von Graham Horton

Was ist ein Geschäftsmodell?
Ein Geschäftsmodell ist eine Beschreibung der Struktur, Aktivitäten und Beziehungen die eingesetzt werden, um Wertschöpfung zu betreiben. Es zeigt, wie Komponenten eines Unternehmens zusammenspielen, um Gewinne zu erzielen. Es dient als Blaupause bei einer Unternehmensgründung und als Gestaltungswerkzeug bei der Unternehmensentwicklung.
Das Konzept des Geschäftsmodells kann sehr einfach mit dem „Kuhspiel“ vermittelt werden, das wir in Workshops und Seminaren gern einsetzen, um die Prinzipien des Geschäftsmodells zu vermitteln.
Was ist Geschäftsmodellinnovation?
Jede Änderung an einem bestehenden Geschäftsmodell kann im Prinzip als Geschäftsmodellinnovation gesehen werden. Damit wäre jede Produktinnovation theoretisch auch eine Geschäftsmodellinnovation, weil das Produkt eines Unternehmens Bestandteil des Geschäftsmodells ist. In der Praxis aber spricht man erst dann von einer Geschäftsmodellinnovation, wenn mehrere Aspekte des Geschäftsmodells gemeinsam erneuert werden, um eine neue Konstellation zu ergeben.
Ein häufig anzutreffendes Beispiel für eine Geschäftsmodellinnovation ist das Outsourcing von Kernprozessen, wobei ein Unternehmen Aktivitäten an einen externen Geschäftspartner abgibt. Dadurch werden mindestens drei Aspekte seines Geschäftsmodells verändert:
- Bestimmte eigene Aktivitäten werden aufgegeben, zum Beispiel Teile der Produktion.
- Die Kostenstruktur ändert sich (typischerweise werden Fixkosten in variable Kosten verwandelt).
- Das Partnernetzwerk wird um den neuen Outsourcing-Partner erweitert.
Outsourcing ist so häufig anzutreffen, dass es kaum noch als Geschäftsmodellinnovation wahrgenommen wird.
Ziele der Geschäftsmodellinnovation
Auf Grund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch die Globalisierung und der schnelleren Marktdynamik auf Grund der schnelleren Ausbreitung von Information und Wissen reichen Produkt- und Prozessinnovationen als Garant für Überleben und Wachstum heute oft nicht mehr aus. Vielmehr werden zunehmend sämtliche Aspekte des bisherigen Geschäftsmodells unter die Lupe genommen, um neue Möglichkeiten zur Erreichung der Unternehmensziele aufzudecken. In einer internationalen Studie von IBM aus dem Jahr 2006 schätzten mehr als 30 Prozent der befragten Unternehmensführer die Geschäftsmodellinnovation in den kommenden acht bis zehn Jahren als überlebenswichtig ein.
Geschäftsmodellinnovation kann für jedes Unternehmen, das unter Wachstums- oder Überlebensdruck steht, ein wichtiges Werkzeug zur Zukunftssicherung sein. Ein aktuelles Beispiel für eine Branche, für die Geschäftsmodellinnovation notwendig ist, sind die traditionellen Apotheken in Deutschland. Diese werden durch die Liberalisierung des Medikamentenverkaufs nach und nach ihre Monopolstellung verlieren und immer mehr Wettbewerbsdruck durch Ketten und Online-Händler erfahren. Einer Prognose zufolge werden nur etwa 16.000 der derzeit rund 22.000 inhabergeführten Apotheken in Deutschland diesen Prozess überleben.
In einem gesättigten Markt sind die Möglichkeiten zu wachsen beschränkt. Unternehmen setzen auf die Innovation am Geschäftsmodell, um Wachstum in neuen Märkten oder mit neuen Angeboten zu erzielen. Der Wandel vom traditionellen Hotel zu einem Wellness-Hotel ist ein Beispiel dafür. (Nur gibt es inzwischen so viele Wellness-Hotels, dass der Markt dafür vermutlich auch schon gesättigt ist.)
Geschäftsmodellinnovation bietet auch einen Ansatz, in reifen Märkten Wettbewerbsvorteile aufzubauen, indem neue Arten des Kundennutzens oder neue Wege, diese bereitzustellen, eingeführt werden. Servitization wird oft mit diesem Ziel betrieben. Beispiele wie IKEA und Cirque du Soleil beweisen, dass neue Geschäftsmodelle, die die Regeln der Branche brechen, sehr erfolgreich sein können.
