von Graham Horton

Was heißt, Ideen bewerten?
Am Anfang des Innovationsprozesses entstehen Ideen aus vielen Quellen, z.B. aus dem Ideenmanagement oder als Ergebnis eines Innovationsworkshops. Im kleineren Kontext entstehen Ideen auch als Output eines Ideenworkshops. Typischerweise werden Dutzende oder sogar Hunderte von Ideen produziert, von denen nur einige wenige, oder vielleicht nur eine einzige verwirklicht werden soll.
Damit die besten Ideen ausgewählt werden, müssen sie vorher bewertet werden, denn eine gute Auswahl setzt eine treffende Bewertung voraus. Ideen zu bewerten heißt also eigentlich zwei getrennte Aufgaben zu haben: die Zuordnung einer Wertung zu den Ideen und die Auswahl der Siegerideen. (Im Idea Engineering legen wir auch großen Wert auf diese Unterscheidung!) Da aber diese beiden Schritte oft vermischt werden und im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Ideenbewertung“ häufig auch für die Ideenauswahl verwendet wird, werden wir hier beides betrachten.
Das Ziel der Ideenbewertung
Das Ziel der Ideenbewertung ist, eine Entscheidung zu ermöglichen, was mit dieser Idee passieren soll. Diese Entscheidung kann zum Beispiel sein: verwerfen, sofort implementieren, weiter untersuchen, oder halten bis zu einem späteren Zeitpunkt.
Im landläufigen Sinn bedeutet Ideen bewerten, in einer Menge von Ideen diejenigen auszuwählen, die weiter betrachtet bzw. verworfen werden sollen.
Eine Ideenbewertung ist gut, wenn sie weder Annahmefehler noch Ablehnungsfehler macht. Dieses Ziel kann jedoch in der Praxis kaum erreicht werden. Unser Vier T-Modell hilft, Bewertungsfehler zu verstehen.
Voraussetzungen für die Ideenbewertung
Die Voraussetzung dafür, dass eine Ideenbewertung sinnvoll durchgeführt werden kann, ist, dass Ziele, Randbedingungen und Erfolgskriterien für die Ideen bekannt sind. Erst dann kann der Wert einer Idee sinnvoll ermittelt werden.
Einer der häufigsten Fehler in der Ideenproduktion ist, diese Voraussetzung nicht zu erbringen. Das Ergebnis ist, dass die Bewertung schwierig ist und die Ergebnisse kontrovers sind.
Schwierigkeiten bei der Ideenbewertung
Äpfel und Birnen
Bei der Ideenproduktion fallen immer Ideen an, die dem Hauptziel des Innovationsworkshops nicht entsprechen. Diese Ideen dürfen nicht zur Bewertung zugelassen werden, weil es dann zu Schwierigkeiten kommt, weil Ideen, die unterschiedlichen Zielen dienen miteinander verglichen werden. Dies nennen wir das Äpfel-und-Birnen-Problem. Das Drehbuch muss vorsehen, dass solche Ideen aus dem Hauptprozess herausgetrennt und separat behandelt werden.
Versteckte Profile
Bei der Bewertung von Ideen ist die Gefahr von versteckten Profilen sehr groß. Dies kann in einer Gruppe zu falschen Bewertungsergebnissen führen. Ähnlich verhält es sich mit falschem Konsens und falschem Dissens, die irreführende Bewertungsergebnisse verursachen können.
Psychologische Effekte
Psychologische Effekte spielen eine große Rolle bei der Ideenbewertung. Viele Menschen neigen dazu, Ideen spontan abzulehnen, die nicht zu ihrem Weltbild passen. Dies erkennt man an den so genannten Killerphrasen wie Das würde niemals funktionieren! Polarisierte Bewertungen sind ein guter Hinweis auf innovative Ideen und verdienen besondere Aufmerksamkeit. Nicht nur Individuen, sondern auch die Organisation selbst kann so auf innovative Ideen reagieren. Dies führt dazu, dass der Innovationsprozess häufig die mittelmäßigen Ideen bevorzugt.
Rein praktische Schwierigkeiten entstehen durch die schiere Anzahl zu bewertender Ideen. Sich mit vielen Ideen auseinanderzusetzen ist für Workshop-Teilnehmer schnell ermüdend, und bei schlecht ausgestatteten Workshop-Räumen kann schnell ein Platzmangel entstehen.
Annahmen und Schätzungen
Oft beruht die Ideenbewertung zwangsläufig auf Annahmen oder Schätzungen. Beispiele sind die Marktgröße für eine neue Dienstleistung oder das Weiterbestehen der Verfügbarkeit einer bestimmten Ressource.
Interpretationsspielraum und Meinungsunterschiede
Fast jedes Bewertungskriterium bietet Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Kriterien sind oft nicht messbar (Der Markt muss ausreichend attraktiv sein) oder sind sehr subjektiv (Die Idee muss zum Image des Unternehmens passen.) Durch diesen Interpretationsspielraum kommt es zu Unterschieden im Urteil der einzelnen Bewerter. Um zu einem Gesamtergebnis zu kommen, müssen diese Unterschiede jedoch zusammengeführt werden.
Dies kann durch eine Diskussion erfolgen, bei der eine Einigung angestrebt wird. Dies kann jedoch sehr zeitraubend sein, ohne dass es eine Erfolgsgarantie gibt. Wenn viele Ideen zu bewerten sind, ist dieser Ansatz ausgeschlossen.
Es gibt Situationen, in denen schon die Reihenfolge der Abfrage der Meinungen der Experten zum falschen Bewertungsergebnis führen kann. Dieses Bewertungsparadox entsteht, wenn unterschiedliche Meinungen vorliegen, die unterschiedliche aggregierte Meinungen erlauben.
Bei quantitativen Bewertungen kann der Mittelwert der einzelnen Urteile gebildet werden. Allerdings kann dadurch wichtige Information über eine Idee verloren gehen. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Experte wichtige und relevante Kenntnisse hat, die aber nicht zum Tragen kommen, wenn seine Bewertung im Mittelwert verschwindet.
Fast immer wird das arithmetische Mittel verwendet, um die unterschiedlichen Punktbewertungen zu aggregieren. Es ist aber leicht, zu zeigen, dass dies nicht zu einem mehrheitsfähigen Ergebnis führt. Besser ist es, den Median statt des arithmetischen Mittels zu verwenden.
Bei moderierten Workshops wird oft das einfache Punktekleben verwendet. Diese Methode hat den inhaltlichen Nachteil, dass sie unterschiedliche Kriterien nicht einzeln abbilden kann und den psychologischen Nachteil, dass die Bewerter durch die Punkte anderer in ihrem Urteil beeinflusst werden können. Zephram setzt das Punktekleben in Innovationsworkshops nie ein.
Aggregation über Kriterien hinweg
Um eine Gesamtbewertung zu erhalten, müssen die einzelnen Bewertungsergebnisse bezüglich der einzelnen Kriterien aggregiert werden.
