Die Kaufhierarchie von Windermere

Das Buying Hierarchy ist ein Erklärungsmodell, das die Kaufentscheidungen von Kunden erklärt. Es stammt von dem Beratungsunternehmen Windermere Associates aus San Francisco. Das Modell hat viel Beachtung gefunden seit es von Clayton Christensen in seinem erfolgreichen Buch The Innovator’s Dilemma beschrieben wurde.

Zunächst betrachtet das Modell vier mögliche Arten von Kundennutzen eines Produktes, die Interessenten bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen. Das Modell ordnet diese Nutzenarten in einer bestimmten Reihenfolge an:

  1. Funktionalität
  2. Zuverlässigkeit
  3. Komfort
  4. Preis

Nach Aussage des Modells ist diese Reihenfolge eine Prioritätenliste für den Kaufinteressenten, die bestimmt, wie er konkurrierende Angebote bewertet.

Zunächst ist dem Interessenten die Funktionalität der verschiedenen Angebote am wichtigsten. Gibt es nur ein Produkt, dessen Funktionalität seinen Wünschen entspricht, kauft er dieses. Erfüllen mehrere Produkte seine Anforderungen, dann wechselt seine Aufmerksamkeit zur zweiten Priorität, der Zuverlässigkeit. Gibt es nur ein Produkt am Markt, das seinen Anforderungen an die Zuverlässigkeit gerecht wird, kauft er dieses. Bieten dagegen mehrere Produkte sowohl Funktionalität als auch Zuverlässigkeit in ausreichendem Maße, vergleicht der Kaufinteressent auf Basis des Komforts. Wenn auch in diesem Bereich mehrere Angebote seine Anforderungen erfüllen, entscheidet nur noch der Preis.

Ein Produkt, das nur noch über seinen Preis differenziert wird, ist eine Commodity geworden. Diese Situation ist meistens ungünstig für ein Unternehmen, da es Gewinne schmälert und zu permanenten Kostenreduktionen zwingt.

Das Buying Hierarchy-Modell hat wichtige Konsequenzen für die Innovationsstrategie von Unternehmen, denn die Rangfolge der Prioritäten beim Interessenten bestimmt die optimale Reihenfolge der Innovationen in einem Markt.

Ein Produkt wird im Allgmeinen zum Zeitpunkt seiner Einführung nicht die volle Funktionalität besitzen, die seine Zielgruppe wünscht. Aus diesem Grund werden zunächst Sustaining Innovations betrieben, um die Funktionalität des Produktes zu erhöhen. So lange die Bedürfnisse der Zielgruppe noch nicht erfüllt sind, stellt die Funktionalität den primären Kundennutzen dar, und Verbesserungen der Zuverlässigkeit und des Komforts werden von der Zielgruppe wenig beachtet.

Irgendwann erreicht die Funktionalität allerdings das maximale Niveau, das die Kunden wünschen bzw. bereit sind zu bezahlen. Danach macht es keinen Sinn mehr, weitere Funktionsinnovationen zu entwickeln. Weitere Innovationen in bereits erfüllte Merkmale werden Over Engineering genannt, und das Produkt gilt als overshot.

Jetzt sollte das Unternehmen in Innovationen zur Verbesserung der Zuverlässigkeit des Produktes investieren. Wenn nach entsprechender Zeit auch eine ausreichende Zuverlässigkeit erreicht worden ist, wechselt das Unternehmen zu Innovationen zur Erhöhung des Komforts über. Ist schließlich auch das Komfortniveau erreicht, das die Zielgruppe bereit ist, zu bezahlen, ist das Produkt eine Commodity geworden und kann nur noch über seinen Preis konkurrieren.

Aus diesen Beobachtungen heraus können nun Leitlinien für die Innovationsstrategie abgeleitet werden. Nach Einführung eines neuen Produktes (womöglich als Ergebnis einer radikalen oder disruptiven Innovation) werden inkrementelle Innovationen zur Verbesserung des aktuell relevanten Nutzens geplant. Erst wenn die Leistung eines Produktes die Anforderungen des Marktes in einer bestimmten Dimension erreicht, werden Innovationen in der nächsten Dimension der Hierarchie betrieben. Spätestens wenn das Produkt der so genannten Commodity-Falle und somit dem Ende seines gewinnbringenden Lebens nahe ist, sollte natürlich die nächste radikale oder disruptive Innovation in den Startlöchern stehen. Diese Strategie kann z.B. in einer Innovation Road Map beschrieben und visualisiert werden.