Oft sind es Startups, die als erste innovative Geschäftsmodelle in einem Markt einführen. Dies ist Bestandteil ihrer Strategie, im Wettbewerb mit den großen, etablierten Marktführern für sich einen Vorteil zu erarbeiten. Das Unternehmen Salesforce wurde zum Beispiel erfolgreich, weil es ein innovatives Geschäftsmodell für IT-Funktionen mit vielen Kundenvorteilen gefunden hat.
Beschreibung von Geschäftsmodellen
Es gibt viele verschiedene Vorschläge zur Beschreibung von Geschäftsmodellen. Fast alle davon haben die Form einer Schablone, in der die verschiedenen Komponenten eines Geschäftsmodells angeordnet sind. Zu ihnen gehört das Business Model Canvas, das am meisten verwendete Visualisierung eines Geschäftsmodells.
Eine weiteres nützliches Werkzeug der Geschäftsmodellbeschreibung sind Wertenetzwerke, die die Partnerschaften und die Transaktionen zwischen ihnen im Vordergrund haben.
Beispiele für Geschäftsmodellinnovationen
Einige Beispiele für neue Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovationen sind:
- IBM, der sich von einem Computerhersteller zum Beratungs- und IT-Dienstleister gewandelt hat,
- das deutsche Startup Kilenda, das einen Kinder- und Babykleidung-Service als Alternative zum Kauf anbietet,
- Rechtsanwaltskanzleien in Silicon Valley, die auf die Beratung von Startups spezialisiert sind, und einen Teil ihrer Entlohnung in Form von Unternehmensanteilen statt Honoraren auszahlen lassen,
- die so genannte Servitization, wobei zusätzlich zu den materiellen Produkten Dienstleistungen wie Wartungsverträge oder Verfügbarkeitsgarantien verkauft werden,
- Uber, ein Startup aus USA, das private Fahrzeuge und Fahrgäste vermittelt,
- die Haloid Corporation (jetzt Xerox), die durch das Leasing (statt den Verkauf) von Bürofotokopierern erfolgreich wurde,
- Diversifizierung, um Wachstum und Unabhängigkeit von einzelnen Märkten zu schaffen,
- Outsourcing, wobei Wert schaffende Aktivitäten auf externe Partner verlagert werden, um Fixkosten durch variable Kosten zu ersetzen. Dies ist in der Automobilindustrie häufig anzutreffen.
Ideenfindung für Geschäftsmodelle
Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle vollzieht sich in drei Schritten. Zunächst wird das durch die Geschäftsmodellinnovation angestrebte Ziel festgelegt. Dieses Ziel kann beispielsweise Umsatzwachstum, die Diversifizierung der Zielgruppe oder die Stabilisierung des Erlösestroms sein.
Im zweiten Schritt wird das Modell des Unternehmens in seiner bisherigen Form aufgeschrieben. Hat das Unternehmen unterschiedliche Angebote, muss für jedes Angebot das Modell separat formuliert werden. Da die wenigsten Unternehmen diese Grundübung durchgeführt haben, kann schon dieser erste Schritt bereits wertvolle Aufschlüsse und Hinweise zur Verbesserung liefern.
Im dritten Schritt werden dann mögliche neue Varianten des Modells systematisch erkundet und analysiert. Dabei werden nicht nur Innovationen in den einzelnen Komponenten des Modells in Betracht gezogen, sondern auch viel versprechende Kombinationen. Diese Checkliste mit 100 Fragen kann dafür als Anregung dienen.
Erfolgreiche Unternehmen können bei der Ideenfindung als Anregung dienen, zum Beispiel durch die IBMisieren-Methode.
Bewertung von Geschäftsmodellen
Geschäftsmodelle müssen sehr hohe Ansprüche erfüllen, um erfolgsversprechend zu sein. Nicht nur die einzelnen Komponenten müssen vielen Kriterien gerecht werden, sondern auch das Geschäftsmodell als Ganzes.
Für die Bewertung des Wertversprechens nutzen wir die VALUEPROP-Checkliste.
Für die Gesamtbewertung eines Geschäftsmodells haben wir die KERNWEG-Checkliste entwickelt.
von Graham Horton

Ein oft zitiertes Beispiel für Servitization ist das Power by the Hour-Angebot des Triebwerkherstellers Rolls Royce. Mit dieser Innovation hat Rolls Royce nicht nur Vorteile für sich und seine Kunden bewirkt, sondern auch preisgünstige Fluglinien wie SouthWest Airlines möglich gemacht.
