Ausgangspunkt für jede Innovation an einem Produkt oder einer Dienstleistung müssen die Bedürfnisse der Kunden sein. Zielt man mit seinem neuen Angebot daran vorbei, so kann es keinen wirtschaftlichen Erfolg haben.
Je nach angestrebter Art der Innovation sind unterschiedliche Informationen über den Kunden relevant. Entsprechend gibt es unterschiedliche Methoden, die Kunden zu befragen. Sucht ein Unternehmen beispielsweise radikale oder sogar disruptive Innovationen, wird es eine spezielle Fragetechnik über Kundenaufgaben einsetzen. Das Kano-Modell nutzt ebenfalls eine speziellen Fragebogen, um die Kundenzufriedenheit zu ermitteln.
Für kundenbedürfnisorientierte Produktinnovation (d.h. neue Produkte und Produktverbesserungen in der unteren Zeile der Ansoff-Matrix), gibt es vier Kernfragen an Kunden, die einen großen Einfluss auf die Suchfelder für die Ideenfindung haben und ein wichtiges Input für einen Innovationsworkshop sind. Die vier Kernfragen kann man sich mit dem Akronym RATE leicht merken. (RATE ist hier durch das Englische rate (= bewerten) motiviert; das Deutsche raten ist hier nicht gemeint!)
Die Vier RATE-Fragen
Reason. Aus welchem Grund hat der Kunde das Produkt in der Vergangenheit gekauft? Aus welchem Grund haben verlorene Kunden das Produkt nicht gekauft?
Attribute. Welche Merkmale oder Funktionen muss das Produkt in den Augen der Kunden unbedingt besitzen? Welche wären wünschenswert? Welche sind egal? (Dies ist das Ziel des Kano-Modells.)
Task. Welche Aufgabe versucht der Kunden mit Hilfe des Produktes zu erledigen? (Dies ist das Ziel der Job- und Outcome-Statements).
Evaluation. Welche Bewertungskriterien setzt der Kunde an, um seine Kaufentscheidung zu treffen? Wie sind diese relativ zueinander gewichtet? Was war das Ergebnis der Bewertung (auch für Konkurrenzprodukte)?
Anwendung
Ein Unternehmen, das diese Information ermittelt, kann sein Verständnis für die Kundenbedürfnisse vertiefen. Dies hilft wiederum dabei, wirksamere Innovationsziele zu wählen, zum Beispiel:
Die Leistung einer bestimmten Funktion erhöhen
Ein schwaches Abschneiden bezüglich eines bestimmten Kriteriums korrigieren
Ein fehlendes Attribut ergänzen
Die Eignung des Produktes für die Kundenaufgabe erhöhen
Neue Angebote bereitstellen, um weitere Aspekte der Kundenaufgabe mit abzudecken
Einen spezifischen Vorteil gegenüber den Konkurrenzangeboten ausbauen
Einen spezifischen Nachteil gegenüber den Konkurrenzangeboten kompensieren.
Jana war diesen Sommer auf der wissenschaftlichen Tagung COLLA 2014 in Sevilla und hat die Ergebnisse einer Forschungsarbeit präsentiert. Im Paper ging es um ein Internet-basiertes Verfahren zur Auswahl von Ideen durch eine Gruppe. Der Artikel basiert auf der Abschlussarbeit des Studenten David Bobles, der von Jana und mir betreut wurde.
Ausgangspunkt der Studie war ein Auswahlverfahren, bei dem die Ideen auf die Gruppenmitglieder verteilt werden und jedes Mitglied für die ihm zugeteilten Ideen allein die Auswahlentscheidung trifft. Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern ist stark beschränkt. Dadurch sinkt das Vertrauen in die Urteile der anderen. In der Studie ging es darum, die Wirkungsweise der Verfahrens zu visualisieren und so Vertrauen in das Auswahlergebnis zu fördern.
Die wissenschaftliche Leitung der Tagung haben unser Paper zusammen mit zwei anderen mit einem Best Paper Award ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch an Jana und David!
Das Nutzenversprechen (englisch: Value Proposition) eines Produktes oder einer Dienstleistung beschreibt den Nutzen, den es bzw. sie dem Käufer anbietet. Beispielsweise ist das Nutzenversprechen eines Kinos Unterhaltung, das eines ICE schnelles und komfortables Reisen zwischen Großstädten.
