Brainstorming im Workshop
Brainstorming wird gerne in Workshops für die Ideenfindung benutzt. Es hat ein bekanntes Format: Die ganze Gruppe sitzt zusammen, die Teilnehmer rufen ihre Ideen aus, und der Moderator erfasst die Ideen auf einem Flipchart oder einer Kärtchenwand. Vermutlich hat jeder irgendwann diese Art von Ideenfindung erlebt.
Allerdings hat das Brainstorming eine Reihe von Problemen, die seine Eignung für die Ideenproduktion fraglich erscheinen lassen. Die wichtigsten drei davon beschreiben wir in diesem Artikel. Es gibt viele Forschungsergebnisse, die belegen, dass Brainstorming weniger und schlechtere Ideen produziert als andere Methoden. Zu den wichtigsten Studien zählen die Arbeiten von Michael Diehl und Wolfgang Ströbe, die diese drei Hauptprobleme belegen und ihre negativen Folgen messen.
Problem #1: Bewertungsbefürchtung
In einem Ideenworkshop bedeutet Bewertungsbefürchtung die Angst, für eine Idee kritisiert zu werden. Die Folge ist, dass die Teilnehmer lieber schweigen, als eine Idee zu äußern – besonders dann, wenn die Idee radikal ist und daher kontrovers sein könnte. Dadurch gehen wertvolle Beiträge verloren, und das Workshopergebnis bleibt unter seinen Möglichkeiten.
Dieses Problem tritt besonders häufig in Organisationen auf, die konservativ sind oder starke Hierarchien haben. Der Sachbearbeiter im Ministerium traut sich nicht, in Anwesenheit des Abteilungsleiters eine innovative Idee auszusprechen, die zur Neuverteilung der Verantwortung im Büro führen würde. Das Problem wird dadurch noch erschwert, weil es unsichtbar ist: Die nicht-ausgesprochenen Ideen werden nicht vermisst, und niemand gibt zu, darunter zu leiden.
Problem #2: Produktionsblockierung
Produktionsblockierung tritt ein, wenn ein Teilnehmer daran gehindert wird, einen Beitrag zu machen. Dies passiert beim Brainstorming, weil der Moderator ein Flaschenhals ist: Jeder Wortbeitrag eine Teilnehmers muss von ihm verstanden, gegebenenfalls geklärt und dann aufgeschrieben werden. Während dieser Zeit kann kein anderer Teilnehmer einen Beitrag einbringen. Bis der Moderator wieder aufnahmebereit ist, hat der Teilnehmer möglicherweise sogar schon seine Idee vergessen. Die negativen Auswirkungen der Produktionsblockierung wachsen natürlich mit der Größe der Gruppe.
Problem #3: Trittbrettfahren
Dieses Phänomen tritt ein, wenn ein Teilnehmer aufhört, mitzuwirken. Dies ist nur möglich, wenn es nicht auffällt. In einer Brainstorming-Runde ist dies aber automatisch der Fall, weil alle Teilnehmer bis auf einen durch die Produktionsblockierung zum Stillstand gezwungen werden. Da kann ein Außenstehender zwischen jemand, der wartet, bis er dran kommt und jemand, der aus dem Geschehen ausgestiegen ist, nicht unterscheiden. Die negative Folge liegt auf der Hand: Ideen, die vielleicht entstanden wären, bleiben aus.
Lösungen
Die Lösung ist ganz einfach: Brainstorming sollte für die Ideenproduktion nicht verwendet werden. Da es ohnehin schon einen ausschlaggebenden Grund gibt, es nicht zu tun, bedeutet dies also letztendlich keine Einschränkung. (Zephram verwendet Brainstorming nie für die Ideenproduktion.)
Wer es dennoch gerne tun möchte, kann vorher das Aufwärmspiel Ja, genau! benutzen oder Förderphrasen einführen, um der Bewertungsbefürchtung entgegenzuwirken. Auf jeden Fall hilft auch eine Aufklärung vor Beginn des Workshops, dass innovative Ideen erwünscht sind. Die Bewertungsbefürchtung kann nur ganz ausgeschaltet werden, indem die Teilnehmer ihre Ideen anonym beitragen können. Dies erfordert einen Wechsel vom Aussprechen der Ideen zum Aufschreiben der Ideen.
Trittbrettfahren verhindert man, indem die Teilnehmer in kleinen Teams arbeiten. Wer an einem Tisch mit nur drei oder vier weiteren Personen sitzt, kann sich nicht so leicht zurückziehen. Aus diesem Grund sollten ein Ideenworkshop immer wie ein Restaurant aufgebaut sein mit Tischen für vier bis sechs Personen über den Raum verteilt. Im Idealfall hat jedes Team einen eigenen Moderator, der auch dafür sorgen kann, dass alle an seinem Tisch mitmachen. (So machen wir es auch bei Zephram.)
Wofür das Brainstorming sich sehr gut eignet, ist die letzte Phase der Ideenfindung, wo die entstandenen Ideen von allen Teilnehmern ergänzt werden können. Hier bietet es sich an, Brainstorming zu verwenden, weil es von Vorteil ist, wenn jeder die Ideen hört und Gelegenheit hat, sie zu verbessern. In diesem Fall hören die Teilnehmer auch zu, wenn andere ihre Ideen präsentieren; Das Zuhören konkurriert nicht mit dem Bedürfnis, die eigene Idee loszuwerden.
Links
M. Diehl und W. Stroebe (1987): „Productivity Loss in Brainstorming Groups: Toward the Solution of a Riddle“. Journal of Personality and Social Psychology 53 (3): 497–509. doi:10.1037/0022-3514.53.3.497
M. Diehl und W. Stroebe (1991): „Productivity Loss in Idea-Generating Groups: Tracking Down the Blocking Effect“. Journal of Personality and Social Psychology 61 (3): 392–403. doi:10.1037/0022-3514.61.3.392
Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2024 von Graham Horton