allzu oft erleben wir Teilnehmer, die sich mit dem (geglaubten) Commodity-Status ihres Produktes abgefunden haben oder auf technische Merkmale fixiert sind, für die sich ihre Kunden aber wahrscheinlich nicht interessieren würden.
Sehr hilfreich in diesen Situationen ist der Perspektivwechsel vom Produktlieferant zum Dienstleistungserbringer. Dafür ist es meistens nicht notwendig, ein radikale Sichtweise wie Service-Dominant Logic einzunehmen – die Servitization liefert bereits alle notwendigen Inspirationen. Oft genügt es sogar, die Geschichte von CEMEX vorzutragen, um den notwendigen Perspektivwechsel in den Köpfen zu vollziehen.
Zentral für jede Innovationsbemühung in der Commoditisierung ist ein genaues Verständnis von Kundennutzen und die Fähigkeit, neue, bisher nicht bediente Nutzenarten aufzudecken. In reifen Märkten wie Fertigbeton ist der Nutzen, der neue Alleinstellungsmerkmale ermöglichen soll fast nie im Ausbau technischer Parameter oder Funktionen zu finden. Diese Erkenntnis wurde bereits in der Windermere Hierarchy und dessen Erweiterung beschrieben.
Wer in der Commodity-Falle gefangen ist, entkommt am besten durch einen neuen Blick auf die Bedürfnisse seiner Kunden, gekoppelt mit der Bereitschaft, mutige Innovationen einzuführen. Auf diese Weise kann er wieder Premium-Preise fordern und Kundenloyalität aufbauen.
Bildquelle: CEMEX bei Flickr. Bildnutzung gemäß der CC BY-NC-ND 2.0 -Lizenz.
Links
Eine Innovationsstrategie gegen die Commoditisierung
Roland Berger: Auswege aus der Commoditisierungsfalle
von Graham Horton

Innovation und Wettbewerb
In einem freien Markt herrscht Wettbewerb. Unternehmen konkurrieren um Kunden und müssen ständig dafür sorgen, dass ihre Angebote attraktiv bleiben und Absatz finden. Wer diese Aufgabe vernachlässigt, verliert seine Wettbewerbsvorteile und geht zwangsläufig unter.
Gleichzeitig ändert sich ständig das Umfeld: Neue Technologien, Trends in der Gesellschaft und im Markt und Änderungen im politischen und rechtlichen Umfeld sorgen ebenfalls für einen stetigen Wandel in den geschäftlichen Rahmenbedingungen.
Aus diesen Gründen ist Innovation, in den Worten von Jeffrey Immelt, dem CEO von General Electric, eine „ständige Notwendigkeit“. Aus diesem Grund suchen erfolgreiche Unternehmen wie BMW, Google oder Festo ständig neue Wettbewerbsvorteile durch Innovation. Damit ein Unternehmen aber eine Innovationsstrategie formulieren kann, ist es wichtig, die verschiedenen Arten von Innovation zu kennen und ihre Anwendung, um die gewünschten Wettbewerbsvorteile aufzubauen.
Aus unserer Sicht eines Innovationsdienstleisters ist ein klares Verständnis der Innovationsstrategie des Auftraggebers unerlässlich, um das gemeinsame Projekt zielgerichtet zu entwerfen und zu moderieren. Aufbau und Inhalt der Arbeitsphasen und Workshops hängen sehr stark von der Situation und den Zielen des Auftraggebers ab.
Defensive Vorteile
In reifen Märkten sind Kunden sind über die verschiedenen Angebote gut informiert, die Preiselastizität ist gering, und die Marktanteile auf der Angebotsseite sind stabil. In dieser Situation suchen Unternehmen defensive Wettbewerbsvorteile durch Innovation.
Produktverbesserungen
Um Marktanteile zu verteidigen, werden Produktverbesserungen gesucht, die positive Differenzierungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz versprechen. Innovationen sind inkrementell und basieren häufig auf Kundenwünschen. Hier liefern Kundenfeedback aus Sozialen Medien und dem Vertrieb sowie Marktbeobachtung die Suchfelder für Innovationen.