Es ist wichtig, das Nutzenversprechen nicht mit Produkteigenschaften oder mit Vorteilen zu verwechseln. Das A8-Modell von Audi hat beispielsweise eine Aluminiumkarosserie mit dem Vorteil, dass sie nicht rostet. Das Nutzenversprechen ist aber, Geld und Umstände (für die Reparatur von Roststellen) zu sparen.
Das Nutzenversprechen spielt eine zentrale Rolle in der Definition eines Geschäftsmodells und ist daher in fast allen Schablonen vorgesehen. In der Geschäftsmodellinnovation ist es – zusammen mit der Zielgruppe und dessen Bedürfnisse – das Erste, was festgelegt wird. Entsprechend ist die Bewertung von Nutzenversprechen ein wichtiger erster Schritt in der Gesamtbewertung des Geschäftsmodells.
Der Erfolg eines neuen Produktes hängt entscheidend von seinem Nutzenversprechen ab. Bei einem Startup kann dies sogar die gesamte Existenz des Unternehmens bedeuten. Es ist also in einem Innovationsprojekt außerordentlich wichtig, das Nutzenversprechen mit den richtigen Kriterien zu bewerten und zu optimieren.
Die Checkliste
Wir haben eine Checkliste zur Bewertung von Nutzenversprechen entwickelt, die wir in unseren Geschäftsmodellinnovation-Workshops einsetzen. Die Checkliste hat neun Kriterien, deren Erstbuchstaben den hilfreichen Akronym VALUEPROP bilden. (Valueprop ist eine häufig anzutreffende Abkürzung für Value Proposition, die englische Übersetzung von Nutzenversprechen.)
V: Valuable (wertvoll)
A: Advantageous (vorteilhaft)
L: Lucid (klar)
U: Underserved (nicht ausreichend bedient)
E: Exclusive (exklusiv)
P: Precise (präzise)
R: Rare (selten)
O: Outperforming (überlegen)
P: Prioritized ((hoch-)priorisiert)
Valuable
Das Nutzenversprechen soll einen wertvollen Markt adressieren: Entweder sollte er sehr groß oder sehr zahlungskräftig (oder beides!) sein. Ist dies nicht der Fall, sind die Wachstums- und Gewinnchancen beschränkt.
Advantageous
Das Nutzenversprechen soll dem potentiellen Kunden einen deutlichen Vorteil in Aussicht stellen gegenüber den Alternativen, die ihm sonst zur Verfügung stehen.
Lucid
Das Nutzenversprechen muss (für die Zielgruppe!) klar verständlich sein. Apple hat 2001 mit seiner Werbung für das iPod ein gutes Beispiel dafür geliefert.
Underserved
Je weniger Konkurrenz es gibt, desto besser. Dies kann zwar die Anzahl der konkurrierenden Angebote bedeuten, meint aber vielmehr das Maß der Übereinstimmung ihres Nutzenversprechen mit den Bedürfnissen der Zielgruppe.
Exclusive
Je schwieriger es für Wettbewerber ist, mit einem ähnlichen Nutzenversprechen aufzutreten, desto besser.
Precise
Das Nutzenversprechen sollte zielgenau auf die Bedürfnisse der Zielgruppe treffen.
Rare
Das Nutzenversprechen sollte selten oder am besten einmalig in seiner Art sein.
Outperforming
Das Nutzenversprechen sollte eine Leistung anbieten, die die Leistung der Konkurrenten deutlich übertrifft.
Prioritized
Schließlich sollte das Nutzenversprechen auf ein Bedürfnis treffen, das für den Kunden eine hohe Priorität hat. Je wichtiger es ist, um so empfänglicher wird der Kunde dafür sein. Dieses Merkmal wird oft auch als Urgency (Dringlichkeit) bezeichnet.
Ein zentraler strategischer Faktor für die Gestaltung einer Dienstleistung ist ihre Wettbewerbsgrundlage. Es gibt vier verschiedene Ansätze für den Anbieter einer Dienstleistung, mit denen er seine Konkurrenzfähigkeit ausbauen kann. Diese nennen wir Performance (Leistung), Efficiency (Effizienz), Experience (Erlebnis) und Relationship (Beziehung). Es ist oft nicht möglich, auf mehr als einem dieser Gebieten gleichzeitig marktführend zu sein, also ist es eine strategische Entscheidung für ein Unternehmen, welchen Weg es für eine Dienstleistungsinnovation wählt.
