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Definitionen von Innovation
Es gibt viele nützliche und weniger nützliche Definitionen von Innovation. Wir bieten hier vier an, die aus unserer Sicht am sinnvollsten sind.
Die Verwandlung einer Idee in ein Angebot, das für den Empfänger wertvoll ist
Die erfolgreiche Einführung von etwas, was neu und nützlich ist
Auf neue Art und Weise Nutzen stiften
Die Herbeiführung eines neuen Zustands, der besser ist, als der vorherige
Wichtig sind unserer Meinung nach die Aspekte der Neuheit und der Verbesserung.
Innovation kann nach unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, was zur Definition von unterschiedlichen Innovationsarten führt.
Gegenstand der Innovation
Die wohl geläufigste Einteilung der Innovationsarten betrifft den Gegenstand der Innovation. Es gibt hier vier wesentliche Kategorien.
Produktinnovation
Die Produktinnovation betrifft Neuerungen bei Sachgütern. Diese können entweder neue Produkte sein oder Verbesserungen an bereits bestehenden Produkten.
Das Automobil von Carl Benz und Gottlieb Daimler war eine (disruptive, radikale) Produktinnovation. Die Einführung von Airbags und Antiblockiersysteme und Verbesserungen der Motorleistung und Reduktion des Kraftstoffverbrauchs sind ebenfalls Produktinnovationen.
Prozessinnovation
Prozessinnovationen sind Verbesserungen an betrieblichen Abläufen oder Geschäftsprozessen. Typischerweise dienen sie dazu, Produktivität zu erhöhen oder Kosten zu senken. Sie werden meistens in den späteren Lebensphasen eines Produktes angewandt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Die Einführung des Fließbands in der Automobilindustrie durch Henry Ford Anfang des 20. Jahrhunderts ist das wohl bekannteste Beispiel einer Prozessinnovation. Weitere Beispiele sind das Online-Checkin bei Flugreisen und das Kanban-Prinzip in der Fertigung.
Geschäftsmodellinnovation
Die Geschäftsmodellinnovation geht über bloße Produkt- und Prozessinnovationen hinaus und ermöglicht Neuerungen an der gesamten Wertschöpfungsarchitektur. Dies schließt das Preismodell, die Art der Kundenbeziehungen, die Verteilung der Wertschöpfung in einem Partnernetzwerk und Vieles mehr. Viele Unternehmen versprechen sich signifikante Wettbewerbsvorteile durch die Geschäftsmodellinnovation.
Bekannte Beispiele für Geschäftsmodellinnovationen sind der Wandel von IBM von einem Rechnerhersteller zu einem IT-Dienstleister sowie Netflix und Spotify, die es erlauben, Kinofilme und Musik zu genießen, ohne physische Medien wie DVDs erwerben zu müssen.
Organisatorische Innovation
Dies wird auch Soziale Innovation genannt. Gemeint sind Neuerungen bei Organisationsformen, Regeln und gesellschaftlichen Angeboten.
Beispiele für soziale Innovationen im öffentlichen Bereich sind die Gründung des Roten Kreuzes und die Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Im Betrieb sind Beispiele die 360-Grad Evaluation von Mitarbeitern oder der Wechsel von einer hierarchischen Organisationsstruktur zu einer Team- oder Projektstruktur.
Neuheitsgrad
Eine weitere Perspektive auf die Innovation ist ihr Neuheitsgrad. Die fünf Innovationsarten werden hier in der Reihenfolge abnehmender Neuheit präsentiert.
Basisinnovation
Basisinnovationen sind Neuerungen, die Probleme auf vollkommen neue Weise lösen oder für bisher ungelöste Probleme zum ersten Mal eine Lösung darstellen. Oft beruhen Basisinnovationen auf neuen Technologien.
Beispiele für Basisinnovationen sind das Airbag, das Mikrochip und der Verbrennungsmotor.
Verbesserungsinnovation
Verbesserungsinnovationen werden auf bestehende Produkte oder Systeme angewandt mit dem Ziel, eine wichtige Eigenschaft zu verbessern. Die Kernfunktionalität wird dabei nicht geändert. Bei einem Produkt kann dies kann zum Beispiel heißen, seine Leistung oder Zuverlässigkeit zu erhöhen oder seine Produktion oder Logistik effizienter zu machen. Verbesserungsinnovationen sind die mit Abstand häufigste Art von Innovation.