In der Praxis muss man natürlich davon ausgehen, dass alle Konkurrenten eine ähnliche Strategie verfolgen. Damit wird selbst bei einer hohen Innovationsintensität zwangsläufig irgendwann die Commoditization des Produktes erreicht sein. Aus diesem Grund braucht es weitere, orthogonale Innovationen, um auf anderem Wege Differenzierungsmerkmale aufzubauen und sich so aus der Commodity-Falle zu befreien und das gewinnbringende Leben des Produktes zu verlängern. Diese orthogonalen Innovationen sind aber in der Regel breiter angelegt als reinen Produktinnovationen und betreffen nicht selten ganze Geschäftsmodelle.

Disruptive Innovationen brauchen einen anderen Markt

tesla

Eine disruptive Innovation bedeutet eine technologische Veränderung, die einen ganz neuen Markt erschließt. Im neuen Markt ist sie eine neue Technologie, die bezüglich gängiger Maßstäbe zwar schwächer, gegenüber neuen Maßstäben jedoch besser sein kann. Für eine neue Zielgruppe kann dieser Maßstab sehr attraktiv sein (bei Autos ist ein gängiger Maßstab die Reichweiter einer Tankfüllung). Disruptive Innovationen haben meist die Eigenschaft, dass sie noch in den Kinderschuhen stecken und noch nicht ihre volle Leistung besitzen.

Um mit disruptiven Innovationen Erfolge vorzuweisen und erste Umsätze zu tätigen, benötigen diese einen Markt, der ihre noch geringe Leistung akzeptiert. Dies ist selten der bisherige Markt.

In diesem neuen Markt kann die disruptive Innovation durch inkrementelle Innovationen immer weiter verbessert werden, bis sie für den Massenmarkt reif ist.

Erstes Beispiel
Die „vdi nachrichten“ berichtete am 8. August 2008 (Ausgabe  Nr. 32) in dem Artikel „Auto fahren ohne Kraftstoff“ über die diesjährige Markteinführung des Elektro-Roadsters der US-Firma Tesla Motors und den aktuellen Stand der Lithium-Ionen-Batterietechnologie. Diese Technologie stellt im Automotive-Bereich eine disruptive Innovation dar. Der Grund: Sie ist im Automobilmarkt eine neue Technologie, bezüglich des gängigen Maßstabs „Reichweite“ noch sehr schwach und bezüglich neuen Maßstäben wie „Umweltverträglichkeit“ oder „CO2-Austoß“ sehr stark.

Tesla Motors hat sich entschieden, diese Technologie in einem kleinen und leichten Elektro-Roadster für eine exklusive Zielgruppe anzubieten. Diese Zielgruppe legt weniger Wert auf „Rechweite“ als auf „Status“, „Fahrspaß“ oder „Exklusivität“.

Zweites Beispiel
Clayton Christensen zitiert in seinem Buch The Innovators Dilemma (Erstausgabe 1997) ein Statement von John R. Wallace (Ford). Dieser behauptete, dass die aktuelle Batterietechnologie den Ansprüchen der Kunden aktuell noch nicht genügt: Die Leistungsfähigkeit sei nicht hoch genug. William Glaub, Chrysler, nahm durch die Aussage, dass die aktuelle Batterietechnologie noch nicht reif genug ist, eine ähnliche Position ein.

Beide Unternehmen wollten damals Batterien in ihre größten Modelle einbauen: Chrysler in den Minivan und Ford in den Ranger. Damit haben sie eine disruptive Innovation an gängigen Maßstäben gemessen.

Drittes Beispiel
Deutsche Automobilhersteller planen ebenfalls den Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien. Im Gegensatz zu Tesla Motors sollen diese jedoch in ihren Prestigemodellen in Form von Hybridfahrzeugen (d.h. Verbrennungs- und Elektromotor gleichzeitig) Erfolge vorweisen:

  • BMW: Hybrid 7er und Hybrid X6 (große, schwere Limousine bzw. Geländewagen)
  • Porsche: Cayenne (großer, schwerer Geländewagen)
  • Audi: Q5 und Q7 (große, schwere Geländewagen)

Damit planen sie eine disruptive Innovation für einen bestehenden Markt und einer bestehenden Ziegruppe mit gängigen Maßstäben anzubieten.