Wir haben dieses Modell für den Einsatz in Kundenprojekten entwickelt, weil die vier Wettbewerbsansätze miteinander wenig kompatibel sind: Eine Dienstleistungsidee, um die Leistung des Service zu erhöhen kann wahrscheinlich nicht zum Erfolg führen, wenn das Unternehmen die Strategie der Kostenführerschaft verfolgt. Entsprechend wirkt sich die strategische Wahl auf das Workshop-Drehbuch, die Ideenfindungsmethoden und die Bewertungskriterien aus.
Vier Strategien für Dienstleistungsinnovationen
Die Titelgrafik zeigt das Strategie-Viereck mit der Kundenperspektive (blau) und der Anbieterperspektive (orange). Die beiden Strategien auf der linken Seite des Rechtecks beziehen sich auf die Dienstleistung selbst, die beiden auf der rechten Seite beziehen sich auf den Kunden.
Performance/Effectiveness
Eine Dienstleistung kann ihre Alleinstellungsmerkmale daraus beziehen, dass sie die höchste Leistung anbietet. Dies ist dann angemessen, wenn Kunden ihre Kaufentscheidung aufgrund der Wirksamkeit der Dienstleistung treffen. Vermögensverwalter beispielsweise werben mit der Rendite, die sie mit ihren Anlageempfehlungen für ihre Kunden erreichen. Ziel der Innovation bei dieser Strategie muss daher sein, die Leistung des Angebots zu erhöhen.
Cost/Efficiency
Die zweite Wettbewerbsstrategie ist die Kostenführerschaft. Die Supermärkte Aldi und Lidl sind Beispiele für diesen Ansatz. Schwerpunkt der Innovation in diesem Fall ist die Erhöhung der Prozesseffizienz, um Kosten zu senken oder Produktivität zu erhöhen.
Unternehmen mit Standardangeboten, die der Commoditisierung unterliegen, werden zu dieser Strategie gezwungen. Ein Strategiewechsel setzt voraus, dass das Unternehmen einen neuen Kundennutzen am Markt durchsetzen kann.
Experience/Emotion
Diese Strategie zielt darauf ab, Alleinstellungsmerkmale durch das Kundenerlebnis zu erarbeiten. Hier suchen die Kunden durch die Dienstleistung ein emotionales Ergebnis. Ein Beispiel hierfür sind die Disneyland-Themenparks oder die Harry Potter Filmstudios in London. Innovation bei dieser Strategie bedeutet in erster Linie die Intensivierung des Kundenerlebnisses.
Relationship/Intimacy
In diesem Fall erreicht und verteidigt der Dienstleister seine Marktposition durch die Beziehung zu seinen Kunden. Konkurrenten werden ausgeschlossen zum Beispiel durch ein tiefes Verständnis des Kunden sein, zum Beispiel der Arzt, der die Krankengeschichte seiner Patienten kennt oder der Schneider, der den Geschmack seiner Kunden versteht.
Im B2B-Fall kann es die enge Verzahnung der Dienstleistung mit den Prozessen des Kunden sein, die dem Anbieter einen Wettbewerbsvorteil geben. Das macht sie für den Kunden zu einem zweischneidigen Schwert.
Anwendung
Viele bekannte Strategien für Dienstleistungsinnovation lassen sich im Viereck verorten:
Service-Design befindet sich in der rechten unteren Ecke des Diagramms, da es zum Ziel hat, das Dienstleistungserlebnis zu gestalten und zu verbessern. Momente der Wahrheit sind ein Beispiel aus diesem Bereich.
Value Innovation steht oben links im Rechteck. Hier geht es darum, den Kundennutzen des Angebots zu erhöhen, zum Beispiel mit Hilfe der PERFECT-Checkliste, die die verschiedenen Arten von Kundennutzen erklärt.
Servitization ist eine Strategie der Geschäftsmodellinnovation, die an der oberen Kante des Vierecks steht. Sie stellt den Versuch eines Lieferanten dar, sich durch Dienstleistungen mit dem Kunden enger zu verzahnen, um dessen Effektivität zu erhöhen.
Die Mr. X-Technik ist eine schnelle Methode für die kreative Ideenfindung, die sich für einfache Aufgaben eignet. Wir setzen sie in unseren Workshops gerne ein, es sei denn, die Komplexität der Aufgabenstellung lässt es nicht zu. In ihrer schlichtesten Form besteht sie aus einer einzigen Frage:
Was würde <Mr. X> tun?
Voraussetzung für die Durchführung ist eine vorbereitete Liste von geeigneten Personen oder Organisationen, die für <Mr. X> eingesetzt werden können. Jede Ideenfindungsaufgabe wird ihre spezifischen „Mr. Xe“ haben, die eine besondere Funktion haben. Zum Beispiel würden wir in einem Ideenworkshop für Geschäftsmodellinnovationen erfolgreiche Unternehmen wählen. Dafür haben wir sogar eine spezielle Inszenierung, die wir IBMisieren nennen.
