Bei der Bewertung von Ideen im Ideenworkshop wiederholen sich einige typische Muster. Das interessanteste und ungewöhnlichste darunter ist die so genannte Polarisierung. Eine polarisierende Idee ist eine, die manche Teilnehmer hoch bewerten, andere aber niedrig. Es herrscht also eine stark geteilte Meinung. Die Grafik zeigt ein Bewertungsergebnis, bei dem fünf Menschen einer Idee 1 bis 3 Punkte von 10 und fünf andere mindestens 8 Punkte gegeben haben.
Der Mittelwert aller Einschätzungen beträgt 5,4 Punkte – eine scheinbar gleichgültige Gesamteinschätzung. Die gleiche Gesamteinschätzung erhält man bei einer mittelmäßigen Idee, die alle Teilnehmer mit 5 oder 6 Punkten bewerten. Obwohl beide Ideen die gleiche durchschnittliche Punktzahl erhalten haben, sind sie sehr unterschiedlich zu beurteilen. Während die zweite Idee vermutlich tatsächlich mittelmäßig ist, ist die polarisierende Idee wahrscheinlich innovativ und erfolgsversprechend.
Es ist bekannt, dass innovative Ideen zunächst auf Widerstand stoßen. Es gibt hierfür zahlreiche historische Beispiele wie die Ablehnung des Dampfschiffs durch Napoleon und des Telefons durch Western Union oder das Kommentar „unrealistisch“ durch einen Professor zur Idee von Federal Express. Innovative Ideen brechen nämlich mit dem Status Quo – sie stellen bekannte Systeme und etablierte Praktiken in Frage und erfordern neue Denkweisen und Prozesse. Eine typische Reaktion auf eine innovative Idee besteht also darin, sie abzulehnen, oder nur die Implementierungsschwierigkeiten zu erkennen.
Andere – eher optimistisch oder unternehmerisch veranlagte Menschen – sehen dagegen in der innovativen Idee zuerst das Potenzial. Sie wissen natürlich, dass es Umsetzungshindernisse geben wird, aber sie sind zuversichtlich, dass diese überwunden werden können.
Natürlich sind auch solche Ideen, die ausschließlich hohe Bewertungen erzielen, vielversprechend. Da aber ihr Wert von allen auf Anhieb erkannt wird, liegt die Vermutung nahe, dass diese eher die Grundlage für inkrementelle Innovationen bilden werden.
Es ist wichtig, im Innovationsworkshop (und im Innovationsprozess allgemein), solche polarisierenden Ideen aufzudecken und geeignet zu behandeln. Es sind häufig diese Ideen, die das größte (wenn auch disruptivste) Potenzial in sich tragen.
Links
Zuletzt aktualisiert am 14. Mai 2024 von Graham Horton