Vorgeschichte
In den 1960er Jahren führte der britische Triebwerkshersteller Bristol Siddeley eine Dienstleistung für Geschäftsflugzeuge ein, bei der Triebwerke und Ersatzteile für einen Festpreis zur Verfügung gestellt wurden. Das Besondere daran war, dass das Preismodell ein fester Betrag pro geflogene Stunde war. Dieses Angebot wurde Power by the Hour getauft. Durch ihn konnten die Betreiber der Flugzeuge ihre Betriebskosten genauer kalkulieren, und sie mussten keine Ersatzteile vorhalten.
1968 wurde Bristol Siddeley von Rolls Royce, einem anderen Triebwerkshersteller, aufgekauft. Ungefähr 15 Jahre später hat Rolls Royce den Power-by-the-hour-Gedanken wieder aufgegriffen und ausgebaut; Das Ergebnis ist ein Service, der heute TotalCare heißt.
TotalCare
Die Motivation für Rolls Royce, TotalCare einzuführen war, ihren Kundenservice zu verbessern und den Kunden zu helfen, Kapitalausgaben in Betriebsausgaben zu verwandeln. Hinzu kam, dass ihre Gewinnmargen im Ersatzteilmarkt durch Drittanbieter bedroht wurden.
Die Voraussetzung für TotalCare war die Neudefinition des Kundennutzens: Verkauft wurde nicht mehr ein High-Tech-Gerät, sondern die Leistung, Flugzeuge durch die Luft zu bewegen. Dies hat ein Manager von Rolls Royce wie folgt beschrieben: Wir entwickeln diese hochwertigen Triebwerke, in denen die Turbinenblätter Temperaturen aushalten müssen, die höher sind, als der Schmelzpunkt des Metalls aus dem sie gebaut sind. […]. Aus technologischer Sicht sind sie großartig, [aber unsere Kunden sehen sie nur als ein] Rohr, das sie an ihre Flugzeuge schrauben, damit sie planmäßig und zuverlässig am Ziel ankommen.
TotalCare umfasst die Bereitstellung des Triebwerkes zusammen mit dessen Überwachung, Wartung und Reparatur für die gesamte Lebensdauer des Gerätes. Dabei bleibt das Triebwerk Eigentum von Rolls Royce: Die Fluglinien bezahlen für die Dienstleistung, die das Triebwerk erbringt. Damit müssen sie nichts bezahlen, wenn das Triebwerk ruht oder außer Betrieb ist.
Vorteile für die Kunden
Die Vorteile für die Fluglinien sind laut Aussage von Rolls Royce:
- Die Zuverlässigkeit der Triebwerke wird belohnt.
- Finanzielle Risiken werden reduziert.
- Die Betriebskosten werden planbar.
- Die Verfügbarkeit der Triebwerke wird erhöht.
- Verbesserungsmaßnahmen werden automatisch ausgeführt.
Darüber hinaus bedeutet Power-by-the-hour, dass Triebwerkhersteller und Fluglinie beide ein Interesse daran haben, dass das Triebwerk zuverlässig arbeitet und eine lange Lebensdauer hat.
Sensorik und Datenanalyse
Um die Risiken zu verringern und die Profitabiltät der Dienstleistung zu erhöhen, hat Rolls Royce ein aufwendiges Überwachungssystem für ihre Triebwerke entwickelt, das Betriebsdaten ständig an die Zentrale übermittelt. Darüber hat Sir John Rose, ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Rolls Royce gesagt:
Mit den Echtzeitdaten, die wir per Satellit erhalten, können wir Ereignisse erkennen, und unsere Ingenieure können Ferndiagnosen durchführen. Wenn ein Triebwerk vom Blitz getroffen wird, würde man unter normalen Bedingungen das Flugzeug landen müssen und einen Ingenieur herbeirufen, der das Triebwerk überprüft, den Schaden ermittelt und entscheidet, ob das Flugzeug deswegen liegen bleiben muss, bis die Reparatur durchgeführt werden kann. Aber Fluglinien haben nicht viel Zeit zwischen Landung und Start. Wenn der Start verzögert werden muss, muss die Besatzung abbestellt werden, und die Startfreigabe für den Rückflug geht verloren. Das ist sehr teuer. Wir können die Leistung der Triebwerke in Echtzeit beobachten und analysieren, und unsere Ingenieure können die notwendigen Entscheidungen treffen schon bevor das Flugzeug gelandet ist. Und wenn wir mit Hilfe der Triebwerksdaten feststellen können, dass keine Maßnahmen erforderlich sind, kann das Flugzeug planmäßig zurückfliegen, was unseren Kunden Zeit und Geld spart.
