Ich werde gelegentlich gefragt, woher diese Erfolgserwartung, die für die meisten Unternehmen niemals erreicht werden kann, kommt. Die Antwort liegt in der Art und Weise, wie Startups finanziert werden. Im Folgenden gebe ich das Beispiel wieder, das ich in meiner Vorlesung Startup Engineering 1 benutze.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Startup scheitert, ist sehr hoch; Sie liegt bei etwa 90%. Um mit diesem außergewöhnlichen Risiko umzugehen, sind spezialisierte Finanzierungsunternehmen – die Venture Capital-Gesellschaften (VCs) – entstanden.
Dieses hohe Investitionsrisiko hat zwei Konsequenzen für die VCs. Erstens müssen sie ihr Geld streuen, indem sie sich an mehreren Startups beteiligen – sie bilden ein sogenanntes Portfolio. Zweitens erwarten die Geldgeber der VC-Gesellschaft eine Rendite, die deutlich höher liegt als bei sichereren Geldanlagen: VCs sollen typischerweise eine jährliche Rendite von 15% erzielen.
Nehmen wir zum Beispiel an, eine VC legt einen Fonds mit 100 Mio.$ auf, die eine Laufzeit von fünf Jahren hat. Sie will also am Ende dieser Zeit 1,15^5 * 100 Mio.$ erwirtschaftet haben. Das ist ziemlich genau 200 Mio.$. Sie investiert jeweils 10 Mio.$ in zehn Startups und erhält dafür in allen Fällen einen Unternehmensanteil von 50%.
Neun der zehn Startups scheitern, und 90 Mio. $ sind dadurch verloren. Der zehnte, erfolgreiche Startup muss also ganz allein die gesamte Gewinnerwartung seines Investors erfüllen. Er muss also einen Unternehmenswert von ungefähr 200 Mio.$ * 2 = 400 Mio.$ aufbauen. (Dem Investor gehört ja nur die Hälfte des Unternehmens.)
Die Gründer des erfolgreichen Startups haben also 10 Mio.$ erhalten und sollen damit ihr Unternehmen so schnell aufbauen, dass es nach fünf Jahren für (mindestens) 400 Mio.$ verkauft werden kann. Dies entspricht einer Vervierzigfachung(!) der ursprünglichen Investition.
Die Konsequenz aus dieser Situation ist, dass VCs nur in Startups mit einem außerordentlich großen Wachstumspotential investieren. Startups, die den Wert der Investition „nur“ verdoppeln oder verdreifachen, sind für sie uninteressant, oder gelten sogar als Misserfolge. Paul Graham sagt, Startup-Erfolg ist aus Investorensicht binär.
Eine weitere Konsequenz ist, dass das Startup nach etwa fünf Jahren einen sogenannten Exit machen muss: Entweder wird es an einen Konzern verkauft, oder es macht einen Börsengang. Nur so können die Investoren wieder ausgezahlt werden; Sie haben kein Interesse daran, das Unternehmen auf Dauer zu betreiben – ganz gleich wie profitabel es sein mag.
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