Beispiele für Verbesserungsinnovationen sind die ständigen Leistungssteigerungen bei Rechnerkomponenten, zum Beispiel die Speicherkapazität der Festplatte, die Taktrate der CPU oder die Pixelauflösung des Bildschirms.
Anpassungsinnovation
Anpassungsinnovationen sind Modifikationen an einem Produkt, um sie für eine bestimmte Spezialanwendung oder eine spezielle Zielgruppe nutzbar zu machen. Beispiele hierfür sind Spezialanpassungen von Automobilen für die Polizei oder für reiche Kunden mit Spezialwünschen.
Imitation
Imitationen sind (angebliche) Innovationen, die lediglich Kopien bereits bestehender Produkte oder Dienstleistungen sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Hersteller ein (für ihn) neues Produkt einführt, um mit einem Konkurrenten gleichzuziehen.
Ein weit verbreitetes Beispiel für Imitation ist im Internet-Bereich zu finden, wo Startups keine eigene Geschäftsidee verfolgen, sondern lediglich eine bereits existierende Idee (meistens aus den USA) in ihrem Heimatland kopieren.
Man kann darüber streiten, ob es sich bei der Imitation tatsächlich um eine Innovation handelt oder nicht.
Scheininnovationen
Scheininnovationen sind (angebliche) Innovationen, die keinen neuen Nutzen liefern. Dies passiert, wenn Hersteller nur oberflächliche Änderungen an ihren Produkten vornehmen, um ihnen den Anschein der Neuheit zu geben.
Typische Beispiele für Scheininnovationen sind „neue“ Seifen und Shampoos, die sich nur in ihrer Duftnote von den vielen bereits eingeführten Produkten des selben Herstellers unterscheiden.
Geltungsbereich
Man kann Innovationsarten danach unterscheiden, in welchem Bereich sie tatsächlich neu sind.
Neu für die Welt
Dies sind Neuerungen, die die Welt bisher noch nicht kannte. Sie beruhen oft auf technischen Erfindungen oder neuen Technologien.
Beispiele sind das erste Dampfschiff, der erste Fernseher und das erste Mikrowellenherd.
Neu für die Branche
Dies sind Innovationen, die auf einem anderen Gebiet bereits bekannt, aber für die Branche, in die sie eingeführt werden, neu sind.
Beispiele hierfür sind kommerzielle Nachtsichtgeräte (früher nur beim Militär erhältlich) oder Mieten von Kinderkleidung (bisher nur bei Fahrzeugen und teuren Geräten bekannt.)
Neu für uns
Dies sind Neuerungen, die auch in der eigenen Branche bekannt sind, aber für die eigene Organisation neu sind. Diese sind oft das Ergebnis von Benchmarking oder Reaktionen auf Aktivitäten von Wettbewerbern.
Die X-Modelle sind Fahrzeuge, die bei ihrer Einführung für BMW neu waren, in ihrer Art aber schon von vielen Herstellern angeboten werden.
Veränderungsumfang
Man kann Innovationen auch nach ihrem Neuheitsgrad unterscheiden.
Inkrementelle Innovation
Dies sind kleine Änderungen an bestehenden Produkten oder Systemen. Sie enthalten keine neuen Erkentnisse oder Technologien und führen zu kleinen Verbesserungen. Sie sind mit den Verbesserungsinnovationen fast gleichbedeutend.
Radikale Innovation
Radikale Innovationen stellen große Fortschritte dar. Basisinnovationen sind sehr oft auch radikal.
Das Elektroauto ist eine radikale (und für Tankstellen auch disruptive) Innovation.
Anlass
Gelegentlich werden Innovationsarten nach dem Anlass zu ihrer Entstehung unterschieden.
Bedarfsinduzierte Innovationen
Dies sind Innovationen, die als Reaktion auf externe Anlässe entstehen. Ein Beispiel dafür ist Marktnachfrage in Form eines Kundenwunsches oder einer neuen Anwendung. Ein weiteres Beispiel sind Gesetze und andere Regulierungen.
Beispiele für bedarfsinduzierte Innovationen sind das Duale System für Abfall, das eine Reaktion auf eine gesetzliche Vorgabe war und Recycling-Papier, das eine Reaktion auf gestiegenes Umweltbewusstsein war.