Vorteile für den Anbieter
TotalCare bringt auch für Rolls Royce eine Reihe von Vorteilen:
- Das Unternehmen kann Flugzeughersteller umgehen und direkte Geschäftsbeziehungen mit den Fluggesellschaften aufbauen. Dies verbessert seine Verhandlungsposition in der Wertschöpfungskette.
- Der Umsatz ist gestiegen – Rolls Royce macht jetzt 50% seiner Umsätze durch hochwertige Dienstleistungen.
- Der Erlösestrom ist stetiger geworden und ist weniger anfällig gegenüber konjunkturellen Schwankungen.
Ein positiver Nebeneffekt der standig gesammelten Betriebsdaten ist ein verbessertes Design neuer Triebwerke.
Weitere Folgen
In der Zwischenzeit bieten auch andere Triebwerkhersteller wie General Electric und Pratt & Whitney ähnliche Dienste an.
Schließlich hat das Power-by-the-hour-Geschäftsmodell die Entstehung der Niedrigpreisfluglinien möglich gemacht, weil dadurch die notwendigen Kapitalausgaben für Flugzeuge gesunken sind.
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Definition von Servitization
Argumente für Servitization aus Lieferantensicht
Servitization – Die Vorteile für den Kunden
Servitization-Beispiel: Sprengen im Steinbruch
von Graham Horton

Die Bewertung von Wertversprechen
Das Wertversprechen (englisch: Value Proposition) eines Produktes oder einer Dienstleistung beschreibt den Nutzen, den es bzw. sie dem Käufer anbietet. Beispielsweise ist das Wertversprechen eines Kinos Unterhaltung, das eines ICE schnelles und komfortables Reisen zwischen Großstädten.
Es ist wichtig, das Wertversprechen nicht mit Produkteigenschaften oder mit Vorteilen zu verwechseln. Das A8-Modell von Audi hat beispielsweise eine Aluminiumkarosserie mit dem Vorteil, dass sie nicht rostet. Das Wertversprechen ist aber, Geld und Umstände (für die Reparatur von Roststellen) zu sparen.
Das Wertversprechen spielt eine zentrale Rolle in der Definition eines Geschäftsmodells und ist daher in fast allen Schablonen vorgesehen. In der Geschäftsmodellinnovation ist es – zusammen mit der Zielgruppe und dessen Bedürfnisse – das Erste, was festgelegt wird. Entsprechend ist die Bewertung von Wertversprechen ein wichtiger erster Schritt in der Gesamtbewertung des Geschäftsmodells.
Der Erfolg eines neuen Produktes hängt entscheidend von seinem Wertversprechen ab. Bei einem Startup kann dies sogar die gesamte Existenz des Unternehmens bedeuten. Es ist also in einem Innovationsprojekt außerordentlich wichtig, das Wertversprechen mit den richtigen Kriterien zu bewerten und zu optimieren.
Die Checkliste
Wir haben eine Checkliste zur Bewertung von Wertversprechen entwickelt, die wir in unseren Geschäftsmodellinnovation-Workshops einsetzen. Die Checkliste hat neun Kriterien, deren Erstbuchstaben den hilfreichen Akronym VALUEPROP bilden. (Valueprop ist eine häufig anzutreffende Abkürzung für Value Proposition, die englische Übersetzung von Wertversprechen.)
- V: Valuable (wertvoll)
- A: Advantageous (vorteilhaft)
- L: Lucid (klar)
- U: Underserved (nicht ausreichend bedient)
- E: Exclusive (exklusiv)
- P: Precise (präzise)
- R: Rare (selten)
- O: Outperforming (überlegen)
- P: Prioritized ((hoch-)priorisiert)
Valuable
Das Wertversprechen soll einen wertvollen Markt adressieren: Entweder sollte er sehr groß oder sehr zahlungskräftig (oder beides!) sein. Ist dies nicht der Fall, sind die Wachstums- und Gewinnchancen beschränkt.
Advantageous
Das Wertversprechen soll dem potentiellen Kunden einen deutlichen Vorteil in Aussicht stellen gegenüber den Alternativen, die ihm sonst zur Verfügung stehen.
Lucid
Das Wertversprechen muss (für die Zielgruppe!) klar verständlich sein. Apple hat 2001 mit seiner Werbung für das iPod ein gutes Beispiel dafür geliefert.