Am einfachsten ist es, einen Mittelwert über alle Kriterien zu bilden. Dies entspricht der Praxis in der Schule, wo die Note 1,0 in Mathematik und die Note 3,0 in Deutsch zusammen die Note 2,0 ergeben. Das Problem hierbei ist, dass man dadurch den Mathegenie übersieht.
Die Nutzwertanalyse schert ebenfalls alle Kritierien über einen Kamm. Diese Eigenschaft ist für eine Ideenauswahl nicht angemessen: Ein Haus mit einem undichten Dach und einem herausragenden Keller ist nicht mittelmäßig gut.
Die AHP-Methode ist ein komplexes mathematisches Verfahren, das mehrere Ideen und Kriterien zugleich berücksichtigen kann. Dieses Verfahren hat aber ein unnatürliches Verhalten, was seinen Einsatz nach unserer Auffassung verbietet. Es ist zum Beispiel gezeigt worden, dass das nachträgliche Hinzufügen einer weiteren Alternative eine bereits berechnete Bewertung verändern kann.
Allgemeine Methoden zur Ideenbewertung und -auswahl
Outranking
Das Outranking ist eine einfache Methode, mit der man aus einer Menge von Ideen viele der Nicht-Sieger identifizieren kann. Dadurch wird die Menge der übrig gebliebenen Ideen erheblich verkleinert.
Paarvergleiche
Paarvergleiche können dafür verwendet werden, um ein Ranking unter einer Menge von Ideen zu ermitteln. Die Paarvergleichsmatrix ist eine einfache Möglichkeit hierfür.
Nutzwertanalyse
Die Nutzwertanalyse wird oft von Unternehmen in ihren Innovationsprozessen eingebaut. Sie hat zwar den Vorteil, mehrere Bewertungskriterien berücksichtigen zu können, hat aber eine Reihe von Nachteilen, die leicht zu falschen Bewertungsergebnissen führen können.
SWOT-Analyse
Die SWOT-Analyse ist eine etwas aufwendigere, aber beliebte qualitative Methode, eine einzelne Idee zu bewerten. Diese Technik betrachtet eine Idee aus den vier Perspektiven Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen. Sie wird eingesetzt, wenn nur wenige Ideen zu bearbeiten sind.
Die lexikographische Methode
Lexikographische Techniken sind wenig bekannte, aber sehr nützliche Methoden zur Auswahl von Ideen. Sie setzen voraus, dass die Bewertung bereits erfolgt ist. Das Verfahren eignet sich dafür, entweder nur die Siegeridee(n) zu ermitteln oder aber auch, um ein vollständiges Ranking aller Ideen zu erhalten.
Bewertungsmethoden für Geschäftsideen und Geschäftsmodelle
Die perfekte Startup-Geschäftsidee
Diese kurze und einfach anzuwendende Checkliste beschreibt die perfekte Geschäftsidee für ein Startup. Sie eignet sich sehr gut, um am Anfang des Bewertungsprozesses die attraktivsten Ideen aus einer Menge schnell zu identifizieren.
Checkliste zur Bewertung von Produktideen
Eine umfassende Bewertung von Produktideen muss die Kunden-, Markt- und Implementierungsperspektiven berücksichtigen. Diese Checklisten enthalten viele der wichtigsten Fragen aus diesen drei Themenbereichen.
Expected Commercial Value
In späteren Phasen des Innovationsprozesses wird eine quantitative Ideenbewertung benötigt, um die wirtschaftliche Attraktivität von Ideen zu ermitteln. Eine gängige Methode, die die Erfolgswahrscheinlichkeiten der verschiedenen Prozessphasen berücksichtigt, ist der Expected Commercial Value.
Die PERFECT-Checkliste
Bei Geschäftsideen muss man prüfen, ob ein entsprechender Kundennutzen gegeben ist; dazu haben wir eine Checkliste mit dem Akronym PERFECT entwickelt.
Das Kano-Modell
Eine weitere, weit verbreitete Methode, die ebenfalls den Kunden im Fokus hat, ist das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit.
Die KERNWEG-Checkliste
Geschäftsmodelle bilden die Grundlage für neu gegründete Unternehmen; um eine gute Erfolgschance zu haben, müssen sie eine Reihe von Kriterien erfüllen. Diese Kriterien fassen wir in unserer KERNWEG-Checkliste zusammen.
Die VALUEPROP-Checkliste
Kern eines Geschäftsmodells ist das Wertversprechen an den Kunden. Ein falsch gewähltes oder ungünstig formuliertes Wertversprechen bedeutet fast automatisch den Misserfolg eines neuen Produktes am Markt. Mit dieser Checkliste für die Bewertung von Wertversprechen werden die wichtigsten Kriterien geprüft.
Klassische Ideenbewertungsmethoden
Es gibt viele Webseiten und Bücher, die traditionelle Methoden zur Ideenbewertung empfehlen und Seminare, die diese Methoden unterrichten. Diese Methoden stammen aus dem Bereich der Kreativitäts- und Moderationstechniken. Zu den beliebtesten davon gehören das Punktekleben, das Rosinenpicken, die Disneymethode, Pro und Kontra und Plus-Minus-Interessant. Diese sind aber für die Anwendung im Innovationsprozess nicht geeignet, weil sie viel zu wenig auf die spezifischen Aufgabenanforderungen Rücksicht nehmen.
Die Wissenschaft hat eine Fülle von Methoden entwickelt, um eine Auswahl aus einer Menge von Alternativen zu treffen. Diese haben fast alle den Nachteil, dass sie aufwendig und schwer verständlich sind. Viele von ihnen brauchen einen Computer, um die entsprechenden Berechnungen durchzuführen. Das bekannteste Verfahren dieser Art ist die AHP-Methode, die auf Verfahren der linearen Algebra basiert.
Artikel über Ideenbewertung in unserem Blog
Unser Blog hat eine eigene Kategorie zum Thema Ideenbewertung mit derzeit mehr als 50 Beiträgen. Sie erreichen alle Artikel zu diesem Thema, indem Sie in der Spalte rechts im Abschitt Blog-Kategorien auf den entsprechenden Link klicken.
Bemerkung
Wir haben den Wikipedia-Artikel über Ideenbewertung auf der Grundlage dieses Artikels sowie einiger der verlinkten Beiträge geschrieben.
von Graham Horton

Ideenbewertung in der Gruppe
Ideen werden fast immer von Gruppen bewertet. Entweder am Ende eines Innovationsworkshops oder in einem dedizierten Bewertungsworkshop sitzen Experten zusammen, um gemeinsam aus einer Menge von Ideen die besten zu identifizieren.
Entgegen der Erwartung vieler Kunden ist die Bewertung von Ideen viel schwieriger als das Generieren. Viele der Schwierigkeiten der Ideenbewertung entstehen, weil eine Gruppe beteiligt ist.
