Wider den Stage-Gate-Prozess

tom fishburne

Der Comic-Zeichner Tom Fishburne ist auf Marketing- und Innovationsthemen spezialisiert. Er veröffentlicht jede Woche treffende Beobachtungen aus dem Unternehmensalltag in visueller Form. In dieser Zeichnung prangert er den allgegenwärtigen Stage-Gate-Prozess an, dem er die Schuld für das Scheitern vieler guten Ideen in Unternehmen gibt. Dasa Bild erinnert an das ehemalige Checkpoint Charlie zwischen Ost- und West-Berlin.

Der Stage-Gate-Prozess wird fast überall eingesetzt, um Innovationsprojekte zu strukturieren. Zwischen den einzelnen Arbeitsphasen („Stages“) gibt es Kontrollpunkte („Gates“) bei denen die einzelnen Ideen bzw. Projekte entweder fortgesetzt oder beendet werden.

Dieses Prinzip macht zunächst viel Sinn, denn es erlaubt eine Besserung Lenkung des Ressourcenverbrauchs und sorgt dafür, dass schwache Projekte rechtzeitig beerdigt werden. Nur ist es leider so, dass in den meisten Organisationen eine Kultur der Risikovermeidung vorherrscht. Dies führt dazu, dass gerade ungewöhnliche (und damit auch innovative) Ideen in den Gates hängen bleiben, und nur sichere, gewöhnliche Ideen befördert werden. Wie Fishburne schreibt: „Die meisten Unternehmen besitzen viel mehr Werkzeuge, um Ideen zu kaputtzuschneiden, als um sie zu züchten.“

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Kreatives Denken trainieren mit der Bleistift-Übung

kreatives denken trainieren mit der bleistift-übung

Laut OECD bedeutet kreatives Denken die Kompetenz, vielfältige, kreative Ideen zu produzieren, zu evaluieren und zu verbessern. Das kreative Denken war Bestandteil der PISA-Studie 2022. Man muss aber nicht Naturtalent sein, um Ideen zu produzieren, denn es ist möglich, kreatives Denken zu trainieren. Die Übungen dazu setzen wir bei Kundenprojekten gern als Aufwärmspiele ein.

Man kann kreatives Denken trainieren

In der Ideenfindung, die im Rahmen von Innovationsprojekten erfolgt, setzen wir gezielt Perspektivwechsel wie beispielsweise Provokation, Analogie, oder Mr. X ein. Mit Hilfe dieser Techniken kann jeder Mensch gute Ideen finden. Allerdings gibt es eine nützliche (Denk-)Fähigkeit, die die Arbeit mit diesen Techniken ergiebiger macht. Das ist die Fähigkeit, zu einer beliebigen Anregung schnell viele Attribute und Merkmale zu finden und diese anschließend auf die Ideenfindungsaufgabe zu übertragen. Die Bleistift-Übung hilft, diese Denkfähigkeit zu trainieren.

Die Bleistift-Übung

Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrer beruflichen Situation unzufrieden, und Sie suchen Ideen, wie Sie vorwärts kommen. Nur fällt Ihnen leider nichts ein. Das einzige Objekt, das Ihnen zur Hand liegt, ist ein Bleistift, also beschließen Sie, diesen Bleistift als Anregung zu nutzen. Dazu betrachten Sie den Bleistift und machen sich dessen Eigenschaften bewusst. Anschließend versuchen Sie, diese Eigenschaften auf Ihre Situation anzuwenden. Das könnte beispielsweise wie folgt aussehen:

  • Der Bleistift hat mehrere Seiten: Vielleicht sollte ich vielseitiger werden, z.B. indem ich mir eine neue Kompetenz aneigne.
  • Der Bleistift ist spitz: Vielleicht muss ich mich in manchen Situationen mehr anstrengen, meine Meinung durchzusetzen.
  • Der Bleistift hat einen Metallring: Der Ring ist ein Symbol für Partnerschaft; vielleicht sollte ich mein Netzwerk erweitern oder eine Zusammenarbeit anstreben.
  • Der Bleistift ist gelb: Gelb ist die Farbe des Optimismus; vielleicht brauche ich eine bessere Haltung, damit ich mehr Gelegenheiten erkenne oder einen positiven Einfluss auf meine Mitmenschen habe.
  • Der Bleistift ist steif: Möglicherweise bin ich zu dogmatisch oder unbeweglich in meinen Ansichten und sollte mehr Flexibilität zeigen. Oder vielleicht ist das Gegenteil der Fall, und ich sollte in manchen Situationen mehr Rückgrat zeigen.