Underserved
Je weniger Konkurrenz es gibt, desto besser. Dies kann zwar die Anzahl der konkurrierenden Angebote bedeuten, meint aber vielmehr das Maß der Übereinstimmung ihres Wertversprechens mit den Bedürfnissen der Zielgruppe.
Exclusive
Je schwieriger es für Wettbewerber ist, mit einem ähnlichen Wertversprechen aufzutreten, desto besser.
Precise
Das Wertversprechen sollte zielgenau auf die Bedürfnisse der Zielgruppe treffen.
Rare
Das Wertversprechen sollte selten oder am besten einmalig in seiner Art sein.
Outperforming
Das Wertversprechen sollte eine Leistung anbieten, die die Leistung der Konkurrenten deutlich übertrifft.
Prioritized
Schließlich sollte das Wertversprechen auf ein Bedürfnis treffen, das für den Kunden eine hohe Priorität hat. Je wichtiger es ist, um so empfänglicher wird der Kunde dafür sein. Dieses Merkmal wird oft auch als Urgency (Dringlichkeit) bezeichnet.
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Kompaktwissen Ideenbewertung
Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation
von Graham Horton

Wachstumsorientierte Geschäftsmodellinnovation
In reifen Märkten ist Wachstum allein durch inkrementelle Produktinnovation kaum noch möglich. Hier erfüllen Verbesserungen am Produkt hauptsächlich die defensive Funktion, die Commoditisierung abzuwenden. Um offensive Ziele wie Wachstum oder Diversifizierung zu erreichen, sind oft Änderungen am gesamten Geschäftsmodell erforderlich.
Eines der derzeit bekanntesten Beispiele für eine solche Geschäftsmodellinnovation ist Apple, die sich von einem Nischenhersteller von Rechnern zu einem Marktführer in persönlichen Medien gewandelt hat. Apple bietet heute nicht nur ihren Rechner Macintosh an, sondern auch iPod, iPhone und iPad. Zusätzlich verdient Apple durch ihre Medienplattformen iTunes und Appstore durch die Erzeugnisse von Softwareherstellern, Musikern und Filmstudios. Den Umsatzanteil durch Macintosh betrug im ersten Quartal 2014 nur rund 11%. Dieser Wandel im Geschäftsmodell wurde 2007 durch eine Namensänderung von Apple Computer zu Apple dokumentiert.
Die Branchenregeln aufheben
Eine Chance zum Wachstum in einem reifen Markt liegt darin, eine von allen Marktteilnehmern geglaubte „Regel“ zu brechen, um einen neuen Kundennutzen oder eine neue Business-Architektur zu erhalten. Wem dies als Erster gelingt, genießt die First Mover-Vorteile und – zumindest vorübergehend – ein Monopol. Dieser Vorgehensweise wurde seit dem Erscheinen des Buches Blue Ocean Strategy von W. Chan Kim und Reneé Mauborgne im Jahr 2005 viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Paradebeispiel von Kim und Mauborgne für das Brechen der Branchenregeln ist der kanadische Zirkus Cirque du Soleil. Indem er auf traditionelle Elemente des Zirkus wie Tiere verzichtete und der Vorstellung Aspekte einer Oper- oder Theaterdarbietung gab, wurde ein völlig neue Art von Unterhaltung geboren, die auch für neue Zielgruppen attraktiv war. Inzwischen ist Cirque du Soleil ein multinationales Unternehmen mit etwa 4000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von mehr als 800 Millionen US-Dollar.
Beispiel: IKEA
Die Titelgrafik zeigt eine Parallelkoordinatendiagramm, in dem das Geschäftsmodell von IKEA den traditionellen „Regeln“ der Möbelbranche gegenübergestellt sind. (Seit Blue Ocean wird dieses Diagramm oft Strategy Canvas genannt.) Es sind die folgenden sieben Koordinatenachsen eingetragen:
- Brand: IKEA ist eine Marke mit einer starken Präsenz, die ein klares Bild im Kopf des Verbrauchers erzeugt. Selbst jetzt, mehr als 50 Jahre nach der Eröffnung des ersten Möbelhauses, gibt es keine vergleichbare Marke in der Branche.
- Auswahl: Während traditionelle Möbelhäuser nur ein relativ kleines Angebot hatten, bot IKEA eine Vielzahl an Alternativen bei fast allen Möbelarten an.
- Verfügbarkeit: Alle im Haus ausgestellten Waren können sofort mitgenommen werden; im traditionellen Möbelhandel musste man 6 Wochen oder länger auf die Anfertigung der bestellten Stücke warten.