Es ist fast unvermeidlich, dass es in einer Gruppe zu abweichenden Urteilen der Gruppenmitglieder kommt. Eine Ursache dafür sind die versteckten Profile – unterschiedliche Vorstellungen von der selben Sache. Der Moderator oder Innovationsmanager hat dann das Problem, dass er die verschiedenen Urteile zusammenführen muss, um zu einem Gesamturteil zu kommen. selbst bei dieser scheinbar sehr einfachen Aufgabe kann man schwerwiegende Fehler machen, zum Beispiel indem man die Urteile in der falschen Reihenfolge aggregiert.
In diesem Artikel beschreiben wir einen subtilen Fehler der Gruppenideenbewertung, der sehr häufig begangen wird. Das Argument ist zwar theoretisch, hat aber unmittelbare praktische Konsequenzen. Die Erkenntnis ist im Rahmen unserer Idea Engineering-Forschung mit der Universität Magdeburg zusammen entstanden.
Aggregation von Urteilen bei der Gruppenideenbewertung
Fast immer wird für die Bewertung von Ideen eine Art von Punktevergabe verwendet. Im Innovationsmanagement wird beispielsweise die Nutzwertanalyse gerne eingesetzt, bei der den Ideen Punkte auf einer Skala von 1 bis 5 oder 1 bis 10 gegeben werden.
In einer Gruppe hat der Moderator zwei Möglichkeiten: entweder die Gruppe einigt sich auf die Punkte, die vergeben werden, oder die Mitglieder vergeben ihre Punkte alleine, und sie werden dann hinterher rechnerisch zusammengeführt. Findet die Bewertung räumlich oder zeitlich getrennt statt, bleibt nur die zweite Option.
Mittelwert und Median
Um verschiedene Punktzahlen zu einem Gesamturteil zusammenzuführen greifen die meisten Menschen zum (arithmetischen) Mittelwert (engl.: Mean). In der Titelgrafik zeigen wir ein Beispiel mit den fünf Experten A, B, C, D und E, die eine Idee mit 1, 1, 2, 5 bzw. 5 Punkten bewertet haben. Das arithmetische Mittel dieser fünf Bewertungen ist (1+2+2+5+5)/5 = 3.
Eine Alternative zum Mittelwert ist der Median. Der Median einer Menge von Zahlen ist definiert als diejenige, die in der Mitte steht, wenn alle Zahlen der Größe nach aufgereiht werden. Der Median der fünf Expertenbewertungen 1, 2, 2, 5, 5 in der Titelgrafik ist demzufolge die 2.
Das Argument für den Median
Wie zeigen nun ein theoretisches Argument, das gegen die Verwendung des arithmetischen Mittelwertes und für den Median spricht.
Ein Ziel der Gruppenideenbewertung ist, unter den Teilnehmern Konsens über das Endergebnis zu erzielen. Wir können den Konsens prüfen, indem wir in einem Gedankenexperiment eine Wahl durchführen, bei der jedes Einzelurteil jedem anderen Einzelurteil gegenübergestellt wird und die Experten darüber abstimmen, welchem Einzelurteil sie den Vorzug geben. Das Einzelurteil, das auf diese Weise die meisten Stimmen erhält, ist dann das aggregierte Gruppenergebnis.
Man kann relativ leicht mathematisch beweisen, dass der Median von allen Einzelurteilen dasjenige ist, das diese Wahl immer gewinnt. Es gibt zwar Fälle, in denen das arithmetische Mittel mit dem Median übereinstimmt und damit auch zum Mehrheitsergebnis führt, aber im allgemeinen werden die beiden Mittelwerte unterschiedlich sein.
Beispiel
Die Titelgrafik zeigt das bereits beschriebene Beispiel mit den fünf Bewertungen 1, 2, 2, 5 und 5, mit arithmetischem Mittel 3 und Median 2.
Die Tabelle zeigt die Stimmen für jeden paarweisen Vergleich. Wir lesen zum Beispiel als Antwort auf die Frage Wie viele Experten ziehen den Wert 2 dem Wert 1 vor? die Zahl 4. Das Ergebnis kommt wie folgt zustande:
- Experte A, der mit 1 bewertet hat, zieht den Wert 2 dem Wert 1 nicht vor.
- Experte B, der mit 2 bewertet hat, zieht den Wert 2 dem Wert 1 vor.
- Experte C, der mit 2 bewertet hat, zieht den Wert 2 dem Wert 1 vor.
- Experte D, der mit 5 bewertet hat, zieht den Wert 2 dem Wert 1 vor.
- Experte E, der mit 5 bewertet hat, zieht den Wert 2 dem Wert 1 vor.
Bildet man die Zeilensummen der Tabelle, erkennt man, dass der Median 2 mit 13 die meisten Stimmen erhält. Das arithmetische Mittel 3 dagegen bekommt nur 10 Stimmen. Etwas einfacher kommt man zum gleichen Ergebnis, wenn man erkennt, dass die drei Experten mit den Bewertungen 1, 2 und 2 der Bewertung 2 den Vorzug vor der Bewertung 3 geben, auf der anderen Seite aber nur die beiden Experten mit der Bewertung 5 die 3 der 2 vorziehen.
Kommentar
Den Median zur Aggregation von Meinungen in der Gruppenideenbewertung zu verwenden ist ungewöhnlich, weil wir in so vielen ähnlichen Situationen im Leben dem arithmetischen Mittel begegnen, zum Beispiel bei der Bildung der Abiturnote aus den einzelnen Fachnoten. Wenn man im Beispiel die Werte (1, 2, 2, 5, 5) betrachtet, fühlt sich der Wert (1+2+2+5+5)/5=3 „irgendwie richtiger an“ als die 1 2 2 5 5. Nichtsdestotrotz würde die 3 in einer Abstimmung gegen die 2 unterliegen.
von Graham Horton

Ideenbewertung im Innovationsworkshop
In einem Innovationsworkshop ist der größte Fehler bei der Ideenbewertung, eine Idee zu verwerfen, die sehr erfolgreich hätte werden können – das heißt, einen (großen) Ablehnungsfehler zu machen. Ideen, die am Anfang des Innovationsprozesses verworfen werden, erhalten nämlich normalerweise keine zweite Chance – sie sind für immer verloren. Der zweite Fehler bei der Ideenbewertung, eine schlechte Idee als gut zu bewerten, ist weniger kritisch, weil das Irrtum in den späteren Phasen des Innovationsprozesses noch aufgedeckt werden kann.
Das Vier T-Modell
Um Klienten auf die Gefahr eines Ablehnungsfehlers aufmerksam zu machen, haben wir das oben abgebildete Modell entwickelt. Es ist eine Erweiterung des zweigliedrigen Diagramms von Peter Thiel.
Das Modell hat die bekannte Form einer 2×2-Matrix. Beide Dimensionen beziehen sich auf eine zu bewertende Idee; die erste heißt Appears to be (scheint zu sein), und die zweite heißt Is actually (ist tatsächlich). In beiden Richtungen heißen die zulässigen Werte bad (schlecht) und good (gut). Daraus ergeben sich vier Kombinationen für die Idee, die wir Trash, Trend, Treasure und Temptation nennen.
Trash – die einfachsten Ideen
Trash (Abfall) ist die einfachste Kategorie. Dies sind Ideen, die sowohl schlecht zu sein scheinen als auch tatsächlich schlecht sind. Diese Ideen können sofort verworfen werden.