Es muss kein Bleistift sein

Natürlich muss es kein Bleistift sein – die Übung muss mit jedem Objekt funktionieren. Darum gibt es eine alternative Version der Bleistift-Übung, die wir Erdbeerjoghurt-Test nennen. Wenn Sie mit jedem beliebigen Begriff auf ähnliche Weise schnell viele Ideen finden können, erfüllen Sie die einzige Voraussetzung, um mit Ideenproduktionstechniken effektiv umgehen zu können!

Probieren Sie es aus, indem Sie weitere Erklärungen für die berufliche Unzufriedenheit mit Hilfe der folgenden Anregungen finden:

  • Erdbeerjogurt
  • Philosophenkongress
  • Adlerfeder
  • Müllbeutel
  • Ingenieurbüro

(Und wie bei allen Fähigkeiten gilt: Übung macht den Meister!)

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Kreatives Denken üben mit Provokationen

Mit PAPI grüne Produktideen finden

papi grüne produktideen

Umweltfreundliche Produkte und grüne Produktion nehmen an Bedeutung zu. Dies macht sich auch an den Innovationsthemen bemerkbar, mit denen wir beauftragt werden. Für zwei Auftraggeber – beide DAX-Unternehmen – haben wir für unsere Drehbücher in der Ideenproduktion die oben stehende kleine Tabelle entwickelt.

Die Tabelle trägt den leicht zu merkenden Namen „PAPI“ – ein Akronym, der aus den Zeilenüberschriften gebildet wird. Die Tabelle liefert Anregungen, die zu neuen Ideen führen sollen. Die Zeilen der Tabelle sind wie folgt definiert:

  • Phase bezeichnet die Phase im Lebenszyklus des Produktes. Sie kann entweder das Produkt selbst oder dessen Anwendung bzw. Betrieb meinen.
  • Action bezeichnet die Aktion, die zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit beitragen soll.
  • Physics unterscheidet zwischen Energie- und Materialverbrauch.
  • Interface bezeichnet die Schnittstelle zur Umwelt und kann entweder Zufluss oder Abfluss sein.

Die Tabelle wird verwendet, indem zunächst aus jeder Reihe eine der beiden Alternativen gewählt wird. Aus den vier Begriffen wird dann eine Frage gebildet, die als Anregung für eine Idee dient. Einige Beispiele für solche Fragen sind:

  • Use-Reduce-Energy-Output: Wie können wir den Elektrosmog verringern, den das Produkt während des Betriebs erzeugt?
  • Use-Replace-Material-Input: Wie können wir den Toner im Fotokopierer durch einen umweltfreundlicheren ersetzen?
  • Product-Replace-Material-Output: Wie können wir die Materialien im Produkt durch biologisch abbaubare ersetzen? (Man verringert dadurch den Müll, wenn das Produkt entsorgt wird.)
  • Product-Reduce-Material-Input: Wie können wir den Herstellungsprozess modifizieren, um den Verschnitt zu reduzieren?

Solche Fragen dienen den Experten als Denkanstöße, die zu neuen Ideen führen. Ein erfahrener Moderator kann mit Hilfe dieses kleinen Werkzeugs eine Fülle derartiger Fragen erfinden.