- Gesamtkonzept: Der Besuch in einem IKEA-Haus ist ein Erlebnis, das sich nicht auf Warenausstellung beschränkt, sondern auch Kinderparadies, Café und schwedische Lebensmittelspezialitäten erstreckt.
- Lebensdauer: Die Haltbarkeit vieler IKEA-Produkte ist sehr gering im Vergleich zu klassischer Möbel.
- Service: IKEA bot keine Lieferung nach Hause und berühmterweise nicht einmal den Aufbau der Produkte – dies war (und ist heute noch) dem Kunden überlassen. Dieses Merkmal wurde zum Wahrzeichen von IKEA.
- Preisgünstig: Der Preis für IKEA-Möbel lag deutlich unter dem traditionell hergestellter und vertriebener Produkte.
IKEA hat also mit seinem Geschäftsmodell – zumindest in Bezug auf diese sieben Parameter – die Regeln der Branche auf den Kopf gestellt. Die blaue Linie, die IKEA im Diagramm kennzeichnet, verläuft genau entgegensetzt zu der roten Linie, die die Branche bis dahin beschreibt. Inzwischen haben andere Anbieter natürlich IKEA in manchen Punkten nachgemacht, und IKEA hat auch Änderungen vorgenommen. (Es gibt beispielsweise mittlerweile einen Lieferdienst.)
Es ist heute schwer nachvollziehbar, wie radikal die Entscheidung von damals war, Tische und Schränke aus flachen Komponenten zu bauen, die im sogenannten Flatpack verpackt extrem platzsparend transportiert und gelagert werden konnten. Die ermöglichte Effizienzen in der Logistik, die mit aufgebauten Möbelstücken nicht zu erreichen waren. Die so entstandene Kostenersparnis konnte an den Kunden weitergegeben werden. Auf einmal wurde Möbel für junge Menschen erschwinglich, und der Selbstaufbau zu einem Symbol des Unabhängigwerdens vom Elternhaus. So ist aus einem Ein-Mann-Unternehmen ein Konzern mit mehr als 28 Milliarden Euro Umsatz im Jahr geworden.
Anwendung
Eine Geschäftsmodellinnovation erfolgreich durchzuziehen, die nicht nur die eigene Organisation, sondern auch die Regeln der Branche auf den Kopf zu stellen, ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Dazu bildet ein Unternehmen ein Projektteam, das in mehrmonatiger Arbeit die Regeln des eigenen Marktes analysiert und geeignete Kandidaten ausfindig macht. Es werden auch Innovationsworkshops durchgeführt, um einen größeren Kreis von Mitarbeitern, externe Experten oder Kunden in den Prozess zu integrieren.
Drehbuch und Moderation solcher Workshops sind sehr anspruchsvoll, und es werden gute Werkzeuge (wie den oben gezeigten Strategy Canvas) benötigt. Der Moderator muss erfahren sein, um die unbewussten Annahmen der Teilnehmer zu erkennen und mit entsprechenden Beiträgen in Frage zu stellen. Demzufolge kommen Provokationen sehr oft zum Einsatz.
Viele erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen waren zum Zeitpunkt ihrer Einführung radikale Brüche mit dem Gewohnten. Es lohnt sich, sich darüber bewusst zu machen, wie die Vorschläge damals gewirkt haben müssen:
- Wir bauen die Möbel gar nicht auf (IKEA).
- Man kann ohne Geld einkaufen (Kreditkarte).
- Der Kunde muss die Ware selbst aus dem Regal holen (Supermarkt).
- Wir verkaufen nicht mehr Flugzeugtriebwerke, sondern Schubstunden (Rolls Royce).
- Unsere Kunden stellen die Bausätze zusammen, die wir verkaufen (LEGO).
- Anstatt wie bisher Rechner zu bauen, zu denen es gelegentlich auch eine Dienstleistung gab, wollen wir in Zukunft IT-Dienstleistungen anbieten, zu denen hin und wieder auch Rechnerhardware gehören könnte (IBM).
Diese Übung hilft, Mut zu „Regelverstößen“ im eigenen Umfeld zu machen.
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Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation
von Graham Horton

Geschäftsmodell-Ideen durch Vorbilder
Die Mr. X-Technik ist eine einfache Methode, um Ideen zu finden. Sie nutzt fremde Personen oder Organisationen als Perspektivwechsel, die entweder rein zufällig gewählt werden oder einen gewissen Vorbildcharakter für die Aufgabenstellung haben.