Diese Innovationen werden auch „Pull“-Innovationen genannt, weil der Markt sie zu sich „heranzieht“.
Angebotsinduzierte Innovationen
Das Gegenteil zur „Pull“-Innovation ist die „Push“-Innovation, die das Unternehmen in den Markt „drückt“. Innovationen auf der Grundlage von neuen Technologien sind meistens „Push“-Innovationen. (Kein Kunde hat 1950 nach einem Mikrowellenherd gefragt.)
Beispiele für angebotsinduzierte Innovationen sind die Compact Disc, Mikrofasertextilien und LCD-Bildschirme.
Marktauswirkung
Zwei relativ neue Innovationsarten unterscheiden sich nach ihrer Marktauswirkung. Sie wurden von Clayton Christensen Ende der 1990er Jahre eingeführt.
Sustaining Innovation
Eine Sustaining (erhaltende) Innovation dient dazu, die eigene Marktposition zu verteidigen. Sie soll die Wettbewerbsfähigkeit eines bereits bestehenden Angebotes erhalten. Verbesserungsinnovationen sind immer Sustaining Innovations, ganz gleich, ob sie inkrementell oder radikal sind.
Sustaining Innovations können radikal sein: Der Übergang von Schallplatten zu CDs als Tonträger bedeutete einen kompletten Wechsel einer Technologie, aber die beteiligten Unternehmen haben nur damit ihre traditionellen Märkte verteidigen wollen.
Disruptive Innovation
Disruptive Innovationen sind solche, die etablierte Markte stören und oft in einer Verdrängung der bisherigen Marktführer resultieren. Das Automobil war vor 100 Jahren eine Disruption für Kutschenbauer, und das Internet ist heute eine Disruption für Zeitungsverlage. Disruptive Innovationen werden häufig (aber nicht immer) durch neue Technologien möglich, weshalb es auch den Begriff der disruptiven Technologie gibt.
Da es für ein Unternehmen kaum möglich ist, sich selbst zu „disrupten“, stammen disruptive Innovationen fast immer von Startups oder von Quereinsteigern. Der Markt für digitale Musik wurde beispielsweise nicht von der Medienindustrie aufgebaut, sondern von dem Rechnerhersteller Apple.
Der Begriff der disruptiven Innovation ist wohl der am meisten missverstandene und missbrauchte aller Innovationsbezeichnungen. Sie wird häufig mit radikalen Innovationen verwechselt.
Das Elektroauto ist eine Sustaining Innovation für Automobilhersteller, weil sie damit ihre bisherigen Marktpositionen verteidigen wollen. Für die Mineralölindustrie ist es aber eine disruptive Innovation, weil dadurch ihr Produkt nicht mehr benötigt wird.
Andere Innovationsarten
Servitization
Servitization ist eine spezielle Form der Geschäftsmodellinnovation, bei der ein Produkthersteller dazu übergeht, zusätzlich Dienstleistungen anzubieten.
Das wohl bekannteste Beispiel für Servitization ist die Firma Rolls Royce, die Triebwerke für Flugzeuge baut. Früher war dies ein Produktgeschäft: Für einen (hohen) Einmalbetrag ging das fertige Triebwerk in das Eigentum des Käufers über. Inzwischen bietet Rolls Royce den Verkauf von Schubstunden: Das Triebwerk bleibt Eigentum von Rolls Royce, und die Fluggesellschaft bezahlt für die „Dienstleistung Schubkraft„. Rolls Royce übernimmt dann auch die Verantwortung für die Wartung und Reparatur des Gerätes. Ein weiteres Beispiel ist der (inzwischen nicht mehr existente) Sprengstoffhersteller ICI Nobel, der auf der Grundlage seines Produkte einen Sprengservice für Steinbrüche einführte.
Open Innovation
Open Innovation bezeichnet jede Art von Innovationsaktivität, bei der externe Partner mit einbezogen werden. Beispiele dafür sind der An- und Verkauf von Schutzrechten aus Patenten, die Einbeziehung fremder Experten bei der Ideenfindung und Ideenbewertung und die Bildung von Allianzen und Joint Ventures mit anderen Unternehmen, um innovative Produkte anzubieten.
Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2024 von Graham Horton