Neben den aufgabenspezifischen Beispielen ist es immer hilfreich, auch allgemeine Mr. Xe verfügbar zu haben. Diese bringen Abwechslung in die Methode und können auch dazu genutzt werden, um die Stimmung aufzulockern: Wie würde Harry Potter für unsere Neueröffnung werben?
Im Folgenden präsentieren wie einen Auszug aus unserer Mr. X-Sammlung. Es sind jeweils 10 Beispiele aus zehn verschiedenen Kategorien.
In reifen Märkten ist Wachstum allein durch inkrementelle Produktinnovation kaum noch möglich. Hier erfüllen Verbesserungen am Produkt hauptsächlich die defensive Funktion, die Commoditisierung abzuwenden. Um offensive Ziele wie Wachstum oder Diversifizierung zu erreichen, sind oft Änderungen am gesamten Geschäftsmodell erforderlich.
Eines der derzeit bekanntesten Beispiele für eine solche Geschäftsmodellinnovation ist Apple, die sich von einem Nischenhersteller von Rechnern zu einem Marktführer in persönlichen Medien gewandelt hat. Apple bietet heute nicht nur ihren Rechner Macintosh an, sondern auch iPod, iPhone und iPad. Zusätzlich verdient Apple durch ihre Medienplattformen iTunes und Appstore durch die Erzeugnisse von Softwareherstellern, Musikern und Filmstudios. Den Umsatzanteil durch Macintosh betrug im ersten Quartal 2014 nur rund 11%. Dieser Wandel im Geschäftsmodell wurde 2007 durch eine Namensänderung von Apple Computer zu Apple dokumentiert.
Die Branchenregeln aufheben
Eine Chance zum Wachstum in einem reifen Markt liegt darin, eine von allen Marktteilnehmern geglaubte „Regel“ zu brechen, um einen neuen Kundennutzen oder eine neue Business-Architektur zu erhalten. Wem dies als Erster gelingt, genießt die First Mover-Vorteile und – zumindest vorübergehend – ein Monopol. Dieser Vorgehensweise wurde seit dem Erscheinen des Buches Blue Ocean Strategy von W. Chan Kim und Reneé Mauborgne im Jahr 2005 viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Paradebeispiel von Kim und Mauborgne für das Brechen der Branchenregeln ist der kanadische Zirkus Cirque du Soleil. Indem er auf traditionelle Elemente des Zirkus wie Tiere verzichtete und der Vorstellung Aspekte einer Oper- oder Theaterdarbietung gab, wurde ein völlig neue Art von Unterhaltung geboren, die auch für neue Zielgruppen attraktiv war. Inzwischen ist Cirque du Soleil ein multinationales Unternehmen mit etwa 4000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von mehr als 800 Millionen US-Dollar.
Beispiel: IKEA
Die Titelgrafik zeigt eine Parallelkoordinatendiagramm, in dem das Geschäftsmodell von IKEA den traditionellen „Regeln“ der Möbelbranche gegenübergestellt sind. (Seit Blue Ocean wird dieses Diagramm oft Strategy Canvas genannt.) Es sind die folgenden sieben Koordinatenachsen eingetragen:
Brand: IKEA ist eine Marke mit einer starken Präsenz, die ein klares Bild im Kopf des Verbrauchers erzeugt. Selbst jetzt, mehr als 50 Jahre nach der Eröffnung des ersten Möbelhauses, gibt es keine vergleichbare Marke in der Branche.
Auswahl: Während traditionelle Möbelhäuser nur ein relativ kleines Angebot hatten, bot IKEA eine Vielzahl an Alternativen bei fast allen Möbelarten an.
Verfügbarkeit: Alle im Haus ausgestellten Waren können sofort mitgenommen werden; im traditionellen Möbelhandel musste man 6 Wochen oder länger auf die Anfertigung der bestellten Stücke warten.
Gesamtkonzept: Der Besuch in einem IKEA-Haus ist ein Erlebnis, das sich nicht auf Warenausstellung beschränkt, sondern auch Kinderparadies, Café und schwedische Lebensmittelspezialitäten erstreckt.
Lebensdauer: Die Haltbarkeit vieler IKEA-Produkte ist sehr gering im Vergleich zu klassischer Möbel.