Lebensdauer verlängern
Bei technischen Produkten wird Innovation eingesetzt, um die Lebensdauer zu verlängern. In der Automobilindustrie beispielweise werden sogenannte Facelifts in der Mitte der Modelllaufzeit eingeführt, um die Attraktivität bis zum nächsten Modell aufrecht zu erhalten. Diese Innovationen sind meistens customer-facing, d.h. für die Kunden sichtbar und eher inkrementeller Natur; große Fortschritte werden für die nächste Modellreihe aufgespart.
Prozessbezogene Innovationen
In dieser Marktphase gibt es wenig Änderung: Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit werden durch Prozessverbesserungen gesucht. Optimierungen in Produktion, Logistik und Einkauf sollen Kosten senken und Produktivität erhöhen. Dies ist ist besonders wichtig, wenn die Commoditisierung weit fortgeschritten ist und ein großer Preisdruck herrscht.
Bedrohung durch Disruptionen
Die wohl gefährlichste Situation für einen etablierten Anbieter ist das Erscheinen eines Disruptors, dessen Angebot droht, den Markt vollständig durcheinanderzuwirbeln und etablierte Lösungen überflüssig zu machen. Sich mit Innovation gegen Disruptionen zu verteidigen ist für etablierte Unternehmen mit ihren vorhandenen Ressourcen ohne Weiteres möglich, sie scheitern damit wegen Managementschwäche oder ihrer eigenen Inflexibilität.
Stärkung der Position in reifen Märkten
Da die Wachstumsmöglichkeiten mit dem bestehenden Angeboten in reifen Märkten begrenzt sind, konzentrieren sich die offensive Innovation auf ergänzende Angebote.
Produktlinienerweiterungen
Bei den Produktlinienerweiterungen werden – ausgehend von einem bestehenden Angebot – begleitende oder benachbarte neue Angebote im selben Markt gesucht, die sich die bereits aufgebaute Marke und Vertriebsstruktur zunutze machen können.
Servitization
Bei der „kleinen“ Servitization werden ergänzende Dienstleistungen zu physischen Produkten begleitend angeboten. Diese sind meistens technische Dienste wie Installation oder Wartung oder Finanzservices wie Leasing. Damit kann auch in reifen Märkten Wachstum erreicht werden.
Wachstum durch Innovation
Produktlinienerweiterungen
Produktlinienerweiterungen können auch Wachstum ermöglichen und die eigene Markenpräsenz verstärken, indem mit den neuen Produkten auch neue Zielgruppen erreicht werden. Die Erweiterung der Marke Mercedes-Benz nach unten mit der A-Klasse und der B-Klasse durch Daimler ist ein Beispiel hierfür.
Diversifikation
Diversifikation ist eine anspruchsvollere Art von Innovation, bei der neue neue Produkte für neue Märkte entwickelt werden. Dies dient nicht nur Wachstumszielen, sondern auch eine Reduktion des Risikos durch Streuung.
Strategische Vorteile
Strategische Wettbewerbsvorteile durch Innovation gehören zu den anspruchsvollsten, weil sie Auswirkungen auf das ganze Unternehmen oder auf ganze Märkte haben können.
Patente
Ein klassischer Weg zum Aufbau strategischer Vorteile durch Innovation ist die Anmeldung von Erfindungen zum Patent. Dadurch wird vorübergehend ein Monopol auf die Verwendung der Erfindung gewährt.
Geschäftsmodellinnovationen
Mit Geschäftsmodellinnovationen können verschiedene strategische Vorteile erreicht werden. Neue Wertschöpfungsnetzwerke ermöglichen beispielsweise innovative Angebote mit hohen Barrieren für Nachahmer. Für Hersteller von Sachgütern sind Commoditisierung und Billigkonkurrenten eine ständige Bedrohung. Ein Ausweg aus diesem Problem ist die Servitization – die Innovation des Geschäftsmodells, um zusätzliche Dienstleistungen anzubieten.
Disruptive Innovation
Disruptive Innovation – die Einführung neuer Lösungen, die etablierte Märkte stören – ist ein beliebtes Mittel von Startups und Quereinsteigern, um schnell zu wachsen. Apple hat zum Beispiel mit iTunes die Musik- und Medienmärkte stark verändert und für sich eine starke Position aufgebaut.
Kundenbezogene Vorteile
Innovation kann auch eingesetzt werden, um die Position gegenüber Kunden zu verstärken.