Resumee
Disruptive Innovationen brauchen, um erfolgreich zu sein, einen anderen Markt mit anderen Maßstäben.  Dieser Markt wird anfangs keine „Cash Cow“ und sehr wahrscheinlich nicht Ihr „Lieblingsmarkt“ im Sinne von „war bisher immer ertragreich“ sein.

PS: Erinnern Sie sich an Grahams Artikel in den vdi nachrichten „Droht Industrieriesen das Schicksal der Dinosaurier?“. Eine These von Graham war: Eine mögliche disruptive Innovation im Fahrzeugbau könne das erste marktfähige Elektroauto sein. „Ich wette, dass das nicht von Audi, Mercedes oder BMW entwickelt wird. Start-ups oder Seiteneinsteiger, etwa aus dem Elektronik- oder Energiebereich, werden hier die Nase vorn haben“. 🙂

Foto: Tesla Motors

Ein Optionenportfolio für Innovationsprojekte

innovation portfolio

Im Artikel Das Innovationsportfolio haben wir gesehen, wie Innovationsprojekte in einem Portfolio organisiert werden können. Dabei sind verschiedene Dimensionen der Organisation möglich. Ein gutes Beispiel für ein solches Innovationsportfolio findet man in einem sehr lesenswerten Artikel von Ian MacMillan von der University of Pennsylvania und Rita McGrath von Columbia University.  Der Artikel heißt Crafting R&D Project Portfolios und bildet ein Kapitel im Buch Managing Strategic Innovation and Change von Michael Tushman und Philip Anderson.

In dem Modell von MacMillan und McGrath werden die Achsen des Portfoliodiagramms durch zwei Arten von Erfolgsungewissheit beschrieben, die jeweils in die Bereiche gering, mittel und hoch unterteilt werden. Die Marktungewissheit gibt an, wie unsicher der kommerzielle Erfolg des Projektes ist. Diese Ungewissheit wird beeinflusst durch Faktoren wie die Höhe der Nachfrage, mögliche Reaktionen der Konkurrenz oder der Einfluss von zukünftigen Gesetzen und Verordnungen. Die technische Ungewissheit dagegen beschreibt die Unsicherheiten bezüglich der Realisierbarkeit des Projektes. Diese werden unter anderem von den zu lösenden technischen Problemen, der Verfügbarkeit der notwendigen Ressourcen oder die Kosten für benötigte Infrastruktur beeinflusst.

Je nach ihrer Position im Portfolio haben unterschiedliche Innovationsprojekte unterschiedliche Bedeutungen für das Unternehmen.

Projekte, bei denen sowohl die Marktungewissheit als auch die technische Ungewissheit gering sind, sind inkrementelle Innovationen, z.B. Verbesserungsinnovationen an bestehenden Produkten oder schlichte Line Extensions. Solche Projekte sind technisch beherrschbar, und ihre kommerziellen Erfolgsaussichten können relativ sicher ermittelt werden.

Projekte, bei denen die Ungewissheit mittel ist, sind oft so genannte Plattformprojekte. Ein Plattformprojekt führt mittelfristig zu einem Produkt mit neuer Technologie, das als Grundlage für weitere (inkrementelle) Innovationen dienen soll.

Sowohl inkrementelle Projekte als auch Plattformprojekte dienen in erster Linie dazu, Umsätze zu sichern; sie sollen kurz- oder mittelfristig erfolgreiche Produkte hervorbringen, mit denen Marktanteile geschützt werden.

Die Innovationsprojekte, bei denen mindestens eine Dimension eine hohe Ungewissheit hat, sind dagegen laut MacMillan und McGrath als Optionen zu behandeln. An der Börse erwirbt man mit einer Kaufoption das Recht, in Zukunft eine bestimmte Aktie kaufen zu dürfen. Entwickelt sich das Wertpapier positiv, so macht man von diesem Recht Gebrauch; entwickelt sie sich negativ, so lässt man die Option ungenutzt verfallen. Optionen sind ein Mechanismus, mit dem man sich mit einem verhältnismäßig kleinen Betrag das Recht auf die Teilnahme an eine zukünftige positive Entwicklung kaufen kann. Aus dieser Überlegung heraus sind Innovationsprojekte mit hoher Ungewissheit als Option zu behandeln; sie sind „Eintrittskarten“ für eventuelle zukünftige Märkte oder Technologien.