Trend – die Zukunftsideen
Eine Idee, die sowohl tatsächlich gut sind als auch als gut bewertet werden gehört zur Kategorie Trend. Wir nennen sie deswegen so, weil es wahrscheinlich ist, dass alle Marktteilnehmer sie entdecken und für gut befinden und demzufolge auch verwirklichen werden. Sie sollte auf jeden Fall im Hinblick auf die Realisierung genau untersucht werden, aber man wird mit ihr vermutlich kein Monopol haben, sondern lediglich dem nächsten Stand der Technik entsprechen. Selbst wenn sie auf dem ersten Blick als innovativ erscheint, kann sie sich im Nachhinein als notwendige defensive Maßnahme entpuppen.
Temptation – die gefährlichen Ideen
Ideen, die gut zu sein scheinen, in Wirklichkeit aber schlecht sind, gehören in unserem Modell zur Kategorie Temptation (Versuchung). Die Versuchung ist nämlich groß, dieses Ideen anzunehmen, was sich aber später als Fehler erweisen wird. Paul Graham nennt solche Ideen Sitcom-Ideen: Sie müssen plausibel sein, damit das Fernsehpublikum mitgeht, würden aber in der Realität nicht funktionieren.
Temptation-Ideen können mit wenig Aufwand entlarvt werden, wenn sie einen eindeutigen Mangel haben, der aber auf Anhieb nicht erkannt wurde. Sie können zum Beispiel gegen ein vorgegebenes Bewertungskriterium verstoßen, oder eine Lösung ohne Problem sein.
Treasure – die besten Ideen
Die besten Geschäftsideen haben die problematische Eigenschaft, dass sie zwar gut sind, aber schlecht aussehen. Diese ist genau die Aussage von Peter Thiel mit seinem Mengendiagramm. Zu einer guten Geschäftsidee gehört, dass sie innovativ ist und – zumindest eine zeitlang – allein am Markt ist. Innovative Ideen ecken aber immer an: Sie stehen im Widerspruch zum Status Quo und sehen für viele Menschen deswegen schlecht aus. Das würde niemals funktionieren! Das wollen unsere Kunden nicht! und ähnliche Killerphrasen sind dann das Ergebnis.
Tipps
Der Moderator kann auf spielerische Weise seine Teilnehmer auf die Gefahr von Fehlern bei der Ideenbewertung hinweisen. Für Treasure-Ideen eignet sich zum Beispiel das Killerphrasen-Bingo.
Treasure-Ideen sind auch oft umstritten und erhalten eine polarisierte Bewertung, falls das Bewertungsverfahren dies zulässt. Der Moderator sollte solchen Ideen, die kontrovers diskutiert werden, besonders viel Aufmerksamkeit widmen – vor allem wenn die Diskussion einen großen Nutzen der Idee auf der einen Seite und (vermutete) Implementierungs- oder Akzeptanzschwierigkeiten auf der anderen Seite zum Vorschein bringt.
Keinesfalls sollte die Auswahl der Ideen im Workshop als endgültig betrachtet werden; die Wahrscheinlichkeit ist hoch, sowohl dass die besten Ideen nicht zu den Siegern gehören (Treasure) als auch dass es schlechte Ideen unter den Siegern gibt (Temptation).
von Graham Horton

Die fünf Wunscheigenschaften einer Geschäftsidee
Die perfekte Geschäftsidee ist die, die die größtmöglichen Erfolgschancen hat. Dafür muss sie fünf bestimmte Eigenschaften haben, die glücklicherweise leicht zu beschreiben und zu prüfen sind. Diese fünf Eigenschaften nennen wir die 5U-Prüfung; Wir setzen sie sowohl in unseren Innovationsworkshops ein, um schnell die attraktivsten Ideen zu identifizieren als auch im Startup-Coaching, damit die Gründer mit einer möglichst guten Idee starten.
Drei Arten von Kundenbedürfnis
Es gibt drei Kategorien von Geschäftsideen, die sich in der Art des Kundenbedürfnisses unterscheiden, die sie befriedigen sollen. Diese werden oft Pains, Gains und Jobs to be Done genannt.
Jobs to be Done (zu erledigende Aufgaben) sind einfach Aufgaben, die der Kunde erledigen muss. Im privaten Bereich sind das zum Beispiel Auto tanken, Wohnung aufräumen oder Wäsche waschen. Beispiele für Unternehmen sind Gebäudereinigung, Lohnbuchhaltung oder Fuhrparkverwaltung. Geschäftsideen in diesem Bereich haben den Vorteil, dass die Nachfrage danach stabil ist, aber den Nachteil, dass die Konkurrenz sehr groß ist.
Gains (Fortschritte, Zugewinne) sind Sachen, die sich der Kunde wünscht, die aber nicht notwendig sind. Beispiele dafür aus dem Konsumbereich sind Modeartikel, Unterhaltung und Luxusgüter. Bei Unternehmen sind das Betriebsausflüge oder riskante Innovationsprojekte.
Pains (Schmerzen) sind Probleme, die ein Kunde hat und lösen möchte. Beispiele aus dem privaten Bereich sind Krankheiten, Ängste oder ein Auto, das nicht anspringt. Für Unternehmen könnten das rechtliche Schwierigkeiten, der Verlust von Marktanteilen oder schrumpfende Gewinne sein.
Für ein Startup sind die besten Geschäftsideen solche, die ein Problem der Zielgruppe lösen. Hier ist die Konkurrenz am geringsten, und die Aufmerksamkeit der Zielgruppe am leichtesten zu erreichen. Dies gilt besonders für Geschäftskunden. Dementsprechend sind die fünf Eigenschaften einer Geschäftsidee in Wirklichkeit Eigenschaften des Kundenproblems, das sie löst.
Die Nichterfüllung der fünf Kriterien bedeutet natürlich nicht, dass eine Geschäftsidee nicht erfolgreich werden kann. Es gibt viele Beispiele für erfolgreiche Startup-Produkte, die an dieser Prüfung gescheitert wären, zum Beispiel Facebook oder Twitter. Nur, je weniger ausgeprägt die 5U-Eigenschaften sind, desto mehr hängt der Erfolg eines Produktes von schwer steuerbaren Faktoren und auch dem Zufall ab.
Die 5U-Prüfliste für die perfekte Geschäftsidee
Die „fünf Us“, die ein perfektes Kundenproblem beschreiben, sind:
- Urgent (dringend): Je dringender das Kundenproblem, desto leichter ist es, Aufmerksamkeit für eine neue Lösung zu gewinnen. Kopfschmerzen oder ein plötzlicher Umsatzeinbruch sind Beispiele für dringende Probleme.
- Unavoidable (unvermeidbar): Der Kunde kann dem Problem nicht aus dem Weg gehen. Ein Beispiel sind Rechtsvorschriften.
- Unsolvable (unlösbar): Der Kunde kann das Problem allein nicht lösen, zum Beispiel weil ihm die Fachkenntnisse oder die Technologie dazu fehlt.