Servitization
Durch Servitization können Wechselbarrieren errichtet werden, indem eigene Dienstleistungen mit den Prozessen des Kunden verzahnt werden.
Open Innovation
Mit Open Innovation-Projekten kann Unternehmen durch gemeinsame Innovationsprojekte Kundenbeziehungen intensivieren und langfristige Partnerschaften aufbauen.
Unsere Angebote
Zephram hilft Unternehmen bei ihren Innovationsaktivitäten durch Workshops und Projektunterstützung. Wir haben eine Auswahl an Projektbeispielen veröffentlicht.
von Graham Horton

Radios, Röhren und RCA

Radiogerät mit Röhren
In den 1950er Jahren waren private Radios große, schwere Geräte in einem Holzgehäuse, die im Wohnzimmer auf einem eigenen Tisch oder im Schrank standen. Sie waren auch teuer – nur Ehepaare ab einem mittleren Einkommen konnten sich eins leisten. Entscheidend für die Qualität waren die Sensitivität, um weit entfernte Sender empfangen zu können und die Klangqualität, die mit großen Lautsprechern realisiert wurde.
Zu den Marktführern in USA zählte zu dieser Zeit die Radio Corporation of America (RCA) aus New York. RCA betrieb auch Fernseh- und Radiosender, einen Schallplattenverlag und viele weitere Geschäfte in der Medienbranche.

Röhre
Empfangsteil und Verstärker in diesen Geräten wurden mit Vakuumröhren realisiert. Diese waren komplizierte Bauteile, die viel Platz und Energie brauchten, sie wurden mehrere Hundert Grad heiß und waren anfällig für Erschütterungen. Vakuumröhren waren auch wenig zuverlässig und mussten oft ersetzt werden. Der Vertrieb der Radios lief hauptsächlich über Fachgeschäfte, die die entsprechenden Reparaturen durchführen konnten. Diese Reparaturen waren eine wichtige Einnahmequelle für die Fachhändler.
Es gab zu dieser Zeit zwar auch portable Radios, aber sie waren so groß wie ein kleiner Koffer und brauchten drei verschiedene, schwere Batterien, die nicht wieder aufgeladen werden konnten.
Sony und der TR-63

Transistor
Der Transistor war 1947 von Bill Schockley erfunden worden, wofür er neun Jahre später den Nobelpreis für Physik erhielt. Dieser Halbleiterbauteil konnte die gleichen elektrotechnischen Funktionen wie die Vakuumröhre erfüllen, hatte aber eine Reihe von Vorteilen: er war wesentlich kleiner, brauchte weniger Strom, wurde nicht heiß und ging praktisch nie kaputt. 1954 wurde das erste kommerziell erhältliche Transistorradio von Texas Instruments eingeführt.

Sony TR63
1957 führte das japanische Unternehmen Tokyo Tsushin Kogyo unter dem Markennamen Sony das Transistorradio TR-63 in den USA ein. Dieses Gerät wurde mit einer kleinen 9V-Batterie betrieben und passte laut Werbung in die Brusttasche eines Hemdes. (Das Unternehmen hat aber angeblich Hemden mit extragroßen Taschen für seine Vertriebsmitarbeiter anfertigen lassen!)
Der TR-63 kostete nur 39$ (etwa 330$ in heutigen Preisen). Die Zielgruppe für das Produkt waren nicht Ehepaare, sondern Teenager. Dies war die Zeit von Elvis Presley und Rock ’n Roll – junge Menschen wollten diese Musik hören, was die empörten Eltern zu Hause aber nicht erlaubten. Außerdem wollten sie sich weit weg von zu Hause treffen und unter sich sein. Durch seine Portabilität und seinen günstigen Kaufpreis wurde der TR-63 schnell zu einem großen Verkaufserfolg: Schon im ersten Jahr wurden mehr als 100.000 Stück davon verkauft. Wegen dieses Erfolges änderte Tokyo Tsushin Kogyo seinen Namen 1958 zu Sony.
Die Reaktion von RCA

Nuvistor
Wie hat der Marktführer RCA auf den Erfolg des neuen Konkurrenten reagiert? Er ist weder zur neuen Technologie gewechselt noch hat er ein Angebot für Teenager entwickelt. Stattdessen hat er die Vakuumröhre verkleinert. 1959 hat er den Nuvistor, eine miniaturisierte Version der Vakuumröhre eingeführt. Der Nuvistor hatte aber kein langes Leben: Die Vorteile der Halbleiterkomponenten waren einfach zu groß.