Innovationsprojekte mit hoher technischer Ungewissheit, aber nur geringer oder mittlerer Marktunsicherheit werden Positionierungsoptionen genannt. Diese Projekte werden dann eingesetzt, wenn die Erfolgsaussichten einer bestimmten Technologie unbekannt sind, beispielsweise weil ihre Realisierbarkeit unklar ist oder weil verschiedene Technologien um die Vorherrschaft konkurrieren. Sollte sich die untersuchte Technologie als machbar bzw. als Sieger herausstellen, liefert die Positionierungsoption den Zugang zum Markt. Positionierungsoptionen haben also zum Ziel, Technologiefähigkeiten zu erwerben.

Innovationsprojekte mit hoher Marktunsicherheit, aber nur geringer oder mittlerer technischer Ungewissheit werden Kundschafteroptionen genannt. Dies sind Projekte,  bei denen die technische Machbarkeit zwar gegeben ist, es aber noch unklar ist, ob der Markt die neue Lösung annehmen wird bzw. ob sich die Lösung am Markt durchsetzen lässt. Kundschafteroptionen dienen dazu, Informationen über den Markt zu gewinnen.

Innovationsprojekte mit sowohl hoher Marktunsicherheit als auch hoher technischer Ungewissheit werden Trittsteinoptionen genannt, weil sie als Trittstein zu völlig neuen Lösungen und Märkten fungieren. Sie sind von ihrer Natur her sowohl Positionierungsoptionen als auch Kundschafteroptionen.

Je nach Branche und Art des Unternehmens haben die unterschiedlichen Felder des Portfolios eine unterschiedlich große Bedeutung. Eine gute Innovationsstrategie weiß um die Bedeutung der Felder und formuliert Ziele für jedes dieser Felder, die dann von Innovationsmanagement zu erfüllen sind. In einer technologisch sich schnell ändernden Branche beispielsweise wird der Anteil an Positionierungoptionen höher sein; in einem schnelllebigen, von Trends beherrschten Konsummarkt bekommen Kundschafteroptionen dagegen eine größeres Gewicht.

Wie im Beitrag Das Innovationsportfolio bereits geschrieben wurde, hat ein Innovationsportfolio Konsequenzen sowohl für die Ideengenerierung als auch für die Ideenbewertung. Eine Ideenfabrik zum Thema „Wir suchen Ideen für neue Plattformprodukte“ lässt sich wesentlich zielgenauer gestalten als eine zum Thema „Wir suchen Ideen für neue Produkte„. Analog ist auch die Ideenbewertung bei der ersten Aufgabenstellung wesentlich zielführender als bei der zweiten. Aus diesem Grund ist die Verknüpfung mit der Innovationsstrategie ein wichtiger Bestandteil jedes Ideenfindungsauftrags.

 

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Kompaktwissen Produktinnovation

 

Das Innovationsportfolio

innovationsportfolio

Das Innovationsportfolio ist ein wichtiges Instrument der Innovationstrategie, das unmittelbare Konsequenzen für das Innovationsmanagement hat. Es dient dazu, die Gesamtheit aller Innovationsprojekte eines Unternehmens zu visualisieren und zu strukturieren. Damit soll erreicht werden, dass die Innovationsaktivitäten eines Unternehmens ausgewogen sind; es soll vermieden werden, dass in manchen Innovationsbereichen zu viel investiert wird, während andere Bereiche vernachlässigt werden.

Eine typische Gliederungsstruktur  für eine Innovationsportfolio ist die bekannte dreidimensionale Darstellung im Diagramm oben. Alle aktuellen Innovationsprojekte des Unternehmens werden als Kreise im Diagramm platziert. Dabei bezeichnen die zwei Raumachsen Dimension 1 und Dimension 2 sowie das Kreisdurchmesser relevante Merkmale von Innovationsprojekten. Mögliche Merkmale sind unter anderem:

  • Marktunsicherheit
  • Technische Unsicherheit
  • Erwarteter Umsatz
  • Dauer bis zur Realisierung
  • Realisierungsaufwand
  • Strategisches Potential

Das Innovationsportfolio spielt eine wichtige Rolle in der letzten Phase der Ideenbewertung. Dort werden die Ideen im Portfoliodiagramm verortet, und es wird geprüft, ob die zu bewertende Idee eine sinnvolle Ergänzung zum Gesamtbild darstellt. Ideen, die auf einem bereits besetzten Platz landen, können zurückgestellt werden, oder sie können das dort vorhandene Projekt verdrängen. Ideen, die im Gegensatz dazu eine wichtige Lücke schließen, erhalten eine entsprechend höhere Priorität.

