B2B-Servitization: Der Standardfall
Servitization bezeichnet eine Geschäftsmodellinnovation, bei der ein Produkthersteller dazu übergeht, eine Kombination aus Produkt und Dienstleistung anzubieten. Servitization hat viele Vorteile, sowohl für den Lieferanten, als auch für den Kunden. Sie wird vor allem von Premiumherstellern als wichtige strategische Maßnahme zur Sicherung der eigenen Marktposition gesehen.
Ein klassisches Beispiel für die B2B-Servitization ist ein OEM-Hersteller im B2B-Geschäft, dessen Kunden eine Dienstleistung für den Endverbraucher bereitstellt. Dies könnte zum Beispiel ein Hersteller von Bussen sein, dessen Kunden städtische Betriebe sind oder ein Kraftwerkhersteller, der an Energieversorger verkauft. In solchen Situationen ist die Servitization naheliegend, wie dieser Artikel zeigen will.
Vor der Servitization
Die Titelgrafik zeigt die Situation eines OEM-Herstellers (links), dessen Kunden (Mitte) mit Hilfe seiner Produkte eine Dienstleistung an Endkunden (rechts) erbringen. Dies könnte zum Beispiel ein Baggerhersteller sein, dessen Kunden Bauunternehmen sind, die wiederum für ihre Kunden Gebäude, Straßen usw. errichten.
Der obere Teil der Grafik, der gelb unterlegt ist, zeigt die traditionelle Situation ohne Servitization: Der Hersteller setzt seine Kernkompetenzen ein, um das Produkt (den Bagger) herzustellen, das er an das Bauunternehmen für einen Einmalpreis verkauft. Das Bauunternehmen nutzt den Bagger in Verbindung mit seinen eigenen Kernkompetenzen, um seine eigene Dienstleistung zu erbringen. Diese Kernkompetenzen sind zum Beispiel Ingenieurtätigkeiten wie Entwurf und Statikberechnungen sowie Projektmanagement und Baustellenlogistik.
Darüber hinaus muss das Bauunternehmen Sekundärkompetenzen bereitstellen, die mit dem Betrieb des Baggers in Verbindung stehen. Dazu gehören Wartung, Reparatur, Instandsetzung und Entsorgung. Dies sind aus seiner Sicht Sekundärprozesse, die mit seinen Kernkompetenzen nichts zu tun haben und mit denen er kein Geld verdienen kann. Sie sind für ihn nur ein notwendiges Übel. Hierin steckt auch das naheliegende Servitization-Potential für den Baggerhersteller.
Nach der Servitization
Der untere Teil der Grafik, der blau hinterlegt ist, zeigt die Sitation nach der Servitization. Hier verkauft der Hersteller nicht mehr einmalig einen Bagger, sondern die ständige Dienstleistung des Erdebewegens. Ähnlich einer traditionellen Dienstleistung wie ein Friseur interessiert es den Kunden nicht, was dafür erforderlich ist, um den Friseursalon einzurichten und zu betreiben, er will nur jederzeit einen Haarschnitt bekommen, ohne sich dabei um irgendetwas kümmern zu müssen. So ist es jetzt Aufgabe und Veranwortung des Baggerherstellers geworden, dass das Bauunternehmen immer dann Erde bewegt bekommt, wenn er es benötigt.
Die Sekundärprozesse wie Wartung und Instandhaltung sind beim Bauunternehmen verschwunden, weil sie vom Baggerhersteller übernommen worden sind. Für diesen sind es naheliegende Kernkompetenzen, weil sie unmittelbar mit seinem Produkt zusammenhängen. Für das Bauunternehmen sind es dagegen lästige Nebensachen, die ihn von seinen Kernkompetenzen ablenken. In der neuen Situation ruft er einfach die Dienstleistung Erdbewegung auf, wann immer er sie braucht. Nach der reinen Lehre wird auch nach der in Anspruch genommen Dienstleistung bezahlt, in diesem Fall zum Beispiel in Euros pro Meter und Tonne bewegte Erde. (Einfacher abzurechnen, aber nicht dem eigentlichen Dienstleistungsgedanken entsprechend wäre ein Tagespreis wie bei der Autovermietung.)
Beispiel
Eines der bekanntesten Beispiele für Servitization ist das Power-by-the-hour-Angebot namens TotalCare des Triebwerkherstellers Rolls Royce. Indem der Hersteller Wartung und Reparaturen übernimmt, können sich die Fluglinien (neben anderen Vorteilen) mehr auf ihre Kernkompetenz konzentrieren.
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Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2024 von Graham Horton