- Untenable (nicht haltbar): Es kommt für den Kunden nicht in Frage, das Problem einfach zu dulden oder auszusitzen, zum Beispiel ein ständig sinkender Marktanteil bei einem Kernprodukt.
- Underserved (ungenügende Lösungen vorhanden): Am Markt werden keine oder keine befriedigenden Lösungen für das Problem angeboten.
In der Praxis gibt es selten Probleme, die in allen fünf Dimensionen eine hohe Bewertung bekommen. Für die, die es gibt, würden Angebote auch nicht lange auf sich warten lassen, es sei denn es fehlt dafür die entscheidende Technologie.
Darum sind die fünf Listeneinträge eher als graduelle Eigenschaften zu behandeln, zum Beispiel mit einer Punkteskala von 1 bis 10. Eine Geschäftsidee gilt dann als attraktiv, wenn sie in allen Dimensionen mindestens 6 Punkte erhält oder wenn sie in zwei Dimensionen eine 9 oder eine 10 bekommt.
Eine geringe Bewertung lässt sofort spätere Herausforderungen erwarten. Ist beispielsweise das Merkmal Underserved nur wenig ausgeprägt, wird das Startup sich gegen viele Konkurrenten behaupten müssen. Ist das Kundenproblem nicht Urgent, könnte es schwierig werden, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielgruppe für eine Lösung zu wecken.
Natürlich gibt es viele weitere Kriterien, die helfen, die Qualität einer Geschäftsidee zu entscheiden. Einige davon findet man in der VALUEPROP-Checkliste für Wertversprechen. Marktgröße und Defensibilität fehlen zum Beispiel. Darum sollten die 5U immer in Verbindung mit anderen Bewertungswerkzeugen eingesetzt werden.
Beispiele
Ein Produkt, das bei seiner Einführung in den 1940er Jahren alle fünf Kriterien erfüllte ist Penizillin: Das Medikament konnte viele Krankheiten heilen, die schmerzhaft und oft tödlich waren und für die keine alternative Heilmethode bekannt war.
Ein Scheidungsanwalt erfüllt vier der fünf Kriterien: Er hilft, ein dringendes Problem zu lösen, das sein Mandant weder alleine lösen noch vermeiden kann, das aber auf jeden Fall gelöst werden muss. Lediglich das Kriterium Underserved wird nicht erfüllt: es gibt bereits viele solche Anwälte.
Eine B2B-Dienstleistung, die Daten von kaputten Computer-Festplatten rekonstruiert, punktet ziemlich hoch bei den Kriterien Urgent, Unsolvable und Untenable wenn die verlorenen Daten für das betroffene Unternehmen wichtig sind.
Gründer neigen dazu, Geschäftsideen vorzuschlagen, die an mehreren Kriterien scheitern: Der häufigste Grund für das Scheitern von Startups ist, dass sie ein Produkt bauen, das niemand kaufen wollte. Darum lautet auch das Motto des Startup-Accelerators Y Combinator auch Build something people want. Die 5U-Checkliste erklärt auch, warum viele Investoren Investitionen in Computerspielefirmen meiden: Ein Computerspiel erfüllt keine der fünf Kriterien.
Viele Patente gehören ebenfalls zur Kategorie Lösung ohne Problem, zum Beispiel die Staubhaube für Hunde oder die Zehenpuppe. Das US Patentamt hat geschätzt, dass nur etwa 0,2% aller Patente kommerziell werthaltig sind.
Links
Kompaktwissen Ideenbewertung
von Graham Horton

Marktpotential in der Bewertung von Geschäftsideen
Eines der wichtigsten Bewertungskriterien für eine Geschäftsidee ist die Größe ihres Marktes. Ist sie zu klein, lohnt sich die Investition nicht, und die Idee kann nicht verwirklicht werden. Aus diesem Grund ist eine Schätzung der Marktgröße ein Pflichtbestandteil jedes Business Cases bzw. Business Plans, das in einem Unternehmen oder von einem Startup vorgelegt werden muss, um Mittel für die Entwicklung der Idee zu erhalten.
Besonders für Startups hat sich ein Modell für die Angabe der Marktgröße etabliert, das von Kapitalgebern bevorzugt wird: die TAM, SAM und SOM-Märkte. Durch die Standardisierung sollen die Gefahr von Missverständnissen reduziert und für Investoren aussagefähige Daten geliefert werden. Bedauerlicherweise kursieren aber verschiedene Bezeichnungen und Interpretationen dieses Modells, sodass Gründer und Investoren sicherstellen müssen, dass sie von der selben Sache sprechen.
TAM, SAM und SOM
Die Abkürzungen TAM, SAM und SOM stehen für die folgenden drei Märkte:
- TAM: Total Addressable Market oder Total Available Market
- SAM: Serviceable Addressable Market oder Served Available Market
- SOM: Serviceable Obtainable Market oder Share of Market
Die Titelgrafik zeigt die Beziehungen zwischen den drei Märkten.
Jeder dieser Märkte macht eine andere Aussage: Der SOM zeigt, was mit der Geschäftsidee kurzfristig erreichbar ist, das Verhältnis SOM / SAM beschreibt den zunächst angestrebten Marktanteil, und der TAM zeigt das größtmögliche Marktpotential.
TAM: Total Addressable Market
Der TAM beantwortet die Frage, Wer könnte (rein theoretisch) das Produkt kaufen? Er umfasst die gesamten Ausgaben, die für die Leistung, die das Produkt erbringt, ausgegeben werden. Er beschreibt die Erlöse, die theoretisch möglich wären, wenn das Unternehmen mit seinem Produkt ein allumfassendes Monopol hätte.
Für die Berechnung des TAM werden alle Faktoren außer Acht gelassen, die das Unternehmen daran hindern könnten, diesen Zustand zu erreichen. Insbesondere werden Wettbewerber, Kapazitätsbeschränkungen in Produktion oder Lieferung, Sprachbarrieren oder geografische Entfernungen ignoriert.
Der TAM zeigt dem Investor, was potentiell möglich wäre, wenn das Unternehmen durch entsprechende Ergänzungen des Produktportfolios und des Geschäftsmodells in sämtliche Segmente des Marktes hineinwachsen könnte.
Für ihre gegenwärtige Situation hat der TAM für die Gründer kaum eine Bedeutung.
SAM: Serviceable Addressable Market
Der SAM beschreibt den Markt, der mit dem aktuellen Geschäftsmodell prinzipiell angesprochen werden kann. Er beantwortet die Frage, Wer wird die Leistung, die unser Produkt bietet, kaufen (entweder von uns oder von jemand anderem)? oder Welcher Teil des TAMs könnte realistischerweise unser Produkt kaufen?
Die Differenz zum TAM entsteht, indem die Segmente ausgeschlossen werden, die zunächst nicht bedient werden können. Dies könnte beispielsweise daran liegen, dass diese Segmente leicht andere Bedürfnisse haben oder dass sie für die Belieferung zu weit entfernt sind.