Service: IKEA bot keine Lieferung nach Hause und berühmterweise nicht einmal den Aufbau der Produkte – dies war (und ist heute noch) dem Kunden überlassen. Dieses Merkmal wurde zum Wahrzeichen von IKEA.
Preisgünstig: Der Preis für IKEA-Möbel lag deutlich unter dem traditionell hergestellter und vertriebener Produkte.
IKEA hat also mit seinem Geschäftsmodell – zumindest in Bezug auf diese sieben Parameter – die Regeln der Branche auf den Kopf gestellt. Die blaue Linie, die IKEA im Diagramm kennzeichnet, verläuft genau entgegensetzt zu der roten Linie, die die Branche bis dahin beschreibt. Inzwischen haben andere Anbieter natürlich IKEA in manchen Punkten nachgemacht, und IKEA hat auch Änderungen vorgenommen. (Es gibt beispielsweise mittlerweile einen Lieferdienst.)
Es ist heute schwer nachvollziehbar, wie radikal die Entscheidung von damals war, Tische und Schränke aus flachen Komponenten zu bauen, die im sogenannten Flatpack verpackt extrem platzsparend transportiert und gelagert werden konnten. Die ermöglichte Effizienzen in der Logistik, die mit aufgebauten Möbelstücken nicht zu erreichen waren. Die so entstandene Kostenersparnis konnte an den Kunden weitergegeben werden. Auf einmal wurde Möbel für junge Menschen erschwinglich, und der Selbstaufbau zu einem Symbol des Unabhängigwerdens vom Elternhaus. So ist aus einem Ein-Mann-Unternehmen ein Konzern mit mehr als 28 Milliarden Euro Umsatz im Jahr geworden.
Anwendung
Eine Geschäftsmodellinnovation erfolgreich durchzuziehen, die nicht nur die eigene Organisation, sondern auch die Regeln der Branche auf den Kopf zu stellen, ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Dazu bildet ein Unternehmen ein Projektteam, das in mehrmonatiger Arbeit die Regeln des eigenen Marktes analysiert und geeignete Kandidaten ausfindig macht. Es werden auch Innovationsworkshops durchgeführt, um einen größeren Kreis von Mitarbeitern, externe Experten oder Kunden in den Prozess zu integrieren.
Drehbuch und Moderation solcher Workshops sind sehr anspruchsvoll, und es werden gute Werkzeuge (wie den oben gezeigten Strategy Canvas) benötigt. Der Moderator muss erfahren sein, um die unbewussten Annahmen der Teilnehmer zu erkennen und mit entsprechenden Beiträgen in Frage zu stellen. Demzufolge kommen Provokationen sehr oft zum Einsatz.
Viele erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen waren zum Zeitpunkt ihrer Einführung radikale Brüche mit dem Gewohnten. Es lohnt sich, sich darüber bewusst zu machen, wie die Vorschläge damals gewirkt haben müssen:
Wir bauen die Möbel gar nicht auf (IKEA).
Man kann ohne Geld einkaufen (Kreditkarte).
Der Kunde muss die Ware selbst aus dem Regal holen (Supermarkt).
Unsere Kunden stellen die Bausätze zusammen, die wir verkaufen (LEGO).
Anstatt wie bisher Rechner zu bauen, zu denen es gelegentlich auch eine Dienstleistung gab, wollen wir in Zukunft IT-Dienstleistungen anbieten, zu denen hin und wieder auch Rechnerhardware gehören könnte (IBM).
Diese Übung hilft, Mut zu „Regelverstößen“ im eigenen Umfeld zu machen.
Die Mr. X-Technik ist eine einfache Methode, um Ideen für Geschäftsmodelle zu finden. Sie nutzt fremde Personen oder Organisationen als Perspektivwechsel und fragt, Was würde X an unserer Stelle tun? Die Inspirationen können entweder rein zufällig gewählt werden, oder sie können einen gewissen Vorbildcharakter für die Aufgabenstellung haben. Im Kundenworkshop verwenden wir sorgfältig gewählte Perspektivwechsel, weil es einfacher und effizienter ist. (Man braucht viel Übung mit der Zufallsmethode, um beispielsweise aus der Anregung Was für ein Geschäftsmodell würde uns ein Papagei empfehlen? etwas Nützliches zu ziehen.)
Mit einer guten Wahl der Perspektiven eignet sich die Methode gut, um Ideen für Geschäftsmodelle zu finden, denn es ist naheliegend, zu betrachten, mit welchen Lösungen andere Unternehmen erfolgreich sind. In diesem Artikel stellen wir mit dem „IBMisieren“ eine besondere Inszenierung der Mr. X-Technik vor, die sich für den Einsatz im Innovationsworkshop anbietet.