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Ein Elevator Pitch für Geschäftsideen

Elevator Pitch für Geschäftsideen

In Gründerkreisen ist das Elevator Pitch (Deutsch etwa Fahrstuhl-Verkaufspräsentation) inzwischen ein Standard-Werkzeug geworden. Beim Elevator Pitch muss man seine Geschäftsidee binnen sehr kurzer Zeit einem potentiellen Investor vorstellen. Das knappe Zeitlimit von einer oder zwei Minuten zwingt den Gründer dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Das Elevator Pitch ist aber auch im Innovationsprozess sehr nützlich, denn es bringt alle wichtigen Argumente auf den Punkt und bildet somit einen idealen Ausgangspunkt für eine Ideenbewertung. Es wird erst in einer späten Bewertungsphase angewendet, wenn die Ideen ausgereift sind. Wir beenden auch unsere Ideenworkshops gerne mit Elevator Pitches der Siegerideen, weil die Teilnehmer dadurch erleben, was sie gemeinsam in einem oder zwei Tagen Arbeit erreicht haben.

Für innovative Geschäftsideen gibt es eine nützliche Schablone von Geoffrey Moore. Diese Schablone bietet eine Struktur, die leicht zu vervollständigen ist und sich in etwa einer Minute präsentieren lässt. Sie sieht wie folgt aus:

  • Für [Zielgruppe], die
  • [Problem/Bedürfnis] haben,
  • ist [Produkt] ein [Produktkategorie], das
  • [wichtigster Vorteil] bietet.
  • Im Gegensatz zu [Wettbewerb/Alternative],
  • leistet [Produktname] [wichtigstes Unterscheidungsmerkmal].

Für eine (hypothetische) Smartphone-App namens Spesen123, die Reisekosten verwaltet, könnte das wie folgt aussehen:

  • Für Geschäftsleute, die viel unterwegs sind und keine Zeit für komplizierte Reiseabrechnungen haben, ist Spesen123 eine App für Smartphones, die erstaunlich intuitiv zu bedienen ist. Im Gegensatz zu Desktop-basierter Unternehmenssoftware, ermöglicht Spesen123 selbst komplizierte Abrechnungen in weniger als fünf Minuten.

Obwohl das Endergebnis einfach aussieht, bedarf es erfahrungsgemäß einiger Diskussionen, bis der Auftraggeber seine Ideen so kompakt beschreiben kann. Damit dient die Übung zugleich als Test, ob eine Geschäftsidee gut durchdacht ist.

Wozu brauchen Sie Innovation? Der „Acid Test“

Wozu brauchen Sie denn Innovation? Dies ist die erste Frage, die wir klären müssen, wenn wir ein Innovationsprojekt mit einem neuen Kunden starten. Denn manchmal hat sich ein Kunde, der keinen fest installierten Innovationsprozess hat, darüber keine allzu genauen Gedanken gemacht. Natürlich hängt der Erfolg jeder Innovationsaktivität von der Antwort auf diese Frage ab.

Um diese Antwort mit dem Kunden gemeinsam aufzudecken, verwenden wir eine Liste aus acht Fragen. Diese kann man sich mit dem Akronym ACID TEST leicht merken.

  • Ansoff: Welchen Marketing-Zielen soll die Innovation dienen? Die Ansoff-Matrix zeigt vier Wachstumsbereiche, die Innovation notwendig machen können.
  • China: Mit was für einem Angebot könnte ein plötzlich erscheinender Quereinsteiger aus China in Ihrem Markt punkten?
  • Innovativeness: Auf einer Skala von 1 bis 10, für wie innovativ halten Sie sich und warum?
  • Dangers: Welche Gefahren gibt es zur Zeit für Ihre Marktposition und Ihre Wettbewerbsfähigkeit?
  • Ten Years: Wo soll Ihr Unternehmen in 10 Jahren stehen?
  • Environment: Welchen Druck übt Ihr Marktumfeld auf Sie aus?
  • Strategy: Wie sieht Ihre Unternehmensstrategie aus?
  • Takeover: Was würde sich bei Ihnen ändern, wenn Sie von <X> aufgekauft werden würden? Für <X> kann man z.B. Google, TATA Group oder Warren Buffett einsetzen.

Die Fragen T(en years) und S beziehen sich auf die Unternehmensstrategie und deren Anforderungen an die Innovation. Die Fragen D und E untersuchen, welche externen Einflüsse (z.B. Kunden, Lieferanten und Konkurrenten) Innovationen notwendig machen könnten. Die Fragen A und I sind klassische Themen des Innovationsmanagements. Die Fragen C und T(akeover) schließlich sind Perspektivwechsel, die helfen sollen, Betriebsblindheit zu überwinden und Fantasie zu entwickeln.