Das Innovationsportfolio spielt auch bei der Suchfeldbestimmung eine wichtige Rolle, denn gefährliche Lücken im Portfolio liefern den Anlass für eine gezielte Ideenproduktion, bei der der Innovationsmanager eine auf die Lücke maßgeschneiderte Ideenfindungsaufgabe formulieren kann.

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Kompaktwissen Produktinnovation

 

Die Commodity-Falle vermeiden

 

commodity falle vermeiden

IBM führte 2008 eine globale CEO Studie zum Thema Das Unternehmen der Zukunft durch. In dieser Studie erklärte Jeffrey Immelt, Chairman und CEO von General Electric:

Kontinuierliche Erneuerung ist von zentraler Bedeutung […] Wir sind alle nur einen Wimpernschlag von der Commodity-Falle entfernt.

Immelt spricht hier über die Commodity-Falle als eine Gefahr für marktführende Unternehmen. In seinen Augen hilft kontinuierliche Erneuerung, diese Falle zu vermeiden und so langfristig die Unternehmenszukunft zu sichern. Wer sich dagegen auf seinen einstigen Erfolgen ausruht, gerät schnell in die Commodity-Falle.

In meinem Beitrag möchte ich erklären, was die Commodity-Falle ist und wie Sie sie vermeiden können.

Was ist die Commodity-Falle?

Als Erstes müssen wir klären, was eine Commodity ist (englisch commodity = Gut, Ware). Eine Commodity meint Güter oder Waren, die sich in einem einzigen Merkmal voneinander unterscheiden können, nämlich ihrem Preis. Dies erklärt auch, dass sich eine Commodity nicht durch positive Differenzierungsmerkmale von der anderen Commodity unterscheiden kann. Ganz im Gegenteil, eine Commodity besitzt sogar standardisierte Eigenschaften. Dadurch kann sie, wie Öl oder Gold, auch an der Börse gehandelt werden.

Produkte können sich jedoch im allgemeinen bezüglich mehrerer Merkmale unterscheiden. Unterscheidungsmerkmale können sein: Zuverlässigkeit, Sicherheit, Service oder Funktionalität. Innovative Unternehmen nutzen diese Merkmale, um den Kunden einen einzigartigen Mehrwert bieten zu können. Sie heben sich dadurch vom Wettbewerb ab. Unternehmen, die das beherrschen, erzielen höhere Margen und Renditen. Im Gegensatz dazu wird ein Produkt dann zu einer Commodity, wenn mit der Zeit das einzige Unterscheidungsmerkmal der Preis geworden ist!

Durch typische Marktdynamiken gibt es eine Tendenz zur Commoditisierung. Hat ein Unternehmen eine Innovation auf den Markt gebracht, gibt es schnell Nachahmer. Kopien des einst innovativen Produkts werden von Konkurrenten an den Markt getragen. Ein Unternehmen tappt dann in die Commodity-Falle, wenn es statt die nächste Produktinnovation zu entwickeln sich auf die Commoditisierung einlässt. Für viele Kunden sind Druckerpapier, Butter oder Schrauben solche commoditisierten Produkte.

Die folgende Liste zeigt vier Merkmale, an denen Sie erkennen können, dass eines Ihrer Produkte sich in der Commodity-Falle befindet:

  • Das einzige Unterscheidungsmerkmal ist der Preis. Sie erkennen dies daran, dass sich Ihr Produkt nur über Preisnachlässe absetzen lässt.
  • Es wurde verpasst, einen neuen Mehrwert zu entwickeln.
  • Die Investitionen wurden ausschließlich für die Steigerung der Effizienz und nicht für Verbesserungen am Produkt genutzt.
  • Das Unternehmen muss die Kosten senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie gefährlich kann die Commodity-Falle sein?