Das Geschäftsmodell ‚IBMisieren‘
Voraussetzung für die Durchführung der Methode ist eine vorbereitete Liste von Unternehmen mit erfolgreichen Geschäftsmodellen. Die Wortwolke in der Titelgrafik enthält beispielsweise die folgenden Namen:
IBM
Virgin
De Beers
McDonalds
Rocket Internet
Sixt
Google
McKinsey
Tupperware
Deutsche Bahn
Uber
Amazon
Salesforce
Y Combinator
Deutsche Börse
eBay
Disney
Cartier
Commerzbank
General Electric
Apple
Zynga
Vodafone
Volkswagen
Bayern München
Die Ideenfindung besteht einfach darin, Inspiration in fremden Modellen zu suchen. Wenn die Inspiration die Firma IBM ist, dann fragen die Teilnehmer, Wie könnten wir unser Geschäftsmodell IBM-isieren?
Es sind natürlich auch andere Unternehmen. Wichtig ist aber, dass ihre Geschäftsmodelle den Workshop-Teilnehmern bekannt sind.
Beispiele
Perspektivwechsel:Wie könnten wir unser Geschäftsmodell tupperware-isieren? Rohidee: Ausgewählte Kunden als Vertriebspartner gewinnen.
Perspektivwechsel:Wie könnten wir unser Geschäftsmodell mcdonald-isieren? Rohidee:Wir verkaufen Franchises.
Perspektivwechsel:Wie könnten wir unser Geschäftsmodell commerzbank-isieren? Rohidee: Wir bieten unseren Kunden die Finanzierung des Kaufs unserer Produkte an.
Varianten
Die Technik funktioniert gut in internationalen Workshops, weil bekanntlich gilt: In English, every word can be verbed. Auf Deutsch darf aber nicht jedes Wort ‚geverbt‘ werden, sodass eine gewisse Verspieltheit bei den Teilnehmern erforderlich ist.
Wem die ‚Verbisierung‘ von Unternehmensnamen nicht gefällt, kann stattdessen konservativere Formulierungen verwenden, zum Beispiel:
Was könnten wir vom Geschäftsmodell von Bayern München lernen?
Was würde McDonalds an unserem Geschäftsmodell ändern?
Neben den Eigennamen von Unternehmen können auch Industrien, Unternehmensarten, Produktgattungen oder Berufe eingesetzt werden, zum Beispiel:
Wie könnten wir unser Geschäftsmodell bergwerk-isieren?
Wie könnten wir unser Geschäftsmodell kino-isieren?
Wie könnten wir unser Geschäftsmodell werkzeugkasten-isieren?
Wie könnten wir unser Geschäftsmodell feuerwehr-isieren?
Nach unserer Erfahrung freuen sich kreativ veranlagte Workshop-Teilnehmer über solche Anregungen, was natürlich für die Ideenfindung sehr förderlich ist.
Innovationsworkshops sind im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ein hilfreiches Werkzeug. Da die Geschäftsmodellierung nicht immer jedem Teilnehmer geläufig ist, es oft hilfreich, sie zunächst an das Konzept heranzuführen. Dafür setzen wir gern eine spielerische Übung ein, die schnell die wichtigsten Elemente des Geschäftsmodells vorstellt und zudem noch Spaß macht.
Das Kuhspiel
Zunächst wird den Teilnehmern der Aufbau eines Geschäftsmodells erklärt. Für Standardsituationen verwenden wir dafür die Business Model Canvas. Danach werden sie in Teams eingeteilt, und der Moderator schenkt jedem Team eine Kuh. Dann haben die Teams 15 Minuten Zeit, um so viele Geschäftsmodelle wie möglich zu entwickeln, die eine Kuh als Kernressource verwenden. Danach werden die lustigsten Lösungen in der Gruppe vorgestellt. Die Übung funktioniert deswegen gut, weil viele der entwickelten Modelle absurd sind.
Beispiele
Die Kuh wird an den Schlachthof verkauft. Es gibt einen einmaligen Verkaufserlös.
Milch wird als Produkt verkauft. Der Kunde ist eine Bauernkooperative. Es muss eine Magd eingestellt werden, um die Kuh zu melken. Es gibt tägliche Erlöse aus dem Verkauf der Milch. Kosten sind Lohn für die Magd und Futter für die Kuh. Werteversprechen sind gesunde Ernährung und Naturbelassenheit.