Sony dagegen hat viele weitere, immer wieder verbesserte Radiomodelle auf den Markt gebracht und den Preis gesenkt. Dadurch das Unternehmen immer größere Marktanteile erobert und angefangen, Fernseher und andere Unterhaltungselektronik zu produzieren. Für RCA dagegen begann ein langsamer Niedergang; schließlich wurde das Unternehmen zerschlagen und die Marke an fremde Firmen verkauft.
Die Entscheidung, nicht zur neuen, verbesserten Technologie zu wechseln und neue, aufstrebende Zielgruppen zu ignorieren erscheint aus heutiger Sicht wenig nachvollziehbar. Tatsächlich sind die Gründe aber bekannt und nachvollziehbar:
- Sony wurde nicht als Bedrohung wahrgenommen: das Unternehmen war zu dem Zeitpunkt in USA unbekannt, und japanische Unternehmen hatten keinen Ruf für technologische Produkte.
- Die Zielgruppe für die kleinen Transistorradios war eine ganz andere als die der Wohnzimmergeräte. Die jungen Menschen hatten auch weniger Geld als ihre Eltern, und entsprechend waren die für Sony erzielbaren Gewinnmargen dünner als die, die bei RCA üblich.
- Das Werteversprechen der Röhrengeräte war hauptsächlich ihre hohe Klangqualität; die 9 Volt-Taschenradios mit ihren kleinen Lautsprechern konnten damit nicht mithalten. Darin wurde RCA in ihrer Position von der Fachpresse bestärkt, die die schlechte Klangqualität der Taschenradios bemängelte.
- Schließlich war RCA Geisel ihres eigenen Vertriebsnetzes: Die Fachhändler, die die Geräte verkauften, verdienten auch gut mit der Reparatur und dem Ersatzteilgeschäft der anfälligen Vakuumröhren. Transistoren dagegen gingen so gut wie nie kaputt; Der Wechsel der Technologie hätte also für die Händler schmerzhafte Einkommenseinbüße bedeutet, und sie hätten großen Widerstand gegen ihre Einführung ausgeübt. Sony dagegen verkaufte seine Geräte über Supermarktketten wie Woolworths, für die sie eine willkommene Erweiterung des Warenangebotes darstellten.
Die Geschichte wiederholt sich
Die Geschichte von RCA ist kein Einzelfall – sowohl davor als auch danach haben etablierte Marktführer das Erscheinen eines neuen Wettbewerbers mit einem scheinbar irrelevanten Produkt ignoriert, was ihnen früher oder später zum Verhängnis geworden ist. Die Zwickmühle, in der RCA Ende der 1950er Jahre steckte, wird heute Innovator’s Dilemma genannt, und die Halbleitertechnologie wird als disruptiv bezeichnet, weil sie einen ganzen Markt verändert. Beide Begriffe stammen aus dem erfolgreichen Buch The Innovator’s Dilemma des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Clayton Christensen, der auch das Konzept der disruptiven Innovation eingeführt hat.
Die Moral der Geschichte ist, dass Unternehmen dazu bereit (und auch dazu imstande) sein müssen, ihren eigenen Angeboten Konkurrenz zu machen, wenn eine neue Technologie oder eine neue Marktsituation es nahelegt. Die Skeptiker in den eigenen Reihen protestieren typischerweise mit dem Argument, Damit kannibalisieren wir uns selber! Das Gegenargument dazu lautet, Das stimmt, aber wenn wir es nicht tun, macht es ein anderer. Das neue Angebot sollte so weit wie möglich von dem alten getrennt geführt werden, um die sonst unausweichlichen innerbetrieblichen Konflikte zu vermeiden. Die Problematik und mögliche Lösungen werden im Innovator’s Dilemma und seinem Nachfolger The Innovator’s Solution ausführlich beschrieben.