Der Acid Test wurde in vergangenen Jahrhunderten verwendet, um zu prüfen, ob ein Objekt aus Edelmetall war. Man tröpfelte Salpetersäure auf das Objekt: wenn es zischte, war es eine Fälschung, denn Edelmetall reagiert mit der Säure nicht. Heutzutage wird der Begriff Acid Test umgangsprachlich für viele Arten von Qualitäts- oder Echtheitstests verwendet.

Rettungsfragen validieren die Ideenbewertung

rettungsfragen

Die Bewertung von Ideen ist der schwierigste Teil der ersten Innovationsphase. Besonders die radikalen Ideen sind schwer einzuschätzen, da die Voraussetzungen für ihr Gelingen (oder Misslingen) oft nicht bekannt sind.

Im Ergebnis gibt es nur zwei Arten von Bewertungsfehler: den Ablehnungsfehler und den Annahmefehler. Beide Arten von Fehler können einem sehr teuer zu stehen kommen: ein Ablehnungsfehler führt zu einer verpassten Gelegenheit (eine gute Idee wird nicht weiter verfolgt), während ein Annahmefehler Kosten Ressourcen verschwendet (durch die Weiterbeschäftigung mit einer Idee, die sich später als erfolglos erweisen wird).

Wegen der hohen Kosten, die Bewertungsfehler verursachen können, liegt die Frage nahe, wie man sich dagegen schützen kann. Natürlich könnte man alle Ideen, die man hat, sorgfältig recherchieren, aber dies ist in der Regel unpraktikabel. Einen kleinen Schutz bieten Fragen, die auf den üblichen Ursachen für Bewertungsfehler basieren, oder die mit einem Perspektivwechsel Denkfehler überwinden können. Solche Fragen nennen wir Rettungsfragen.

Bevor man eine Idee endgültig ablehnt, kann man beispielsweise fragen …

  • Was wäre, wenn unsere Konkurrenz diese Idee verwirklichen würde?
  • Fehlt uns vielleicht nur ein Stückchen Mut oder Fantasie?
  • Welche Umstände bräuchte es, damit diese Idee doch attraktiv wird?
  • Was könnten wir tun, um Akzeptanz für diese Idee zu erhöhen?
  • Was müsste eintreten, damit diese Idee funktioniert?
  • In welcher speziellen Situation würde diese Idee bereits heute funktionieren?
  • Auf welcher Annahme beruht unsere Ablehnung dieser Idee?
  • Wie könnten wir in zehn Jahren unsere Entscheidung, diese Idee nicht zu verfolgen, beurteilen?
  • Was würde ein Visionär wie Steve Jobs in dieser Situation tun?

Bevor man eine Idee endgültig zur Implementierung empfiehlt, kann man fragen …

  • Was hat uns daran gehindert, das schon früher zu tun?
  • Warum hat das die Konkurrenz nicht schon längst gemacht?
  • Auf welcher Annahme basiert unser Optimismus?

Unsere Erfahrung zeigt, dass je intensiver und schneller jemand eine Idee verwerfen oder befördern möchte, desto mehr lohnt eine Rettungsfrage; oft ist die Begründung, die dann vorgetragen wird, leicht zu beseitigen oder zu relativieren.

Mit solchen Rettungsfragen haben wir unsere Klienten schon öfter vor einer Fehlbewertung bewahren können. In einem Fall wollte ein Kunde eine elegante Lösung für ein technisches Problem verwerfen, weil sie (angeblich) mechanisch nicht stabil genug sei. Mit Hilfe der dritten Frage konnten wir aber dafür sorgen, dass diese Idee dennoch im Rennen blieb, und eine spätere Recherche hat ergeben, dass die Lösung durch eine kleine Anpassung sehr wohl die geforderte Stabilität erbringen konnte.

Wo kein Druck, da keine Innovation

voltolina

Dieses Bild setze ich häufig in Präsentationen ein, um zu zeigen, dass Innovation (auch) eine Frage des Wettbewerbsdrucks ist.