Für Investoren ist der SAM wichtig, weil er zeigt, welches Potential die Geschäftsidee mittelfristig hat.
Für die Gründer ist der SAM wichtig, weil er die Zielgruppe für das Produkt darstellt. Je präziser der SAM beschrieben wird, desto effizienter werden die Marketing-Ausgaben ihres Unternehmens sein.
SOM: Serviceable Obtainable Market
Der SOM ist der Teil des SAM, der realistischerweise bedient werden kann. Er beantwortet die Frage, Wer wird die Leistung von uns kaufen? oder Welcher Teil das SAMs ist für unser Geschäftsmodell am angemessensten? Damit zeigt der SOM auf, welche Umsätze in der ersten Wachstumsphase des Unternehmens erzielbar sind.
Für die Berechnung des SOM müssen die folgenden Faktoren berücksichtigt werden:
- Wer mit dem Wertversprechen bedient wird
- Wer mit dem anfänglichen Marketing und Distribution erreichbar ist
- Die aktuelle Wettbewerbssituation
- Die anfängliche Produktionskapazität
Der SOM zeigt den Investoren, was erreicht werden muss, damit sie ihr Geld nicht binnen kurzer Zeit verlieren. Für die Gründer gibt er die kurzfristigen Unternehmensziele vor.
Beispiele
Qualitatives Beispiel: Wortspiel-App
Die Geschäftsidee ist eine Spiele-App für das iPad, mit dem Kinder ihren Wortschatz aufbauen können. Die drei Märkte TAM, SAM und SOM könnten wie folgt definiert werden:
- Der TAM besteht aus allen Tablet-Besitzern weltweit, die ihren Wortschatz verbessern möchten.
- Der SAM besteht aus allen Eltern von schulpflichtigen Kindern und Schulen im deutschsprachigen Raum, die ein iPad besitzen.
- Der SOM besteht aus allen Eltern von Kindern im ersten Schuljahr in Deutschland, die ein iPad besitzen und ihr Kind aktiv fördern möchten.
In diesem Beispiel ist der SOM dadurch begründet, dass das Unternehmen zunächst einen Marketing-Kanal nutzen will, der ausschließlich Eltern von Schulanfängern erreicht und ihre Programmier- und Redaktionskapazitäten nur die Entwicklung für iOS bzw. die Inhalte für einen Jahrgang zulassen.
Qualitatives Beispiel: Verleih für Haushalts- und Gartengeräte
Die Geschäftsidee besteht darin, teure Geräte, die im Haushalt nur selten benutzt werden, zu verleihen. Beispiele sind Dampfreiniger oder hohe Leiter. TAM, SAM und SOM könnten wie folgt definiert werden:
- Der TAM besteht aus allen Haushalten in reichen Ländern.
- Der SAM besteht aus allen Haushalten in Deutschland.
- Der SOM besteht aus allen Hauseigentümern in einer bestimmten Großstadt.
Quantitatives Beispiel
Wir nehmen an, für eine Geschäftsidee sind die folgenden Schätzungen für TAM, SAM und SOM erarbeitet worden:
- TAM = 1 Mrd. €
- SAM = 50 Mio. €
- SOM = 2,5 Mio. € nach zwei Jahren und 6 Mio. € nach vier Jahren
Ferner wird angenommen, dass die Gewinnmarge vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) 25% beträgt. Der Unternehmenswert sei das Achtfache des EBITDA.
Es wird ein Investor gesucht, der das Startup mitfinanzieren soll. Dieser hat eine Renditeerwartung von 1000%, das heißt, er möchte sein Geld verzehnfachen. Ihm wird ein Unternehmensanteil von 20% angeboten, für den er 125.000 € bezahlen muss.
Der SOM gibt dem Investor einen Hinweis, ob er seine Investitionsziele erreichen kann:
Wenn die Planzahlen nach zwei Jahren erreicht werden, beträgt der Gewinn 2,5 Mio. * 0,25 = 0,625 Mio. €, und das Unternehmen ist 8 * 0,625 Mio. € = 5 Mio. € wert. Der Wert des Investoranteils ist 5 Mio. € * 0,2 = 1 Mio. €, was einer Verachtfachung seines eingesetzten Kapitals entspricht.
Wenn das Unternehmen auch nach vier Jahren seine Planergebnisse erreicht, ist der Gewinn (EBITDA) 6 Mio. € * 0,25 = 1,5 Mio. €, und das Unternehmen ist 1,5 Mio. € * 8 = 12 Mio. € wert. Der Investoranteil ist 12 Mio. € * 0,2 = 2,4 Mio. €. Wenn die Gesellschafter das Unternehmen jetzt verkaufen würden, würde der Investor also das 19,2-fache (= 2,4 Mio. € / 0,125 Mio. €) seiner Anlage erhalten.
Das Unternehmen hat jetzt einen Marktanteil von 6 Mio. € / 50 Mio. € = 12% in einem Segment, das 50 Mio. € / 1 Mrd. € = 5% des gesamten Marktes ausmacht. Jetzt könnte das Unternehmen sein Geschäftsmodell anpassen und weiteres Wachstum im SAM anstreben. Würde es ihm gelingen, den gleichen Marktanteil von 12% zu erobern, wäre es dann nach der gleichen Berechnung 240 Mio. € wert, und der Investorenanteil wäre 240 Mio. € * 0,2 = 48 Mio. € wert. Glaubt der Investor, dass dies möglich ist, könnte er also (bei gleichbleibendem Anteil) bis zu 4,8 Mio. € in die Expansion investieren, um sein Ziel zu erreichen.
Tipps für die Anwendung
Der SAM kann auch in Phasen gestaffelt werden. Beispielsweise könnte der Geräteverleih planen, sich Bundesland für Bundesland auszudehnen.
Je schärfer SAM vom TAM und SOM vom SAM abgegrenzt werden können, desto besser, weil es für die Investoren überzeugender ist und präzisere Marketing-Maßnahmen ermöglicht.
Es gibt zwei typische Fehler, die bei der Anwendung von TAM, SAM und SOM begangen werden. Der erste Fehler besteht darin, den SAM oder SOM einfach als kleinen Anteil eines sehr großen TAMs zu definieren. Dies wird im Englischen der 1%-aller-Chinesen-Fehler genannt, weil er sinngemäß wie folgt beginnt: Wenn wir nur 1% aller Chinesen dazu bekommen könnten, unser Produkt zu kaufen, … Dabei wird übersehen, dass es nahezu unmöglich ist, 1% aller Chinesen mit einem Angebot zu erreichen. Jay Samit umschreibt diesen Denkfehler im Wall Street Journal so: Wenn jeder Amerikaner nur einmal pro Woche ein Hamburger aus Kaninchenfleisch (statt aus Rindfleisch) essen würde, könnten wir jedes Jahr 12 Milliarden Kaninchen verkaufen.
