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Wachstumsorientierte Geschäftsmodellinnovation

In reifen Märkten ist Wachstum allein durch inkrementelle Produktinnovation kaum noch möglich. Hier erfüllen Verbesserungen am Produkt hauptsächlich die defensive Funktion, die Commoditisierung abzuwenden. Um offensive Ziele wie Wachstum oder Diversifizierung zu erreichen, sind oft Änderungen am gesamten Geschäftsmodell erforderlich.

Eines der derzeit bekanntesten Beispiele für eine solche Geschäftsmodellinnovation ist Apple, die sich von einem Nischenhersteller von Rechnern zu einem Marktführer in persönlichen Medien gewandelt hat. Apple bietet heute nicht nur ihren Rechner Macintosh an, sondern auch iPod, iPhone und iPad. Zusätzlich verdient Apple durch ihre Medienplattformen iTunes und Appstore durch die Erzeugnisse von Softwareherstellern, Musikern und Filmstudios. Den Umsatzanteil durch Macintosh betrug im ersten Quartal 2014 nur rund 11%. Dieser Wandel im Geschäftsmodell wurde 2007 durch eine Namensänderung von Apple Computer zu Apple dokumentiert.

Die Branchenregeln aufheben

Eine Chance zum Wachstum in einem reifen Markt liegt darin, eine von allen Marktteilnehmern geglaubte „Regel“ zu brechen, um einen neuen Kundennutzen oder eine neue Business-Architektur zu erhalten. Wem dies als Erster gelingt, genießt die First Mover-Vorteile und – zumindest vorübergehend – ein Monopol. Dieser Vorgehensweise wurde seit dem Erscheinen des Buches Blue Ocean Strategy von W. Chan Kim und Reneé Mauborgne im Jahr 2005 viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Das Paradebeispiel von Kim und Mauborgne für das Brechen der Branchenregeln ist der kanadische Zirkus Cirque du Soleil. Indem er auf traditionelle Elemente des Zirkus wie Tiere verzichtete und der Vorstellung Aspekte einer Oper- oder Theaterdarbietung gab, wurde ein völlig neue Art von Unterhaltung geboren, die auch für neue Zielgruppen attraktiv war. Inzwischen ist Cirque du Soleil ein multinationales Unternehmen mit etwa 4000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von mehr als 800 Millionen US-Dollar.

Beispiel: IKEA

Die Titelgrafik zeigt eine Parallelkoordinatendiagramm, in dem das Geschäftsmodell von IKEA den traditionellen „Regeln“ der Möbelbranche gegenübergestellt sind. (Seit Blue Ocean wird dieses Diagramm oft Strategy Canvas genannt.) Es sind die folgenden sieben Koordinatenachsen eingetragen:

  1. Brand: IKEA ist eine Marke mit einer starken Präsenz, die ein klares Bild im Kopf des Verbrauchers erzeugt. Selbst jetzt, mehr als 50 Jahre nach der Eröffnung des ersten Möbelhauses, gibt es keine vergleichbare Marke in der Branche.
  2. Auswahl: Während traditionelle Möbelhäuser nur ein relativ kleines Angebot hatten, bot IKEA eine Vielzahl an Alternativen bei fast allen Möbelarten an.
  3. Verfügbarkeit: Alle im Haus ausgestellten Waren können sofort mitgenommen werden; im traditionellen Möbelhandel musste man 6 Wochen oder länger auf die Anfertigung der bestellten Stücke warten.
  4. Gesamtkonzept: Der Besuch in einem IKEA-Haus ist ein Erlebnis, das sich nicht auf Warenausstellung beschränkt, sondern auch Kinderparadies, Café und schwedische Lebensmittelspezialitäten erstreckt.
  5. Lebensdauer: Die Haltbarkeit vieler IKEA-Produkte ist sehr gering im Vergleich zu klassischer Möbel.
  6. Service: IKEA bot keine Lieferung nach Hause und berühmterweise nicht einmal den Aufbau der Produkte – dies war (und ist heute noch) dem Kunden überlassen. Dieses Merkmal wurde zum Wahrzeichen von IKEA.
  7. Preisgünstig: Der Preis für IKEA-Möbel lag deutlich unter dem traditionell hergestellter und vertriebener Produkte.

IKEA hat also mit seinem Geschäftsmodell – zumindest in Bezug auf diese sieben Parameter – die Regeln der Branche auf den Kopf gestellt. Die blaue Linie, die IKEA im Diagramm kennzeichnet, verläuft genau entgegensetzt zu der roten Linie, die die Branche bis dahin beschreibt. Inzwischen haben andere Anbieter natürlich IKEA in manchen Punkten nachgemacht, und IKEA hat auch Änderungen vorgenommen. (Es gibt beispielsweise mittlerweile einen Lieferdienst.)

Es ist heute schwer nachvollziehbar, wie radikal die Entscheidung von damals war, Tische und Schränke aus flachen Komponenten zu bauen, die im sogenannten Flatpack verpackt extrem platzsparend transportiert und gelagert werden konnten. Die ermöglichte Effizienzen in der Logistik, die mit aufgebauten Möbelstücken nicht zu erreichen waren. Die so entstandene Kostenersparnis konnte an den Kunden weitergegeben werden. Auf einmal wurde Möbel für junge Menschen erschwinglich, und der Selbstaufbau zu einem Symbol des Unabhängigwerdens vom Elternhaus. So ist aus einem Ein-Mann-Unternehmen ein Konzern mit mehr als 28 Milliarden Euro Umsatz im Jahr geworden.

Anwendung

Eine Geschäftsmodellinnovation erfolgreich durchzuziehen, die nicht nur die eigene Organisation, sondern auch die Regeln der Branche auf den Kopf zu stellen, ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Dazu bildet ein Unternehmen ein Projektteam, das in mehrmonatiger Arbeit die Regeln des eigenen Marktes analysiert und geeignete Kandidaten ausfindig macht. Es werden auch Innovationsworkshops durchgeführt, um einen größeren Kreis von Mitarbeitern, externe Experten oder Kunden in den Prozess zu integrieren.

Drehbuch und Moderation solcher Workshops sind sehr anspruchsvoll, und es werden gute Werkzeuge (wie den oben gezeigten Strategy Canvas) benötigt. Der Moderator muss erfahren sein, um die unbewussten Annahmen der Teilnehmer zu erkennen und mit entsprechenden Beiträgen in Frage zu stellen. Demzufolge kommen Provokationen sehr oft zum Einsatz.

Viele erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen waren zum Zeitpunkt ihrer Einführung radikale Brüche mit dem Gewohnten. Es lohnt sich, sich darüber bewusst zu machen, wie die Vorschläge damals gewirkt haben müssen:

  • Wir bauen die Möbel gar nicht auf (IKEA).
  • Man kann ohne Geld einkaufen (Kreditkarte).
  • Der Kunde muss die Ware selbst aus dem Regal holen (Supermarkt).
  • Wir verkaufen nicht mehr Flugzeugtriebwerke, sondern Schubstunden (Rolls Royce).
  • Unsere Kunden stellen die Bausätze zusammen, die wir verkaufen (LEGO).
  • Anstatt wie bisher Rechner zu bauen, zu denen es gelegentlich auch eine Dienstleistung gab, wollen wir in Zukunft IT-Dienstleistungen anbieten, zu denen hin und wieder auch Rechnerhardware gehören könnte (IBM).

Diese Übung hilft, Mut zu „Regelverstößen“ im eigenen Umfeld zu machen.

Links

Kompaktwissen Geschäftsmodellinnovation

 

Zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2015 von Graham Horton

 


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