Das Bild ist etwa 1350 entstanden und zeigt eine Vorlesung in einer Universität. Vorne steht ein Dozent hinter einem Pult und liest aus einem Buch. Ihm gegenüber sitzen die Studenten in Reih und Glied. Ganz vorne sitzen die aufmerksamen Studenten und verfolgen das Geschehen in ihren eigenen Exemplaren. In der zweiten Reihe stützt ein Gelangweilter seinen Kopf auf, hinten unterhalten sich die Studenten untereinander, und einer scheint sogar zu schlafen.

Der Punkt: es hat sich bis heute nichts geändert! Eine Vorlesung heute sieht – bis auf die Kleidung und die Technologie – genauso aus wie im Bild. Der Grund dafür, dass hier seit 650 Jahren keine Innovation stattgefunden hat, liegt schlicht daran, dass es keinen Wettbewerbsdruck gegeben hat, und damit keinen Antrieb, etwas zu verbessern. Ich bin sicher: wenn die Bildung ein freier Markt wäre, hätten wir längst effektivere Lehrformen eingeführt.

Bildquelle: Wikipedia

Warum Unternehmen Selbstzerstörung betreiben müssen

Unternehmen Selbstzerstörung

Fast alle Unternehmen wachsen langsamer als ihre Branche.

Vor mehr als 60 Jahren hat der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter das Konzept der Kreativen Zerstörung eingeführt. Damit meinte er die Einführung neuer Technologien und Lösungen am Markt, die die Bedürfnisse der Kunden anders und besser befriedigen, als ihre Vorgänger. Diese neuen Lösungen waren das Ergebnis kreativer Arbeit, beispielsweise naturwissenschaftliche Entdeckungen oder technische Erfindungen. Eine unausweichliche Folge der Einführung war jedoch, dass alles, was auf der vorhergehenden Lösung aufbaute, zerstört wurde.

Ein klassisches Beispiel für Kreative Zerstörung ist die Einführung der elektrischen Beleuchtung durch Thomas Edison, wodurch die Gasbeleuchtungsindustrie binnen kurzer Zeit ausstarb. Auch die Einführung des Automobils durch Gottlieb Daimler, Carl Benz und andere verdrängte den ganzen Wirtschaftszweig, der auf Transport durch Pferdekraft existierte – es gab bald kaum noch einen Markt mehr für Kutschen, Futter, Peitschen usw.

Nach Schumpeter ist Kreative Zerstörung eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt: neue und bessere Lösungen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und die Lebensqualität der Menschen.

Nach einer Studie von Robert Foster1 wachsen die meisten Unternehmen langsamer als ihr Branchendurchschnitt. Dieses zunächst überraschende Ergebnis wird dadurch erklärt, dass die Zusammensetzung einer Branche einem ständigen Erneuerungsprozess unterliegt. Eine Branche ist durch Zugänge und Abgänge charakterisiert – es treten ständig neue Anbieter in den Markt, während andere verdrängt oder aufgekauft werden. Da die Neuzugänge in der Regel starkes Wachstum mitbringen, und die Abgänge eher durch Stagnation charakterisiert sind, ergibt sich ein durchschnittliches Wachstum, das höher ist, als das der meisten ihrer ständigen Mitglieder.

Diese ständige Erneuerung ist aber nichts anderes als das Prinzip der Kreativen Zerstörung – diesmal auf Branchen und Unternehmen statt auf Kundenbedürfnisse und Lösungen angewandt. Will ein Unternehmen mit ihrer Branche mithalten, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es auf ähnliche Weise bei sich Kreative Zerstörung praktizieren muss, das heißt, ständig neue, vielversprechende Bereiche zulegen und stagnierende Geschäfte abgeben.

Es gibt aber einen weiteren Grund, der für eine derartige ständige Kreative Zerstörung der Organisation spricht. Je älter ein Markt ist, desto wichtiger werden Faktoren wie Kosteneffizienz und Qualitätssicherung. Diese führen zu restriktiveren Arbeitsweisen, rigide spezifizierten Prozessen und mehr Bürokratie. All dies schränkt die Fähigkeit eines Unternehmens – und dessen Mitarbeiter – spontan und unkompliziert zu handeln, was Voraussetzungen für die Innovation sind. „Business as usual“ blockiert.