Der zweite Fehler besteht in einem Missverständnis des TAM. Wenn die Geschäftsidee ein Internet-Shop für Damenhüte ist, ist der TAM nicht sinnvoll definiert durch die schlichte Beobachtung, dass es auf der Erde drei Milliarden Frauen gibt, die einen Kopf haben. Ich habe selbst diese Erfahrung gemacht: Ein Gründer-Team hatte eine Idee für eine Unternehmenssoftware mit einer sehr spezifischen Funktion. Das Team hatte recherchiert, dass der weltweite Markt für Unternehmenssoftware rund 100 Mrd. € beträgt und hat daraus geschlossen, dass ihr TAM ebenfalls 100 Mrd. € betrug…
Links
Kompaktwissen Ideenbewertung
Kompaktwissen Produktinnovation
Kompaktwissen Innovationsmanagement
von Graham Horton

Historische Ablehnungsfehler
Die Bewertung von Innovationsideen ist eine schwierige und fehleranfällige Sache. Es sind viele Beispiele für historische Ablehnungsfehler dokumentiert, bei denen Experten das Potential von neuen Ideen oder Technologien nicht erkannt haben. Wir präsentieren hier eine kleine Sammlung unserer Favoriten.
Harry Warner und der Tonfilm

Als Sam Warner, einen der Gründer von Warner Brothers in Hollywood seinem älteren Bruder Harry 1925 vorschlug, Filme zu vertonen, erwiderte dieser:
Who the hell wants to hear actors talk?
(Wer zum Teufel will Schauspieler sprechen hören?)
Sam hat sich jedoch gegenüber seinem Bruder durchgesetzt, und Warner Brothers wurde zu einem Pionier des vertonten Kinofilms.
Die Karrieren vieler Schauspieler der Stummfilmära haben den Wechsel zum Tonfilm nicht überlebt. Eine berühmte Ausnahme sind Stan Laurel und Oliver Hardy (im Bild).
Darryl Zanuck und das Fernsehen

1946 hat Darryl Zanuck, Chef des Hollywood Studios 20th Century Fox die folgende Prophezeiung über das Fersehen gemacht:
[Television] won’t be able to hold on to any market it captures after the first six months. People will soon get tired of staring at a plywood box every night.
[Das Fernsehen] wird keinen Markt länger als sechs Monate behalten können. Die Menschen werden schnell die Lust verlieren, jeden Abend auf eine Sperrholzschachtel zu starren.
Die Bewertung von Ideen, die im Widerspruch zum existierenden Umfeld stehen, birgt besondere Schwierigkeiten in sich. In diesen Fällen neigt der Mensch dazu, Ideen nur im Kontext der bekannten Umstände zu betrachten. Dies kann zu Fehleinschätzungen führen, weil (zu recht) festgestellt wird, dass die Idee nicht funktionieren kann. So hat Western Union 1877 die Gelegenheit verpasst, das Telefon einzuführen, weil es nur für innerstädtische Gespräche geeignet war und man zur damaligen Zeit einen Boten geschickt hat, um eine Nachricht innerhalb der Stadt zu versenden. Es gab also für das Problem bereits eine Lösung, mit dem die Kunden zufrieden waren.
Es obliegt also dem Moderator eines Innovationsprozesses, dafür Sorge zu tragen, dass diese Art von Ablehnungsfehler nicht eintritt. In unseren Innovationsprojekten erreichen wir dies mit so genannten Rettungsfragen.
Um den Fehler von Darryl Zanuck nicht zu wiederholen, empfiehlt es sich, vor der Ablehnung einer „unmöglichen“ Idee eine Rettungsfrage zu formulieren und zu beantworten. Diese Frage muss geeignet sein, um versteckte Annahmen und „blinde Flecken“ aufzudecken. Wenn Sie welche finden, die Sie dazu veranlasst haben, die Idee schnell abzulehnen, handelt es sich womöglich um eine innovative Idee, die es zu untersuchen lohnt.
Western Union und das Telefon

Einer der berühmtesten Ablehnungsfehler in der Innovationsliteratur wurde von der Telegraph Company, dem Vorgänger von Western Union begangen.
1877 betrieb die Telegraph Company einen Telegraphendienst, der alle großen Städte in USA verband. Sie war das größte Telekommunikationsunternehmen des Landes. 1877 trat Alexander Graham Bell – der Erfinder des Telefons – zusammen mit seinem Geschäftspartner G. Hubbard, an die Telegraph Company heran und bot ihnen das Telefon-Patent zum Kauf an.
Der Präsident des Unternehmens, Chauncey M. DePew, berief einen Ausschuss ein, um das Angebot von Bell zu überprüfen. Der Bericht dieses Ausschusses ist erhalten und wird häufig zitiert. Hier ist die bekannteste Passage:
The Telephone purports to transmit the speaking voice over telegraph wires. We found that the voice is very weak and indistinct, and grows even weaker when long wires are used between the transmitter and receiver. Technically, we do not see that this device will be ever capable of sending recognizable speech over a distance of several miles.
Messer Hubbard and Bell want to install one of their „telephone devices“ in every city. The idea is idiotic on the face of it. Furthermore, why would any person want to use this ungainly and impractical device when he can send a messenger to the telegraph office and have a clear written message sent to any large city in the United States?
The electricians of our company have developed all the significant improvements in the telegraph art to date, and we see no reason why a group of outsiders, with extravagant and impractical ideas, should be entertained, when they have not the slightest idea of the true problems involved. Mr. G.G. Hubbard’s fanciful predictions, while they sound rosy, are based on wild-eyed imagination and lack of understanding of the technical and economic facts of the situation, and a posture of ignoring the obvious limitations of his device, which is hardly more than a toy… .
In view of these facts, we feel that Mr. G.G. Hubbard’s request for $100,000 of the sale of this patent is utterly unreasonable, since this device is inherently of no use to us. We do not recommend its purchase.
Die Telegraph Company verzichtete also auf den Kauf des Patentes, das ihnen praktisch ein Monopol für ganz USA garantiert hätte. Schon ein Jahr später haben sie dann ihren Fehler eingesehen und eine eigene Telefongesellschaft gegründet, die allerdings ohne Bell’s Patent auskommen musste. Es folgte ein Rechtsstreit, den Bell gewann und durch den er eine Eigentumsmehrheit bei Western Union erlangte. Bell’s eigenes Unternehmen lebt dagegen heute noch in Form von AT&T fort.
100 Jahre später hat es bei einem weiteren berühmten Ablehnungsfehler ironischerweise gerade AT&T getroffen. Im Jahre 1980 hat AT&T erwogen, in die Mobiltelephonie einzusteigen. Eine Studie von McKinsey sagte einen Markt von weniger als einer Million Kunden voraus, woraufhin AT&T sich gegen den Einstieg entschied. Wie sich später zeigte, lag McKinseys Schätzung um mehr als den Faktor 100 zu niedrig; AT&T musste 1993 mehr als 12 Milliarden Dollar für den verspäteten Einstieg in den Markt bezahlen.