Die Kuh wird an eine Streichelfarm für Stadtkinder vermietet. Es gibt monatliche Mieterlöse. Kosten gibt es keine.
Es werden Reitstunden auf der Kuh gegeben. Kunden sind Grundschulen in der Region.
Die Kuh wird als „Rasenmäher“ vermietet. Kunden sind Hausbesitzer in der selben Stadt. Nutzenversprechen ist ein gutes Gefühl durch ökologische Korrektheit. Erlöse werden in „gemähten“ Quadratmetern berechnet. Als weitere Ressource wird ein Junge gebraucht, der die Kuh zum Einsatzort und wieder zurück führt.
(Natürlich kann jedes beliebige Objekt ansteller der Kuh verwendet werden. Einzige Bedingung ist, dass (mit ein bisschen Fantasie) viele verschiedene Geschäftsmodelle daraus gemacht werden können.)
Ein Geschäftsmodell zeigt, wie wichtige Komponenten des Unternehmens zusammenspielen, um Werte zu schaffen und aus dieser Wertschöpfung Gewinne zu erzielen. Es dient als Blaupause bei einer Unternehmensgründung und als Gestaltungswerkzeug bei der Unternehmensentwicklung.
Es gibt viele verschiedene Vorschläge zur Beschreibung von Geschäftsmodellen; Die meisten von ihnen habe die Form einer Schablone. Die Titelgraphik zeigt eine Geschäftsmodellschablone, die wir in unseren Innovationsworkshops verwenden. Dieses Modell umfasst neun Komponenten und ist eine Synthese aus mehreren Vorschlägen, insbesondere des Business Model Canvas von Alex Osterwalder. Die neun Komponenten sind:
Das Angebot, also das Produkt des Unternehmens (in diesem Modell werden Dienstleistungen als Produkte behandelt),
Die Wert schaffenden Aktivitäten, die im Unternehmen betrieben werden, um das Produkt bereitstellen zu können,
Die Zielgruppe, an die das Angebot vermarktet wird,
Die Kundenschnittstelle beschreibt die Känale, durch die das Unternehmen Kontakt mit seiner Zielgruppe aufnimmt und unterhält. Hierzu gehören u.a. die Werbestrategie, Vertriebsstruktur, und Maßnahmen zur Kundenpflege,
Die Kostenstruktur beschreibt die unterschiedlichen Kostenarten, die bei der Bereitstellung und Vermarktung des Angebotes anfallen, beispielsweise Lizenzgebühren, Rohstoffeinkauf und Gehälter,
Die Erlösestruktur gibt an, auf welchen Wegen das Unternehmen Erlöse einnimmt, z.B. durch Produktverkauf, Mitgliedsgebühren oder Vermittlungsprovisionen,
Die Kernressourcen sind die wesentlichen und charakteristischen Elemente, die die Voraussetzung für die Wertschöpfung bilden. Hierzu gehören Monopolstellungen, gesetzliche Zulassungen und Kernkompetenzen,
Das Wertenetzwerk umfasst die externen Partner, mit denen gemeinsam das Angebot hergestellt und vermarktet wird, u.a. Lieferanten, Vertriebspartner und Anbieter komplementärer Produkte,
Die Wettbewerbsstrategie beschreibt, wie sich das Unternehmen im Wettbewerb positioniert, z.B. in Bezug auf ihre Technologiestrategie, die Differenzierungsmerkmale ihrer Produkte oder ihr Image.
Servitization bedeutet in mehrfacher Hinsicht eine große Herausforderung für ein Unternehmen. Der Wechsel von einem Hersteller zu einem Dienstleister wirkt sich auf nahezu jeden Aspekt eines Unternehmens aus: Kompetenzen, Ressourcen, Kundenbeziehungen, Risikomanagement und Finanzierung müssen grundlegend geändert werden, wenn diese Innovation am Geschäftsmodell gelingen soll.
Da das Service-Geschäft auch für die Unternehmensleitung oft unbekanntes Terrain ist, werden Werkzeuge und Denkmodelle benötigt, die die verfügbaren Alternativen und deren Vor- und Nachteile aufzeigen und vergleichen. Die erworbenen Kenntnisse bilden dann die Grundlage für die Formulierung einer Servitization-Strategie. In diesem Beitrag zeigen wir ein eigenes Modell, das wir für den Einsatz in unseren Innovationsworkshops entwickelt haben.