Bildquellen
Titelbild: John Oxley Library, State Library of Queensland Neg: 64345
Transistor und Nuvistor: Wikipedia
von Graham Horton

Akt 1: Die Vorgeschichte
Stellen Sie sich vor, Sie haben die Verantwortung für Innovation in einem Unternehmen. Vielleicht sind Sie Innovationsmanager oder sogar Geschäftsführer. Sie haben ein gewisses Budget, das Sie für Produktinnovationen ausgeben können. Eines Tages melden sich zwei Kollegen bei Ihnen an, weil sie ihre neue Produktideen vorstellen wollen.
Akt 2: Die erste Idee
Der erste Kollege hat eine Idee, mit der Ihr derzeit erfolgreichstes Produkt weiter verbessert werden kann. Der Kollege berichtet, dass der Nutzen dieses Produktes für Stammkunden durch diese Verbesserung nachweislich gesteigert wird, und dass manche von ihnen sogar schon danach gefragt haben. Ihr Unternehmen könnte also dadurch bei einem wichtigen Kaufkriterium einen Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeiten.
Die Entwicklungsabteilung meldet, dass sie sich dazu imstande sieht, die Neuerung mit überschaubarem Aufwand serienreif zu bekommen, und der Vertrieb glaubt, das verbesserte Produkt zu einem Premium-Preis an die Stammkunden verkaufen zu können.
Akt 3: Die zweite Idee
Der zweite Kollege präsentiert seine Idee für ein völlig neuartiges Produkt. Der Markt dafür wäre für Ihr Unternehmen neu: Es hat bisher keine Marketingerfahrung dort, und Ihre Vertriebskanäle eignen sich nicht, um die neue Zielgruppe zu erreichen. Das Produkt ist in allen Dimensionen schwach, die in Ihrem bisherigen Markt wichtig sind, und seine Stärke interessiert Ihre wichtigsten Kunden nicht.
Um ein serienreifes Produkt zu bekommen, müsste die Entwicklungsabteilung neue, unbekannte Komponenten oder Prozesse einsetzen. Schließlich ist der vermutete Markt für das neue Produkt kleiner oder weniger wohlhabend als Ihr bisheriger Markt, sodass sich mit dem neuen Produkt geringere Gewinnmargen zu erwarten sind, als es Ihr Unternehmen bisher gewohnt war.
Akt 4: Das Dilemma
Es sind nur genug Mittel verfügbar, um eines dieser beiden Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Für welche Idee entscheiden Sie sich?
Hintergrund
Dies ist das berühmte Innovator’s Dilemma, das Clayton Christensen 1997 mit seinem gleichnamigen Buch eingeführt hat. Unternehmen müssen sich nach den Wünschen ihrer Kunden richten und ihr Gewinn maximieren. Je besser das Unternehmen geführt wird, desto konsequenter richten sich alle Entscheidungen nach diesen zwei Geboten.
Dies kann aber ironischerweise dazu führen, dass es ausgerechnet die erfolgreichsten Unternehmen sind, die am ehesten auf diese Weise zu Geiseln ihres Marktes werden. Wer Marktführer ist, hat die Werte verinnerlicht, die ihn in diese Spitzenposition gebracht haben. Er ist betrebt, diese Werte noch weiter auszubauen: Schneller, leistungsfähiger oder komfortabler muss das Produkt werden, um anspruchsvolle Kunden zu befriedigen und sich von der bisherigen Konkurrenz (die ja die gleichen Eigenschaften versucht, zu verbessern) abzuheben.
Diese Blindheit oder Unbeweglichkeit des etablierten Marktführers ist genau die Gelegenheit, die Startups und Quereinsteiger nutzen, um mit einer neuartigen Lösung den Markt zu erobern. Sie beginnen in einer Nische, die vom Marktführer nicht beachtet wird und schaffen dafür ein optimiertes Produkt. Nachdem sie sich dort etabliert haben, beginnen sie mit der Ausdehnung in benachbarte Segmente, bis sie eine beherrschende Marktstellung erreicht haben.
In Wirklichkeit ist die Situation sogar noch schlimmer als beim Innovator’s Dilemma, so wie wir sie in dieser kleinen Geschichte präsentieren: In der Praxis wird die zweite Idee vom Unternehmen oft nicht einmal erkannt, weil sie den selbstverständlichen Werten der Branche nicht entspricht. Aus diesem Grund kommt es nicht einmal zu einem Dilemma, weil die zweite Alternative schlicht nicht wahrgenommen wird.