Aus diesem Grund eignet sich die Methode, um Ideen für ein Geschäftsmodell zu finden, denn es liegt bei der Suche nach Ideen für ein Geschäftsmodell nahe, zu betrachten, welche Lösungen andere Unternehmen bereits erfolgreich verwirklicht haben.
In diesem Artikel stellen wir mit dem „IBMisieren“ eine besondere Inszenierung der Mr. X-Technik vor, die sich für den Einsatz im Innovationsworkshop anbietet.
Das Geschäftsmodell ‚IBMisieren‘
Voraussetzung für die Durchführung der Methode ist eine vorbereitete Liste von Unternehmen mit erfolgreichen Geschäftsmodellen. Die Wortwolke in der Titelgrafik enthält beispielweise die folgenden Namen:
- IBM
- Sixt
- Uber
- eBay
- Apple
- Virgin
- Zynga
- Cartier
- Disney
- Google
- Kilenda
- Amazon
- De Beers
- Vodafone
- McKinsey
- Salesforce
- McDonalds
- Volkswagen
- Tupperware
- Y Combinator
- Commerzbank
- Rocket Internet
- Deutsche Bahn
- Deutsche Börse
- General Electric
- Bayern München
Die Perspektivwechsel haben dann alle den gleichen Aufbau: Wie könnten wir unser Geschäftsmodell IBMisieren?
Es sind natürlich viele weitere Unternehmen auch möglich. Wichtig ist aber, dass ihre Geschäftsmodelle den Workshop-Teilnehmern bekannt sind.
Beispiele
- Perspektivwechsel: Wie könnten wir unser Geschäftsmodell tupperwareisieren?
Rohidee: Ausgewählte Kunden als Vertriebspartner gewinnen.
- Perspektivwechsel: Wie könnten wir unser Geschäftsmodell mcdonaldisieren?
Rohidee: Marketing-Partnerschaften mit anderen Unternehmen nutzen.
- Perspektivwechsel: Wie könnten wir unser Geschäftsmodell kilendaisieren?
Rohidee: Das wirtschaftliche Potential von Produkten heben, deren Nutzungsdauer kürzer ist, als ihre Lebensdauer.
- Perspektivwechsel: Wie könnten wir unser Geschäftsmodell commerzbankisieren?
Rohidee: Wir bieten unseren Kunden die Finanzierung des Kaufs unserer Produkte an.
Varianten
Die Technik funktioniert gut in internationalen Workshops, weil bekanntlich gilt: In English, every word can be verbed. Auf Deutsch darf aber nicht jedes Wort „geverbt“ werden, sodass eine gewisse Verspieltheit bei den Teilnehmern erforderlich ist.
Wem die Verbisierung von Unternehmensnamen nicht gefällt, kann auf konservativere Formulierungen ausweichen, zum Beispiel:
- Was könnten wir vom Geschäftsmodell von Bayern München lernen?
- Was würde McDonalds an unserem Geschäftsmodell ändern?
Neben den Eigennamen von Unternehmen können auch Industrien, Unternehmensarten, Produktgattungen oder Berufe eingesetzt werden, zum Beispiel:
- Wie könnten wir unser Geschäftsmodell bergwerkisieren?
- Wie könnten wir unser Geschäftsmodell kinoisieren?
- Wie könnten wir unser Geschäftsmodell werkzeugkastenisieren?
- Wie könnten wir unser Geschäftsmodell feuerwehrmannisieren?
Nach unserer Erahrung freuen sich kreativ veranlagte Workshop-Teilnehmer über solche Anregungen, was natürlich für die Ideenfindung sehr förderlich ist. Die konservativeren Formulierungen betrachten wir nur als Rückfallposition.
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Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation
Kompaktwissen Ideenfindung
Wortwolke erstellt bei wordle.net
von Graham Horton

Workshops für die Geschäftsmodellierung
Innovationsworkshops sind im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ein hilfreiches Werkzeug. Da die Geschäftsmodellierung nicht immer jedem Teilnehmer geläufig ist, es oft hilfreich, sie zunächst an das Konzept heranzuführen. Dafür setzen wir gern eine spielerische Übung ein, die schnell die wichtigsten Elemente des Geschäftsmodells vorstellt und zudem noch Spaß macht.