Diese Erkenntnis liefert einen weiteren Beleg dafür, dass das Geschäftsmodell von Film-Produktionen in Hollywood zu den innovationsfähigsten gehört. Um einen Film herzustellen, stellt das Studio oft nur die Finanzierung zur Verfügung; Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler, Animationsspezialisten und alle anderen, die für die Herstellung des Films benötigt werden, werden für dieses Projekt beauftragt. Beim nächsten Film kann die Zusammensetzung der Beitragenden komplett anders sein. Mit diesem Modell sichert sich das Studio die maximale Innovationsfähigkeit, denn es kann für jedes Projekt die bestmöglichen Partner holen.

Das Konzept der Kreativen Zerstörung des Unternehmens habe ich in einem Artikel von Innosight entdeckt, den ich zur Lektüre empfehle. Ich halte es für eine interessante und überzeugende Einsicht, die zwar sehr schwer in der Umsetzung, aber zugleich vielleicht auch für viele Unternehmen (über-)lebenswichtig sein kann. Je dynamischer der Markt und je höher der Erfolgsdruck, desto mehr muss ein Unternehmen bereit sein, nicht nur seine Angebote, sondern auch sich selbst zu erneuern.

Quelle: Innosight – Creative Destruction Whips through Corporate America

1Richard Foster: Creative Destruction

Punktevergabe oder Paarvergleich?

punktevergabe oder paarvergleich

Methoden mit Punktevergabe und Paarvergleich

Die Bewertung von Ideen ist ein wichtiger, aber schwieriger Teil des Innovationsprozesses. Sie dient dazu, die Attraktivität der Ideen zu ermitteln. Sie ist die Vorbereitung für einen anschließenden Auswahlschritt, wo die Ideen ausgewählt werden, die im Prozess verbleiben. Die meisten Methoden verwenden entweder die Punktevergabe oder den Paarvergleich.

In der Praxis sind die meisten Methoden zur Bewertung von Ideen Punktemethoden. Die Ideenbewerter vergeben Punkte, die zum Ausdruck bringen, inwiefern die Ideen einem vorgegebenen Bewertungskriterium entsprechen. Die Vorteile einer Punktebewertung liegen auf der Hand: sie ist einfach, und die Punktzahlen von verschiedenen Experten oder für verschiedene Kriterien lassen sich leicht zusammenaddieren, um zu einer Gesamtsumme zu kommen. Eine Ideenbewertungsmethode, die so vorgeht, ist die Paarvergleichsmatrix.

In der wissenschaftlichen Literatur findet man jedoch auch Bewertungsmethoden, die auf Paarvergleichen beruhen. Die bekannteste ist der Analytical Hierarchy Process. Hier werden den Bewertern Paare von Ideen vorgelegt, und sie müssen angeben, welche der beiden am ehesten einem Kriterium entspricht. Aus der Menge aller Paarvergleiche kann dann ein Ranking aller Ideen berechnet werden.

Obwohl die Verfahren, die auf Paarvergleichen beruhen, aufwendiger sind, gibt es eine Reihe von theoretischen und praktischen Gründen, die für sie sprechen.

Vier Beispiele

Stellen wir uns vor, zwei Ideen sollen von zwei Experten begutachtet werden. Im ersten Experiment dürfen die Experten Punkte von 1 bis 10 vergeben, im zweiten führen sie Paarvergleiche durch.

Beispiel 1: Gleichstand

Wenn im ersten Experiment beide Experten einer Idee die gleiche Punktzahl geben, bedeutet dies nicht dasselbe. Beim ersten Experten kann ein Punkt etwas anderes bedeuten, als beim zweiten. Geben beiden Experten jedoch beim Paarvergleich an, dass beide Ideen gleichwertig sind, dann haben beide in diesem Fall tatsächlich die selbe Aussage gemacht.