Diese Geschichte ist zwar frei erfunden, aber die Situation ist echt: Es gibt viele Beispiele für disruptive Innovationen und für Unternehmen, die sich auf die Verfeinerung ihrer Produkte konzentriert haben, neue Möglichkeiten falsch eingeschätzt oder ignoriert haben und später daran zugrunde gingen. Es waren nicht die Buchverlage, die Amazon gegründet und nicht die Musikverlage, die iTunes erfunden haben. Die Einführung des Transistorradios in USA, die für die Radio Corporation of America der Beginn des Niedergangs und gleichzeitig für den Branchenneuling Sony der Beginn des Aufstiegs war, ist eines der bekanntesten Beispiele dieser Art.
von Graham Horton

Servitization für den Teilehersteller
Servitization ist für Hersteller, die an den Endnutzer verkaufen, naheliegend, weil die neuen Dienstleistungen dazu größtenteils auf der Hand liegen. Beispielsweise sind Installation und Wartung Aufgaben, die automatisch mit der Nutzung einer Maschine verbunden sind. Hier braucht es keine große Fantasie, dass der Hersteller diese Dienstleistungen in Verbindung mit seiner Maschine anbi etet.
Was ist aber mit dem Lieferant, der Teile an den OEM verkauft? Dieser hat keinen Kontakt zum Endnutzer, und sein Produkt macht möglicherweise nur einen kleinen Anteil am Endprodukt aus. Wie können auch solche Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette weiter hinten stehen, Servitization betreiben?
Downstream Analysis
1999 haben Wise und Baumgartner die sogenannte Downstream Analysis eingeführt. Dieses Werkzeug soll einem Lieferanten helfen, zu ermitteln, ob sich Servitization für ihn lohnen kann. Das Werkzeug betrachtet neun Parameter weiter vorne (downstream=stromabwärts) in der Wertschöpfungskette und schlägt Werte vor, die für bzw. wider die Einführung von produktbegleitenden Dienstleistungen sprechen.
Die ersten drei Parameter haben mit der finanziellen Attraktivät der Dienstleistungen zu tun, die mittleren drei mit der strategischen Wichtigkeit der Kunden und die letzten drei mit der Bedeutung des Distributionsgeschäfts.
Verhältnis neu zu alt
Dieser Parameter beschreibt wie viele Produkte bereits im Einsatz sind für jedes neu verkaufte Produkt. Ist das Verhältnis gering, lohnt der Einstieg in produktbegleitende Dienstleistungen nicht. Als geringer Wert gilt das Verhältnis 2:1; das Verhältnis 20:1 oder höher wird als attraktiv angesehen.
Verhältnis Lebenszeitkosten zu Anschaffungskosten
Dieses Verhältnis beschreibt die Höhe der Kosten für den Kunden über die gesamte Lebenszeit des Produktes im Verhältnis zu den Anschaffungskosten. Liegt dieses bei fünf oder mehr, gilt das begleitende Dienstleistungsgeschäft als lohnenswert.
Verhältnis Rendite Nachgeschäft zu Produktgeschäft
Wenn die Gewinnmarge für die nachgelagerte Dienstleistung (schätzungsweise) mehr als 10% höher liegt als für das Produktgeschäft, so gilt die Dienstleistung als attraktiv. Ist die Marge gleich oder niedriger, lohnt sie eher nicht.
Überlegenheit im Produktgeschäft
Wenn der Lieferant im Produktgeschäft sehr stark ist, lohnt die Dienstleistung eher weniger. Diese Stärke kann zum Beispiel in einem Patent liegen oder eine ausgeprägte Technologieführerschaft. Je weniger eine Überlegenheit gegeben ist, desto wichtiger könnte die Dienstleistung sein.
Marktanteil der fünf größten Kunden
Je stärker der Kunde in seinem eigenen Markt ist, desto wichtiger ist die Beziehung zu ihm. Die Downstream Analysis schlägt einen Gesamtmarktanteil von 30% vor für die fünf größten Kunden zusammen. Solche Kunden sollten durch zusätzliche Dienstleistungen stärker gebunden werden.