Das Kuhspiel
Zunächst wird den Teilnehmern der Aufbau eines Geschäftsmodells erklärt. Für Standardsituationen verwenden wir dafür die Business Model Canvas. Danach werden sie in Teams eingeteilt, und der Moderator schenkt jedem Team eine Kuh. Dann haben die Teams 15 Minuten Zeit, um so viele Geschäftsmodelle wie möglich zu entwickeln, die eine Kuh als Kernressource verwenden. Danach werden die lustigsten Lösungen in der Gruppe vorgestellt. Die Übung funktioniert deswegen gut, weil viele der entwickelten Modelle absurd sind.
Beispiele
- Die Kuh wird an den Schlachthof verkauft. Es gibt einen einmaligen Verkaufserlös.
- Milch wird als Produkt verkauft. Der Kunde ist eine Bauernkooperative. Es muss eine Magd eingestellt werden, um die Kuh zu melken. Es gibt tägliche Erlöse aus dem Verkauf der Milch. Kosten sind Lohn für die Magd und Futter für die Kuh. Werteversprechen sind gesunde Ernährung und Naturbelassenheit.
- Die Kuh wird an eine Streichelfarm für Stadtkinder vermietet. Es gibt monatliche Mieterlöse. Kosten gibt es keine.
- Es werden Reitstunden auf der Kuh gegeben. Kunden sind Grundschulen in der Region.
- Die Kuh wird als „Rasenmäher“ vermietet. Kunden sind Hausbesitzer in der selben Stadt. Wertversprechen ist ein gutes Gefühl durch ökologische Korrektheit. Erlöse werden in „gemähten“ Quadratmetern berechnet. Als weitere Ressource wird ein Junge gebraucht, der die Kuh zum Einsatzort und wieder zurück führt.
(Natürlich kann jedes beliebige Objekt ansteller der Kuh verwendet werden. Einzige Bedingung ist, dass (mit ein bisschen Fantasie) viele verschiedene Geschäftsmodelle daraus gemacht werden können.)
Bildquelle: openclipart.org
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Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation
von Graham Horton

Die Struktur eines Geschäftsmodells
Ein Geschäftsmodell zeigt, wie wichtige Komponenten des Unternehmens zusammenspielen, um Werte zu schaffen und aus dieser Wertschöpfung Gewinne zu erzielen. Es dient als Blaupause bei einer Unternehmensgründung und als Gestaltungswerkzeug bei der Unternehmensentwicklung.
Es gibt viele verschiedene Vorschläge zur Beschreibung von Geschäftsmodellen; Die meisten von ihnen habe die Form einer Schablone. Die Titelgraphik zeigt eine Geschäftsmodellschablone, die wir in unseren Innovationsworkshops verwenden. Dieses Modell umfasst neun Komponenten und ist eine Synthese aus mehreren Vorschlägen, insbesondere des Business Model Canvas von Alex Osterwalder. Die neun Komponenten sind:
- Das Angebot, also das Produkt des Unternehmens (in diesem Modell werden Dienstleistungen als Produkte behandelt),
- Die Wert schaffenden Aktivitäten, die im Unternehmen betrieben werden, um das Produkt bereitstellen zu können,
- Die Zielgruppe, an die das Angebot vermarktet wird,
- Die Kundenschnittstelle beschreibt die Känale, durch die das Unternehmen Kontakt mit seiner Zielgruppe aufnimmt und unterhält. Hierzu gehören u.a. die Werbestrategie, Vertriebsstruktur, und Maßnahmen zur Kundenpflege,
- Die Kostenstruktur beschreibt die unterschiedlichen Kostenarten, die bei der Bereitstellung und Vermarktung des Angebotes anfallen, beispielsweise Lizenzgebühren, Rohstoffeinkauf und Gehälter,
- Die Erlösestruktur gibt an, auf welchen Wegen das Unternehmen Erlöse einnimmt, z.B. durch Produktverkauf, Mitgliedsgebühren oder Vermittlungsprovisionen,
- Die Kernressourcen sind die wesentlichen und charakteristischen Elemente, die die Voraussetzung für die Wertschöpfung bilden. Hierzu gehören Monopolstellungen, gesetzliche Zulassungen und Kernkompetenzen,
- Das Wertenetzwerk umfasst die externen Partner, mit denen gemeinsam das Angebot hergestellt und vermarktet wird, u.a. Lieferanten, Vertriebspartner und Anbieter komplementärer Produkte,
- Die Wettbewerbsstrategie beschreibt, wie sich das Unternehmen im Wettbewerb positioniert, z.B. in Bezug auf ihre Technologiestrategie, die Differenzierungsmerkmale ihrer Produkte oder ihr Image.
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