Das Gefährliche an der Commodity-Falle ist, dass sie ein Teufelskreis ist:

  1. Zunächst generierte das Unternehmen eine Produktinnovation und kann durch den neuen Kundennutzen sehr hohe Margen einnehmen.
  2. Nach einiger Zeit gibt es Nachahmer am Markt, die vergleichbare Produkte herstellen können.
  3. Der Effekt ist: Nur durch den Preis kann das Unternehmen auf dem Markt noch einen Vorteil erzielen.
  4. Daher: Die Margen sinken.
  5. Die verfügbaren finanziellen Mittel fließen komplett in den Erhalt des Unternehmens, z.B. in Kostensenkung.
  6. Es fehlen die finanziellen Mittel, um die Investitionen für notwendige Erneuerungen tätigen zu können.

… nach einiger Zeit …

  1. Das Unternehmen kann nur durch einen noch günstigeren Preis einen Vorteil erzielen.
  2. Daher: Die Margen sinken noch weiter.
  3. Das Unternehmen muss weiterhin alle finanziellen Mittel für eine noch größere Effizienzsteigerung einsetzen.

Spätestens jetzt schlägt die Commodity-Falle zu.

Ein praktisches Beispiel hierfür ist Compaq, denn der Computerhersteller verschwand vom Markt, als er in die Commodity-Falle geraten ist:

1981-85
Compaq eroberte den x86 Markt mit der Einführung des 386 PC. Die Mehrwert-Strategie von Compaq, auch als hochpreisiger Anbieter, brachte ihnen hohes Umsatzwachstum und Renditen.

Kostensenkung1985-90
Anbieter aus Asien konnten vergleichbare PCs wesentlich günstiger als Compaq herstellen. Als diese Commoditisierung stattfand, konnte Compaq mit den Preisen nicht mehr mithalten. Die Gründe dafür sind die Kostenstruktur und der schnell ansteigenden Dollar. Compaqs Überleben befand sich in Gefahr.

Daher wechselte die Strategie nahezu plötzlich von einem hochpreisigen zu einem Niedrigpreis-Anbieter. Compaq konnte dadurch seine Marktposition (Platz 1) halten. Jedoch fielen die Margen weiter …

1990-95
Woraufhin Compaq wieder zur Mehrwert-Strategie gewechselt hat. Im Zuge der Entwicklung von Netzwerken, führte Compaq hoch verfügbare Server ein. Dieses neue Angebot traf genau die Bedürfnisse der Benutzer.

Aber auch dieses Produkt wurde schnell zur Commodity als andere Anbieter vergleichbare Produkte anboten.

1995-
Wieder schlug Compaq den Weg der Kostenreduktion ein. Am 4.9.2001 fusionierte Compaq mit dem Zweiten des Marktes, Hewlett Packard. Im Endeffekt stellte sich diese Fusion jedoch als Übernahme heraus.

Wie kann man die Commodity-Falle vermeiden?

Wird ein Produkt zur Commodity, so kann das weitreichende Folgen haben. Einige dieser Folgen, wie Umsatzeinbrüche oder Übernahmen haben wir Ihnen bereits vorgestellt. Aber was kann man tun? Zunächst einmal ist es wichtig zu erkennen, wann und wie die Commodity-Falle im Unternehmen zuschnappen kann. Ist dies geklärt, gibt es eine Reihe von Tipps die man befolgen kann, um sie zu vermeiden:

  1. Generieren Sie aktiv und vor allem ständig einzigartige Merkmale für Ihre Produkte oder Dienstleistungen, um im Markt immer einen Vorsprung zu haben.
  2. Statt nur reaktiv auf Marktveränderungen zu reagieren, seien Sie proaktiv und schauen Sie in die Zukunft. Haben Sie im Blick, was zukünftige Marktbedürfnisse sein könnten.
  3. Hören Sie nie auf, nach neuen Mehrwerten für Ihre Kunden zu suchen. Seien Sie auch hier proaktiv und generieren Sie ständig neue Kundennutzen. Sie können dazu zum Beispiel die Buyer Utility Map anwenden.
  4. Nutzen Sie ihr Brot und Butter-Geschäft, um langfristige Produktinnovationen zu finanzieren.
  5. Setzen Sie eine langfristige Strategie gegen die Commoditisierung ein.
  6. Beachten Sie die verschiedenen Lebenszyklen Ihrer Produkte. Nutzen Sie ein langfristig ausgerichtetes Produktportfolio, um regelmäßig für Innovationsnachschub zu sorgen.