Beitrag der 20 größten Kunden zum Gewinn
Die Beziehung zu einem Kunden ist auch dann wichtig, wenn dieser einen hohen Anteil am Gesamtumsatz hat. Machen die 20 größten Kunden mehr als 40% des eigenen Umsatzes aus, sollten die Beziehung zu diesen ebenfalls durch Dienstleistungen vertieft werden.
Vertriebskostenanteil im Produktpreis
Wenn die Vertriebskosten für das Endprodukt mehr als 25% des Endpreises ausmachen, sollte der Lieferant erwägen, den Vertrieb selbst durchzuführen.
Marktanteil der fünf größten Distributoren
Ähnliches gilt für die Marktmacht der Distributoren: Wenn dir fünf größen mehr als 40% des Marktes haben, sollte der Lieferant ebenfalls erwägen, einzusteigen.
Dynamik der Vertriebskanäle
Je dynamischer die Vertriebskanäle für das Endprodukt, desto mehr kann der Einstieg lohnen.
Links
Servitization – Varianten und Beispiele
10 Argumente für die Servitization
Vorteile der Servitization für den Kunden
Definition von Servitization
von Graham Horton

Innovationsstrategie und das Nutzen-Zufriedenheitsdiagramm
Die Festlegung einer Innovationsstrategie ist eine wichtige Weichenstellung für ein Unternehmen. Als erster Schritt muss ein Verständnis für den Status Quo gebildet werden. Im entsprechenden Strategie-Workshop setzen wir verschiedene Werkzeuge ein, um die strategische Situation des Auftraggebers aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Ein solches Werkzeug ist das Nutzen-Zufriedenheitsdiagramm, das in der Titelgrafik gezeigt wird.
Anwendung
Das Diagramm bildet Kundennutzen und Kundenzufriedenheit aller Angebote eines Unternehmens grob ab. Es werden dabei vier Situationen unterschieden, die für die Innovationsstrategie unterschiedliche Bedeutung haben.
Der Idealfall
Im Idealfall (grün) ist der Kunde mit allen Angeboten des Unternehmens hoch zufrieden. Die Innovationsstrategie muss in diesem Fall lediglich den Zustand erhalten. Der Hauptaugenmerk kann auf andere Innovationsprojekte gelenkt werden.
Wettbewerbsvorteil
Im zweiten Fall (blau) ist der Kunde mit den hochwertigen Leistungen am meisten und mit den geringwertigen Leistungen am wenigsten zufrieden. Dieser Zustand sollte das Ergebnis einer strategischen Entscheidung sein – das Unternehmen hat sich einen Wettbewerbsvorteil bei den wichtigsten Leistungen erarbeitet und die geringere Kundenzufriedenheit bewusst in Kauf genommen, um seine Ressourcen an andere Stelle investieren zu können.
Eine andere Strategie in dieser Situation kann darin bestehen, den Idealfall zu erreichen.
Wettbewerbsnachteil
Im dritten Fall (gelb) ist die Zufriedenheit sehr ungünstig verteilt: Sie ist bei den nutzenbringenden Leistungen gering, und bei den weniger wichtigen Leistungen hoch. Damit hat das Unternehmen wahrscheinlich einen Wettbewerbsnachteil, wenn ihren Konkurrenten eine günstigere Verteilung gelungen ist. Ziel der Innovationsstrategie muss hier zunächst sein, die Zufriedenheit entsprechend dem blauen Fall neu zu verteilen.
Der kritische Fall
Wenn der Kunde mit keiner Leistung zufrieden ist, befindet sich das Unternehmen in einer kritischen Lage (es sei denn, es hat ein Monopol). Auch hier muss die Innovationsstrategie sein, die blaue Situation zu erreichen, in der zumindest in ausgewählten, wichtigen Leistungen eine hohe Kundenzufriedenheit gegeben ist.
Detaillierte Sicht
Manchmal ist es hilfreich, die Leistungen des Unternehmens einzeln zu visualisieren. Dies ist dann der Fall, wenn die Qualität der Leistungen einzeln analysiert werden muss, zum Beispiel weil die sich daraus ergebenden Innovationsprojekte sehr teuer sind. Das Ergebnis einer solchen Betrachtung sieht wie folgt aus:

Mann kann die einzelnen Einträge kodieren, um weitere Information zu transportieren, zum Beispiel den jeweiligen Umsatz durch die Größe oder die Kategorie der Leistung durch Farben oder Symbole.
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