Beispiel 2: Denkaufwand

Es ist anstrengender, eine Punktbewertung vorzunehmen, als einen Paarvergleich zu machen. Dies liegt daran, dass eine Punktbewertung eine Skala voraussetzt, die aber in den meisten Fällen nicht existiert. (Was heißt es genau, dass eine Idee 7 Punkte bekommt und nicht 6 oder 8 Punkte?)

Beispiel 3: Beständigkeit des Urteils

Bei der Punktevergabe kommt es oft vor, dass ein Experte seine früheren Bewertungen revidieren möchte. Das passiert, wenn er nach der Erstbewertung weitere Ideen kennenlernt, die seine erste Punktbewertung in einem anderen Licht erscheinen lassen. Beim Paarvergleich dagegen kann dieser Effekt nicht eintreten. Die Feststellung, dass Idee A besser ist, als Idee B hängt nicht von der Kenntnis von Idee C ab.

Beispiel 4: Genauigkeit

Die Verwendung von Punkten zur Bewertung suggieriert eine Genauigkeit, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Wenn die Punkte mehrerer Bewerter oder für unterschiedliche Kriterien zusammengezählt werden, kommen große Zahlen zustande, die sich oft wenig unterscheiden. Die Versuchung ist dann groß, zu schlussfolgern, dass die Idee mit 97 Punkten besser ist, als die mit 96 Punkten. Dabei sind die einzelnen Punktangaben, aus denen sich die Gesamtsummen zusammensetzen, oft ungenau, denn sie beruhen lediglich auf einem Bauchgefühl. Demnach sind Schlussfolgerungen, die auf geringen Punkteunterschieden beruhen, nicht gerechtfertigt. Im Gegensatz hierzu sind Paarvergleiche genau, denn Entscheidung, welche von zwei Ideen besser ist, enthält keine Abstufungen.

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Kompaktwissen Ideenbewertung

Tagungsbericht HICSS45

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Jedes Jahr findet die Hawaii International Conference on System Sciences auf Hawaii statt. Bei dieser Tagung, die von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt besucht wird, werden Forschungsergebnisse aus einem breiten Spektrum an Themen vorgestellt. Für uns von Interesse sind die Bereiche Kreativität, Innovation und Kollaboration, da wir hier wertvolle Impulse für unsere Arbeit gewinnen können.

Dieses Jahr haben wir zwei Ergebnisse unserer Forschung auf dem Gebiet der Ideenbewertung präsentiert.

Bei der ersten Studie haben wir die Frage untersucht, wie eine Gruppe von Experten eine Menge von Rohideen am besten in die zwei Kategorien „behalten“ und „verwerfen“ einteilen kann. Dabei soll der Vorgang so schnell wie möglich sein, ohne jedoch dabei an Zuverlässigkeit zu verlieren. Wir haben eine neue Methode vorgestellt, die diese (und weitere) wichtigen Anforderungen erfüllt.

In unserer zweiten Studie ging es ebenfalls um die Bewertung von Rohideen. Auch hier sollte die Ideenmenge in die zwei Mengen „behalten“ und „verwerfen“ partitioniert werden, wobei aber die Ideen, die die Prüfung bestehen, priorisiert werden sollen. Ferner soll der Ideenbewerter seine Urteile von Bedingungen abhängig machen können, die zum Zeitpunkt der Bewertung unbekannt sind. Wir haben hierfür eine neue Methode entwickelt, die für alle möglichen Kombinationen von Bedingungen die gewünschten Ranking-Ergebnisse berechnet. Dabei werden die vielen Kombinationen von Bedingungen vom Computer verwaltet.

In der Rolle von Zuhörern war der für uns wichigste Teil der Tagung eine Präsentation von Gwendolyn Kolfschoten von der Delft University of Technology und Robert Briggs von der State University of San Diego. Diese haben ein Modell von kollaborativer Arbeit vorgestellt, das hilft, Workshops besser zu verstehen und zu planen. Dieses Modell lässt sich direkt auf die Vorbereitung unserer Ideenfabriken anwenden, und wir haben beschlossen, es schon bei unserem ersten Kundenprojekt im neuen Jahr einzusetzen.

Unsere beiden wissenschaftlichen Artikel können von der Website des Lehrstuhls für Simulation an der Universität Magdeburg heruntergeladen werden.