Thomas Edison und Nikola Tesla
Vor 120 Jahren arbeitete der serbische Ingenieur Nikola Tesla für den amerikanischen Erfinder und Unternehmer Thomas Edison. Zur damaligen Zeit begann die Elektrifizierung der Städte, und die Edison Electric Light Company war in USA einer der wichtigsten Anbieter. Edison hatte auf Gleichstrom gesetzt, aber Tesla bevorzugte den Wechselstrom. Allerdings braucht man eine Ausbildung in Physik oder Elektrotechik, um den Wechselstrom zu verstehen. Tesla verfügte über eine solche Ausbildung, Edison jedoch nicht. Edison beurteilte Tesla’s Vorschlag, Wechselstrom zu verwenden, wie folgt:
[His] ideas are splendid, but they are utterly impractical.
([Seine] Ideen sind großartig, aber sie sind absolut unrealistisch.)
Der Wechselstrom hat sich trotzdem schnell durchgesetzt, denn er lässt sich effizienter übertragen.
Ron Sommer und das Internet
Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft.
Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, 1990.
Links
Bildquelle Laurel und Hardy: Wikipedia
von Graham Horton

Das lexikographische Prinzip
Die lexikographische Technik ist eine wenig bekannte, aber sehr nützliche Methode zur Auswahl von Ideen. Das Verfahren eignet sich dafür, entweder nur die Siegeridee(n) zu ermitteln oder aber auch, um ein vollständiges Ranking aller Ideen zu erhalten. Sie setzt voraus, dass die Bewertung der Ideen bereits erfolgt ist und dass alle Ideen, die an den Randbedingungen scheitern, bereits entfernt worden sind.
Die Methode erhält ihren Namen von der lexikographischen Reihenfolge, die genutzt wird, um Wörter in alphabetischer Reihenfolge zu sortieren. Wenn man beispielsweise die Wörter Ameise, Boot und Angst sortieren will, betrachtet man zunächst den ersten Buchstaben der Wörter. Damit kommen Angst und Ameise in die Kategorie A und Boot in die Kategorie B. Um noch eine Reihenfolge zwischen Angst und Ameise zu erhalten, muss der zweite Buchstabe beider Wörter betrachtet werden. Da im Alphabet m vor n kommt, kann Ameise vor Angst platziert werden, und die lexikographische Reihenfolge aller drei Wörter steht fest.
Anwendung
Das lexikographische Verfahren beruht auf der Annahme, dass die Bewertungskriterien von unterschiedlicher Wichtigkeit sind. Dabei „überstimmt“ ein hochpriorisiertes Kriterium alle, die hinter ihm liegen. Ein weniger wichtiges Kriterium kann also nie eine Ideenreihenfolge ändern, die ein höherwertiges Kriterium bereits festgelegt hat. Darin unterscheidet sich das Verfahren von der Nutzwertanalyse, die zwar auch eine unterschiedliche Gewichtung der Kriterien erlaubt, diese aber alle einen Einfluss auf alle Alternativen ausüben.
Das lexikographische Verfahren läuft in den folgenden vier Schritten ab:
- Die Rangfolge der Kriterien wird festgelegt.
- Die Ideen werden in Bezug auf das erste Kriterium gereiht.
- Wenn die Reihung der Ideen vollständig ist, ist das Verfahren beendet. Andernfalls wird das nächstwichtige Kriterium herangezogen, um unter den verbleibenden Ideen mit Gleichstand eine Reihung zu bestimmen.
- Schritt 3 wird so lange mit weiteren Kriterien wiederholt, bis die Reihung der Ideen vollständig ist.
Wenn statt einer vollständigen Reihung aller Ideen nur eine Teilmenge von ihnen als Siegerideen benötigt wird, kann das Verfahren beendet werden, wenn diese feststeht. Die Reihung der verbleibenden Ideen fällt dann weg.
Beispiel
Die Tabelle zeigt eine Auswahlaufgabe mit den fünf Ideen A, B, C, D und E und den vier Erfolgskriterien K1, K2, K3 und K4.

Der Ablauf der Auswahl läuft in den folgenden Schritten ab und ist in der Titelgrafik visualisiert.
- Die Kriterien werden gewichtet. K1 ist am wichtigsten, gefolgt von K2 und K3 und am Schluss K4.
- Die Bewertung der fünf Ideen bezüglich K1 wird vorgenommen. Ideen B und D sind mit jeweils 7 Punkten die besten, Idee C steht mit 6 Punkten allein auf Platz 3, und die Ideen A und E stehen zusammen am Schluss. Da die Reihung noch nicht eindeutig ist, wird ein weiterer Schritt benötigt.
- Die Ideen B und D sowie die Ideen A und E werden bezüglich Kriterium K2 verglichen. Daraus ergibt sich, dass A besser ist als E, D und B aber immer noch gleichwertig sind. Es muss also das dritte Kriterium herangezogen werden. Wenn es dagegen ausreicht, die besten drei Ideen zu identifizieren, kann das Verfahren an dieser Stelle schon abgebrochen werden.
- Die verbleibenden Ideen D und B werden bezüglich Kriterium K3 verglichen, wobei B besser abschneidet als D.
- Die Reihung ist jetzt vollständig, und die Auswahl der Sieger kann erfolgen.
Die Tabelleneinträge mit Stern bezeichnen Ideenbewertungen, die für die Ideenauswahl nicht erforderlich sind. Der Moderator des Ideenworkshops kann daher Ideenbewertung und Ideenauswahl verzahnen, um Zeit- und Denkaufwand seiner Teilnehmer zu sparen. Hätte es weitere Bewertungskriterien nach K4 gegeben, wären diese ebenfalls überflüssig, und der damit verbundene Bewertungsaufwand hätte auch eingespart werden können.
Um die Reihenfolge der Kriterien festzulegen ist es nicht notwendig, Punkte zu vergeben. Es geht einfacher und sicherer, wenn stattdessen Paarvergleiche zu Ermittlung der Reihenfolge verwendet werden.
In diesem Beispiel stand die Siegeridee erst nach Anwendung des dritten Kriteriums fest. In dem Moment war das Verfahren auch zu Ende. Bei anderen Werten für die Einzelbewertungen hätte der Sieger schon nach dem ersten oder zweiten Kriterium fest stehen können. Wäre nur der Sieger von Interesse gewesen, hätten alle weiteren Kriterien eingespart werden können.
Vor- und Nachteile
Die lexikographische Methode ist intuitiv verständlich und einfach. Sie ist auch schnell in der Durchführung – in vielen Fällen schafft sie es sogar, Bewertungen einzusparen. Für Anwendungen, die eine eindeutige Reihung der Kriterien zulassen, ist die Methode optimal.
Der Hauptnachteil ist die Dominanz eines Kriteriums: Wenn die Reihenfolge zweier Alternativen durch ein hochrangiges Kriterium feststeht, kann sie durch noch so viele gegenteilige Ergebnisse nachrangiger Kriterien nicht mehr geändert werden. Dies ist in manchen Situationen problemlos, in anderen aber möglicherweise unangemessen.
Ferner setzt die Methode Punktbewertungen voraus, was wie auch im Falle der Nutzwertanalyse zu Problemen führen kann.
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Kompaktwissen Ideenbewertung
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