Das Modell
Das Modell zeigt sechs verschiedene Kategorien von Servitization. Sie werden in einer 3×2-Matrix organisiert, die auf der vertikalen Achse den Empfänger der Dienstleistung und auf der horizontalen Achse die Herkunft der Dienstleistung unterscheidet.
Feld 1: Produkt/Kunde
Das Feld in der unteren linken Ecke beschreibt Dienstleistungen am Produkt, die zuvor vom Kunden selbst durchgeführt wurden. Dies sind die naheliegendsten Kandidaten für die Servitization. Es kann sich aus wirtschaftlichen Gründen für den Käufer einer teuren und komplizierten Anlage anbieten, die Wartung oder Instandhaltung nicht selbst zu machen, sondern an den Hersteller abzugeben.
Wenn der Vertrag einen Tagessatz oder einen Pauschalbetrag für die Dienstleistung vorsieht, ist die Hürde für Käufer und Hersteller niedrig. Sieht er aber eine kennzahlenbezogene Entlohnung (zum Beispiel nach geleisteten Betriebsstunden der Anlage) oder eine Verfügbarkeitsgarantie vor, ist die Schwelle höher, weil für beide Seiten mit neuen Bedingungen und Risiken versehen.
Feld 2: Kunde/Kunde
Auch im Feld oben links übernimmt der Hersteller eine Leistung, die bisher beim Kunden lag, allerdings bezieht diese sich in diesem Fall nicht direkt auf das Produkt. Dies könnten beliebige technische Dienstleistungen sein wie Entwicklung, Test oder auch Installation. Diese Services könnten die Folge eines temporären Engpasses beim Kunden oder aber auch eine dauerhafte Einrichtung sein. Das zweite Beispiel in diesem Feld ist die Finanzierung des Produktes – der Hersteller könnte hier günstigere Konditionen anbieten als die interne Finanzierungsquelle des Kunden. Finanzdienstleistungen können aber auch zum Feld 4 (Kunde/Dritte) gehören, wenn der Hersteller an die Stelle eines dritten Finanzierers tritt.
Feld 3: Produkt/Dritte
Im Feld 3 (unten Mitte) bietet der Hersteller Dienste an, die mit dem Produkt zusammenhängen und bisher von Dritten durchgeführt wurden. Ein einfaches Beispiel ist der Transport des Produktes (zum Beispiel zum Einsatzort). Eine aufwendigeres Beispiel sind Zertifizierungen, zum Beispiel die vom Gesetzgeber regelmäßig geforderten Sicherheitsprüfungen.
Feld 4: Kunde/Dritte
Zu diesem Feld gehören – wie bereits erwähnt – Finanzdienstleistungen. Es könnte im Interesse des Herstellers liegen, günstigere Konditionen anzubieten als eine Bank, wenn dies beispielsweise für die Kundenbindung förderlich ist.
Feld 5: Produkt/Neu
Im Feld unten rechts stehen Dienstleistungen am Produkt, die es bisher noch nicht gegeben hat. Ein Beispiel ist die Fernüberwachung des Produktes im Betrieb. Das Produkt wird vom Hersteller mit Sensoren ausgetattet, die Information über den Status wichtiger Komponenten senden. Damit können vorbeugende Wartungsmaßnahmen effizienter geplant werden oder im Falle eines drohenden Versagens schnell die Reparatur eingeleitet werden. Dieser Dienst wird oft bei teuren, komplexen Geräten und Anlagen wie Hubschrauber oder Großrechner angeboten.
Das zweite Beispiel in diesem Feld sind Verfügbarkeitsgarantien: Der Hersteller garantiert eine bestimmte Verfügbarkeit seines Produktes. Diese Garantie wird sinnvollerweise nur in Verbindung mit der Betreuung des Gerätes ausgesprochen. Außerhalb des Servitization-Kontexts gehören solche Garantien bei IT-Dienstleistungen zur Normalität.
Feld 6: Kunde/Neu
Im letzten Feld oben rechts stehen bisher nicht existierende Dienstleistungen ohne unmittelbaren Bezug zum Produkt. Pay-per-use und Risikoverteilung (risk-sharing) werden – wie die Verfügbarkeitsgarantie – im Zusammenhang mit der Betreuung des Produktes angeboten. Da der Hersteller nicht das Gerät, sondern dessen Funktion verkauft, werden Bezahlmodelle möglich, denen die tatsächlich geleistete Arbeit des Gerätes zugrunde liegt (und nicht der Eigentumserwerb). Bei dieser Konstellation ist es auch möglich, das Ausfallrisiko zwischen Kunde und Hersteller aufzuteilen.
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