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innovation ethik

Wie ich in einem früheren Beitrag erwähnte, war ich vor ein paar Wochen in Dubai. Dort habe ich am Postgraduate Institute of Management einen Vortrag über Innovation gehalten.

Nach dem Vortrag hat mich ein Student gefragt, ob Innovation denn immer gut sei. Ich habe zunächst mit „ja“ geantwortet und das klassische Schumpetersche Argument zitert, dass durch Innovation Fortschritt möglich wird. Der Student gab dann als Gegenbeispiel die innovativen Finanzprodukte wie Collateralized Debt Obligations an, die zur gegenwärtigen weltweiten Finanzkrise geführt haben. Der Student meinte, dies seien Innovationen, die es wohl besser nicht gegeben hätte. Dieses Beispiel hat mich zum Nachdenken gebracht.

Das gängige Beispiel für die Fragwürdigkeit des Nutzens von Innovationen ist bei der Waffentechnik. Nach 1945 galt dies besonders für Atomwaffen, und es ist viel Kritik an die Mitarbeiter des Manhattan Projects gerichtet worden, die die erste Atombombe gebaut haben. Die Problematik wurde auch von Friedrich Dürrenmatt in seinem berühmten Schauspiel Die Physiker verarbeitet.

Es ist aber nicht jedes Innovationprojekt ein militärisches Projekt und die ethischen Fragen sind nicht immer so deutlich wie bei der Entwicklung einer neuen Massenvernichtungswaffe. So auch bei den derivativen Finanzinstrumenten, die es ja nicht zum Ziel haben, Menschen umzubringen oder Städte zu zerstören. Dennoch können solche Instrumente – wie wir jetzt sehen – eine äußerst schädliche Wirkung entfalten. So ist es – für mich jedenfalls – nicht klar, wie diese Erfindungen ethisch zu beurteilen sind. Übliche ethische Kriterien wie „Durch die Idee soll keinem Menschen Schaden zugefügt werden“ greifen in solchen Fällen nicht, weil die Schadenswirkung der Idee zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht abzusehen ist. Ich vermute, dass ich keine Bedenken gehabt hätte, an Ideen für solche Produkte mitzuwirken.

Ich habe mich also gefragt, ob es weitere Kriterien gibt, die man für Innovationen anwenden kann. Nach kurzer Überlegung ist mir ein solches Kriterium eingefallen, nämlich: „Bringt diese Innovation einen Mehrwert?“ Mehrwert bildet die Basis jedes Wirtschaftsgefüges, indem Produkte und Dienstleistungen einen höheren Wert liefern, als zu ihrer Entstehung benötigt wurde. Diese Erkenntnis gehört zur Grundlagenausbildung jedes Wirtschaftsstudenten und jedes Entrepreneurs. Die bekanntesten Beispiele für Innovation – das Auto, die Kreditkarte, das Penicillin – sind genau die, die einen beträchtlichen Mehrwert für die Menschheit ermöglicht haben.

Nun bringt aber nicht jede Innovation einen Mehrwert mit sich. Die Mehrzahl aller angeblichen Innovationen beschränkt sich auf triviale Line Extensions oder Änderungen der Verpackung und der Präsentation. Solche „Innovationen“ können zwar kurzfristige Verkaufserfolge für ein Unternehmen bewirken, einen Fortschritt für die Gesellschaft bringen sie jedoch nicht.

Ich habe alle Ideenfindungen Revue passieren lassen, an denen Zephram als Dienstleister beteiligt gewesen ist. Dabei habe ich festgestellt, dass wir beide Arten von Projekten gehabt haben: solche, die zu Mehrwert bringenden Innovationen geführt haben, und solche, bei denen dies nicht der Fall war. Tatsächlich waren die Projekte für mich befriedigender, bei denen ein echter Mehrwert entstanden ist, beispielsweise ein verbessertes Produkt, eine hochwertigere Dienstleistung oder eine Einsparung unnötiger Kosten.

Die erste Innovationsphase wird oft mit der Aufzucht von Pflanzen verglichen: Zuerst sät man Anregungen und Rohideen, danach beschützt und pflegt man sie durch Recherchen und Argumente so lange, bis jeder ihre Schönheit oder ihren Nutzen erkennen kann. Diese Metapher hilft mir, mich daran zu erinnern, dass Innovation zu einem Mehrwert führen soll.