Innovationen sind wichtig. Damit man Innovationen für sich nutzen kann, braucht man einen guten Mix aus kurz- und langfristigen Produktinnovationen. Für die Erstellung und Taktung dieses Mixes sollten Sie den Lebenszyklus Ihrer Produkte berücksichtigen und unbedingt für Nachfolgeprodukte sorgen! Dadurch vermeiden Sie, in die Commodity-Falle zu tappen.

Quelle für die Commodity-Falle: The Innovators Dilemma von Clayton M. Christensen

Quelle für die Geschichte von Compaq: Innovation Management von Shlomo Maital und D.V.R. Seshadri

Quelle für den Produktlebenszyklus: Buying Hierarchy

 

Open Innovation hat zwei Seiten!

basf open innovation

Open Innovation ist heutzutage in aller Munde. Sie wird oft als Medikament für innovationsmüde Unternehmen und Allheilmittel für zukünftiges Wachstum angepriesen. Überall sprießen Web-Portale, Blogs und andere Informationsquellen zum Thema Open Innovation aus dem Boden. Open Innovation ist in der Tat ein vielversprechender Ansatz zur Belebung der Innovationskraft (und der Innovationserlöse) eines Unternehmens, nur wird sie leider in den seltensten Fällen vollständig verstanden.

Der Begriff Open Innovation wurde von Henry Chesbrough, Management-Professor an der University of California geprägt. Damit wollte er einen Paradigmenwechsel in der Einstellung zur Innovation einläuten. Früher wurden sämtliche Phasen des Innovationsprozesses streng innerhalb eines Unternehmens betrieben; Chesbrough nennt dieses Vorgehen Closed Innovation. Bei der Open Innovation dagegen öffnet ein Unternehmen seinen Innovationsprozess für externe, beispielsweise für Kunden, Lieferanten, unabhängige Experten oder sogar für jedermann. Die Mauern, mit denen sich ein Unternehmen früher umschloss werden durchlässig gemacht. Diese Öffnung soll viele Vorteile für Innovationsaktivitäten mit sich bringen; Chesbrough spricht von einer Erhöhung der metabolischen Innovationsrate.

Wichtig am Konzept der Open Innovation ist, dass diese Durchlässigkeit in beiden Richtungen (sowohl nach Innen als auch nach Außen) und über den ganzen Innovationsprozess hinweg (von der Ideengenerierung bis zur Vermarktung) gegeben sein muss. Fast jeder, der z.Zt. über Open Innovation schreibt, beschäftigt sich lediglich mit der Partizipierung von Externen Personen an der Ideengenerierung, beispielsweise mit der Lead User Methode oder über Crowdsourcing. Sie beschränken sich also auf den ersten Prozessschritt und dort auf den nach Innen gerichteten Informationsfluss. Spätere Zuflüsse in den Innovationsprozess sowie sämtliche nach Außen gerichtete Elemente werden ignoriert. Dabei sind diese genau so wichtig wie die externe Ideengenerierung. IBM beispielsweise verdient jährlich mehr als eine Milliarde Dollar durch die Lizensierung von eigenen Erfindungen an Dritte.

Eine der wenigen Quellen im Internet, die ein balanciertes Bild der Open Innovation geben, findet man bei der BASF Future Business GmbH. Von dort stammt die Grafik, die am Anfang dieses Artikels steht und die einige Möglichkeiten der Open Innovation zeigt. Aufgabe der BASF Future Business GmbH ist es, neue Geschäftsfelder aufzudecken, in denen BASF noch nicht vertreten ist. Bei diesem Auftrag liegt es auf der Hand, sämtliche Möglichkeiten der Open Innovation auszuschöpfen.

Unsere Erfahrung aus der Ideenfabrik zeigt, dass Kunden dort oft viel mehr potentialreiche Ideen entwickeln, als sie zunächst allein aus eigener Kraft realisieren können. Nicht selten handelt es sich um Ideen, die sich durch Kooperationen oder andere Methoden der Open Innovation verfolgen ließen. Allerdings wird diese Chance oft nicht wahrgenommen, und der Nutzen der Idee geht verloren. Mit einer konsequenten Umsetzung beider Seiten der Open Innovation müssten solche Gelegenheiten weniger oft verpasst werden, und die Rendite der Investition in die Ideengenerierung würde noch höher ausfallen.

Bildquelle: BASF